II. Daß die Schiedsrichter (nicht zu verwechseln mit den Schieds- männern) den Beamten gleichgestellt worden, beruht auf der Aehnlich- keit ihrer Funktionen, wenn auch die Beugung des Rechts durch diesel- ben nicht als die Verletzung einer Amtspflicht, sondern als ein Verbre- chen gegen Treu und Glauben sich darstellt. q)
III. In dem Entwurfe von 1850. §. 285. fehlten die Worte "zur Begünstigung oder Benachtheiligung einer Partei", welche erst durch die Kommission der zweiten Kammer hinzugefügt worden sind. Man fand nämlich, daß durch den Ausdruck "wer vorsätzlich sich einer Un- gerechtigkeit schuldig macht", der Thatbestand eines Verbrechens nicht hinreichend bezeichnet werde. Es müsse im einzelnen Fall festgestellt werden, was als eine Ungerechtigkeit zu betrachten sei, ohne daß der Entwurf dem Richter dafür irgend einen Anhalt gewähre. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, sind daher jene Worte nach dem Vorgange des Rheinischen Rechts in den Paragraphen aufgenommen worden. r)
§. 315.
Ein Beamter, welcher seine Amtsgewalt mißbraucht, um Jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung widerrechtlich zu nöthigen, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monate bestraft; zugleich kann auf zeitige Un- fähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
Im Anschluß an die Bestimmungen der §§. 92. und 212. über die Nöthigung ist hier der Fall vorgesehen worden, wenn ein Beam- ter seine Amtsgewalt zu einem solchen Vergehen mißbraucht. In der Kommission der zweiten Kammer wurde noch folgender Zusatz beantragt: "oder welcher eine seiner amtlichen Entscheidung unterliegende Sache vorsätzlich zur Begünstigung oder Benachtheiligung eines Betheiligten entscheidet;" indem es für nöthig gehalten wurde, die Bestimmung des §. 314., welche sich nur auf die Richter und solche Beamte, denen die Ausübung der s. g. Administrativ-Justiz übertragen ist, bezieht, überhaupt auf die Verwaltungsbeamten auszudehnen. Die Mehrheit der Kommission er- klärte sich aber dagegen. Wollte man noch weiter gehen und die Ent- scheidungen ins Auge fassen, die von den Verwaltungsbehörden nach subjektivem Ermessen getroffen werden müßten, z. B. welchem von meh- reren Bewerbern um eine Konzession der Vorzug zu geben sei, so würde
q)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 25. Juni 1842.
r)Protokolle der Kommission der zweiten Kammer vom 31. Fe- bruar 1851.
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§. 314. Beugung des Rechts. §. 315. Nöthigung.
II. Daß die Schiedsrichter (nicht zu verwechſeln mit den Schieds- männern) den Beamten gleichgeſtellt worden, beruht auf der Aehnlich- keit ihrer Funktionen, wenn auch die Beugung des Rechts durch dieſel- ben nicht als die Verletzung einer Amtspflicht, ſondern als ein Verbre- chen gegen Treu und Glauben ſich darſtellt. q)
III. In dem Entwurfe von 1850. §. 285. fehlten die Worte „zur Begünſtigung oder Benachtheiligung einer Partei“, welche erſt durch die Kommiſſion der zweiten Kammer hinzugefügt worden ſind. Man fand nämlich, daß durch den Ausdruck „wer vorſätzlich ſich einer Un- gerechtigkeit ſchuldig macht“, der Thatbeſtand eines Verbrechens nicht hinreichend bezeichnet werde. Es müſſe im einzelnen Fall feſtgeſtellt werden, was als eine Ungerechtigkeit zu betrachten ſei, ohne daß der Entwurf dem Richter dafür irgend einen Anhalt gewähre. Um dieſem Uebelſtande abzuhelfen, ſind daher jene Worte nach dem Vorgange des Rheiniſchen Rechts in den Paragraphen aufgenommen worden. r)
§. 315.
Ein Beamter, welcher ſeine Amtsgewalt mißbraucht, um Jemand zu einer Handlung, Duldung oder Unterlaſſung widerrechtlich zu nöthigen, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monate beſtraft; zugleich kann auf zeitige Un- fähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
Im Anſchluß an die Beſtimmungen der §§. 92. und 212. über die Nöthigung iſt hier der Fall vorgeſehen worden, wenn ein Beam- ter ſeine Amtsgewalt zu einem ſolchen Vergehen mißbraucht. In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde noch folgender Zuſatz beantragt: „oder welcher eine ſeiner amtlichen Entſcheidung unterliegende Sache vorſätzlich zur Begünſtigung oder Benachtheiligung eines Betheiligten entſcheidet;“ indem es für nöthig gehalten wurde, die Beſtimmung des §. 314., welche ſich nur auf die Richter und ſolche Beamte, denen die Ausübung der ſ. g. Adminiſtrativ-Juſtiz übertragen iſt, bezieht, überhaupt auf die Verwaltungsbeamten auszudehnen. Die Mehrheit der Kommiſſion er- klärte ſich aber dagegen. Wollte man noch weiter gehen und die Ent- ſcheidungen ins Auge faſſen, die von den Verwaltungsbehörden nach ſubjektivem Ermeſſen getroffen werden müßten, z. B. welchem von meh- reren Bewerbern um eine Konzeſſion der Vorzug zu geben ſei, ſo würde
q)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 25. Juni 1842.
r)Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 31. Fe- bruar 1851.
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[555/0565]
§. 314. Beugung des Rechts. §. 315. Nöthigung.
II. Daß die Schiedsrichter (nicht zu verwechſeln mit den Schieds-
männern) den Beamten gleichgeſtellt worden, beruht auf der Aehnlich-
keit ihrer Funktionen, wenn auch die Beugung des Rechts durch dieſel-
ben nicht als die Verletzung einer Amtspflicht, ſondern als ein Verbre-
chen gegen Treu und Glauben ſich darſtellt. q)
III. In dem Entwurfe von 1850. §. 285. fehlten die Worte „zur
Begünſtigung oder Benachtheiligung einer Partei“, welche erſt durch
die Kommiſſion der zweiten Kammer hinzugefügt worden ſind. Man
fand nämlich, daß durch den Ausdruck „wer vorſätzlich ſich einer Un-
gerechtigkeit ſchuldig macht“, der Thatbeſtand eines Verbrechens nicht
hinreichend bezeichnet werde. Es müſſe im einzelnen Fall feſtgeſtellt
werden, was als eine Ungerechtigkeit zu betrachten ſei, ohne daß der
Entwurf dem Richter dafür irgend einen Anhalt gewähre. Um dieſem
Uebelſtande abzuhelfen, ſind daher jene Worte nach dem Vorgange des
Rheiniſchen Rechts in den Paragraphen aufgenommen worden. r)
§. 315.
Ein Beamter, welcher ſeine Amtsgewalt mißbraucht, um Jemand zu einer
Handlung, Duldung oder Unterlaſſung widerrechtlich zu nöthigen, wird mit
Gefängniß nicht unter Einem Monate beſtraft; zugleich kann auf zeitige Un-
fähigkeit zu öffentlichen Aemtern erkannt werden.
Im Anſchluß an die Beſtimmungen der §§. 92. und 212. über
die Nöthigung iſt hier der Fall vorgeſehen worden, wenn ein Beam-
ter ſeine Amtsgewalt zu einem ſolchen Vergehen mißbraucht. In der
Kommiſſion der zweiten Kammer wurde noch folgender Zuſatz beantragt:
„oder welcher eine ſeiner amtlichen Entſcheidung unterliegende
Sache vorſätzlich zur Begünſtigung oder Benachtheiligung eines
Betheiligten entſcheidet;“
indem es für nöthig gehalten wurde, die Beſtimmung des §. 314.,
welche ſich nur auf die Richter und ſolche Beamte, denen die Ausübung
der ſ. g. Adminiſtrativ-Juſtiz übertragen iſt, bezieht, überhaupt auf die
Verwaltungsbeamten auszudehnen. Die Mehrheit der Kommiſſion er-
klärte ſich aber dagegen. Wollte man noch weiter gehen und die Ent-
ſcheidungen ins Auge faſſen, die von den Verwaltungsbehörden nach
ſubjektivem Ermeſſen getroffen werden müßten, z. B. welchem von meh-
reren Bewerbern um eine Konzeſſion der Vorzug zu geben ſei, ſo würde
q) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 25. Juni 1842.
r) Protokolle der Kommiſſion der zweiten Kammer vom 31. Fe-
bruar 1851.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/565>, abgerufen am 27.11.2024.
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