Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Bestraf. d. Uebertretungen im Allg.
Handlungen oder Unterlassungen zu bestrafen, welche Gesetze oder be- sondere obrigkeitliche Verordnungen dafür erklären."
Diese Fassung wurde von verschiedenen Seiten angefochten, und bei der Revision von 1845. auch insofern auf die erhobenen Einwen- dungen Rücksicht genommen, daß zum Begriff des Polizeivergehens ein Verbot bei Strafe erfordert, und nur eine verfassungsmäßig erlassene obrigkeitliche Verordnung zur Aufstellung eines solchen Verbots für ge- eignet erklärt wurde. Unter welchen Voraussetzungen aber die Verord- nung für verfassungsmäßig oder gesetzlich erlassen zu betrachten sei, und wie weit namentlich die Befugnisse der Behörden in dieser Beziehung gehen, -- darüber glaubte man in dem Strafgesetzbuch keine Vorschrif- ten geben zu können. e) Die Staatsraths-Kommission beschloß jedoch, die Worte "bei Strafe" fortfallen zu lassen, da es nach der bestehenden Gesetzgebung zum Begriff des Polizeivergehens nicht erforderlich sei, daß ein Verbot ausdrücklich bei Strafe erlassen worden, und eine Ab- änderung der Gesetzgebung, zu der sich kein Bedürfniß gezeigt habe, nicht unbedenklich erscheine. f) Der Entwurf von 1847. §. 417. lau- tete daher:
"Als Polizeivergehen sind nur solche Handlungen oder Unter- lassungen zu bestrafen, welche durch Gesetze oder durch verfas- sungsmäßig erlassene obrigkeitliche Verordnungen polizeilich ver- boten sind."
In dem vereinigten ständischen Ausschuß kam man jedoch auf die frühere Fassung zurück, und verständigte sich dahin, daß in Zukunft Polizei-Verbote nicht anders als unter Androhung eines Strafsatzes sollten erlassen werden können, während ältere Verordnungen auch ohne eine solche Androhung in Kraft blieben. g) Der Entwurf von 1850. §. 304. hat aber diesen beschränkenden Zusatz nicht aufgenommen, der auch mit dem in §. 2. ausgesprochenen allgemeinen Rechtsgrundsatze unvereinbar gewesen wäre. Gegenwärtig kann also nur eine Handlung polizeilich geahndet werden, die in gesetzlicher Weise unter Strafe ge- stellt ist.
I. Eine Strafbestimmung kann nur in einem Gesetze oder in einer dem Gesetze gleichgestellten Verordnung der Behörden angeordnet wer- den; dem ungeschriebenen Rechte ist die gleiche Wirksamkeit versagt. Ein
e)Revision von 1845. I. S. 252. 253. Vgl. Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. I. S. 153. 206.
f)Verhandlungen von 1846. S. 196.
g)Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. IV. S. 568-71.
Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Beſtraf. d. Uebertretungen im Allg.
Handlungen oder Unterlaſſungen zu beſtrafen, welche Geſetze oder be- ſondere obrigkeitliche Verordnungen dafür erklären.“
Dieſe Faſſung wurde von verſchiedenen Seiten angefochten, und bei der Reviſion von 1845. auch inſofern auf die erhobenen Einwen- dungen Rückſicht genommen, daß zum Begriff des Polizeivergehens ein Verbot bei Strafe erfordert, und nur eine verfaſſungsmäßig erlaſſene obrigkeitliche Verordnung zur Aufſtellung eines ſolchen Verbots für ge- eignet erklärt wurde. Unter welchen Vorausſetzungen aber die Verord- nung für verfaſſungsmäßig oder geſetzlich erlaſſen zu betrachten ſei, und wie weit namentlich die Befugniſſe der Behörden in dieſer Beziehung gehen, — darüber glaubte man in dem Strafgeſetzbuch keine Vorſchrif- ten geben zu können. e) Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß jedoch, die Worte „bei Strafe“ fortfallen zu laſſen, da es nach der beſtehenden Geſetzgebung zum Begriff des Polizeivergehens nicht erforderlich ſei, daß ein Verbot ausdrücklich bei Strafe erlaſſen worden, und eine Ab- änderung der Geſetzgebung, zu der ſich kein Bedürfniß gezeigt habe, nicht unbedenklich erſcheine. f) Der Entwurf von 1847. §. 417. lau- tete daher:
„Als Polizeivergehen ſind nur ſolche Handlungen oder Unter- laſſungen zu beſtrafen, welche durch Geſetze oder durch verfaſ- ſungsmäßig erlaſſene obrigkeitliche Verordnungen polizeilich ver- boten ſind.“
In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß kam man jedoch auf die frühere Faſſung zurück, und verſtändigte ſich dahin, daß in Zukunft Polizei-Verbote nicht anders als unter Androhung eines Strafſatzes ſollten erlaſſen werden können, während ältere Verordnungen auch ohne eine ſolche Androhung in Kraft blieben. g) Der Entwurf von 1850. §. 304. hat aber dieſen beſchränkenden Zuſatz nicht aufgenommen, der auch mit dem in §. 2. ausgeſprochenen allgemeinen Rechtsgrundſatze unvereinbar geweſen wäre. Gegenwärtig kann alſo nur eine Handlung polizeilich geahndet werden, die in geſetzlicher Weiſe unter Strafe ge- ſtellt iſt.
I. Eine Strafbeſtimmung kann nur in einem Geſetze oder in einer dem Geſetze gleichgeſtellten Verordnung der Behörden angeordnet wer- den; dem ungeſchriebenen Rechte iſt die gleiche Wirkſamkeit verſagt. Ein
e)Reviſion von 1845. I. S. 252. 253. Vgl. Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. I. S. 153. 206.
f)Verhandlungen von 1846. S. 196.
g)Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV. S. 568-71.
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Th. III. V. d. Uebertretungen. Tit. I. Beſtraf. d. Uebertretungen im Allg.
Handlungen oder Unterlaſſungen zu beſtrafen, welche Geſetze oder be-
ſondere obrigkeitliche Verordnungen dafür erklären.“
Dieſe Faſſung wurde von verſchiedenen Seiten angefochten, und
bei der Reviſion von 1845. auch inſofern auf die erhobenen Einwen-
dungen Rückſicht genommen, daß zum Begriff des Polizeivergehens ein
Verbot bei Strafe erfordert, und nur eine verfaſſungsmäßig erlaſſene
obrigkeitliche Verordnung zur Aufſtellung eines ſolchen Verbots für ge-
eignet erklärt wurde. Unter welchen Vorausſetzungen aber die Verord-
nung für verfaſſungsmäßig oder geſetzlich erlaſſen zu betrachten ſei, und
wie weit namentlich die Befugniſſe der Behörden in dieſer Beziehung
gehen, — darüber glaubte man in dem Strafgeſetzbuch keine Vorſchrif-
ten geben zu können. e) Die Staatsraths-Kommiſſion beſchloß jedoch,
die Worte „bei Strafe“ fortfallen zu laſſen, da es nach der beſtehenden
Geſetzgebung zum Begriff des Polizeivergehens nicht erforderlich ſei,
daß ein Verbot ausdrücklich bei Strafe erlaſſen worden, und eine Ab-
änderung der Geſetzgebung, zu der ſich kein Bedürfniß gezeigt habe,
nicht unbedenklich erſcheine. f) Der Entwurf von 1847. §. 417. lau-
tete daher:
„Als Polizeivergehen ſind nur ſolche Handlungen oder Unter-
laſſungen zu beſtrafen, welche durch Geſetze oder durch verfaſ-
ſungsmäßig erlaſſene obrigkeitliche Verordnungen polizeilich ver-
boten ſind.“
In dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß kam man jedoch auf die
frühere Faſſung zurück, und verſtändigte ſich dahin, daß in Zukunft
Polizei-Verbote nicht anders als unter Androhung eines Strafſatzes
ſollten erlaſſen werden können, während ältere Verordnungen auch ohne
eine ſolche Androhung in Kraft blieben. g) Der Entwurf von 1850.
§. 304. hat aber dieſen beſchränkenden Zuſatz nicht aufgenommen, der
auch mit dem in §. 2. ausgeſprochenen allgemeinen Rechtsgrundſatze
unvereinbar geweſen wäre. Gegenwärtig kann alſo nur eine Handlung
polizeilich geahndet werden, die in geſetzlicher Weiſe unter Strafe ge-
ſtellt iſt.
I. Eine Strafbeſtimmung kann nur in einem Geſetze oder in einer
dem Geſetze gleichgeſtellten Verordnung der Behörden angeordnet wer-
den; dem ungeſchriebenen Rechte iſt die gleiche Wirkſamkeit verſagt. Ein
e) Reviſion von 1845. I. S. 252. 253. Vgl. Berathungs-Protokolle
der Staatsraths-Kommiſſion. I. S. 153. 206.
f) Verhandlungen von 1846. S. 196.
g) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. IV.
S. 568-71.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/582>, abgerufen am 26.11.2024.
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