sein, ebenso auch die Ehrenstrafe des alten Rechts, weil der Verlust der Kokarde mit seinen Folgen für eine mildere Ehrenstrafe erachtet wird, als die zeitige Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte."
"Die zweite oben erwähnte Ansicht stimmt dagegen in diesem letz- ten Punkt mit der vorstehenden nicht überein, sie scheidet zunächst bei den Ehrenstrafen wegen des §. 2. l. c. das aus, was im gegenwärti- gen Strafgesetzbuche, gegenüber den Ehrenstrafen des alten Strafrechts, neu ist, und kommt dann zu einer Abwägung des Kokardenverlustes für immer nach dem alten, und des zeitigen Verlustes des Rechtes, die Ko- karde zu tragen, nach dem neuen Recht, und hält insoweit die Ehren- strafe des letzteren für milder."
"Neuerdings ist diese Frage zur Entscheidung des Königlichen Ober- Tribunals gelangt, und dasselbe hat sich dahin ausgesprochen:
"daß es unzulässig sei, bei Bestrafung einer und derselben Handlung die Strafe theils aus dem alten, theils aus dem neuen Strafrecht herzuleiten, und eine Vermischung einzelner Strafbestimmungen des ältern und des neuern Rechts, also im Resultat eine Strafe eintreten zu lassen, welche weder mit dem alten, noch mit dem neuen Rechte stimme, k) daß vielmehr zur Entscheidung, welche Strafe die mildere sei, die in jedem der beiden Rechte angedrohte Strafe in ihrer Totalität aufgefaßt und beide Strafe gegen einander abgewogen werden müßten, daß zwar hierbei Fälle vorkommen könnten, in denen die Ent- scheidung wegen der innern Verschiedenheit dieser Strafen zwei- felhaft sein könne, daß dann aber je nach dem konkreten Falle der Richter zu entscheiden habe, welche Strafe die gelindere sei; daß diesem Grundsatze endlich auch nicht der §. 2. des Strafgesetzbuchs entgegenstehe, der nur die Bestimmung habe, den bekannten Grundsatz des Strafrechts auszusprechen, daß keine Strafe ohne Gesetz verhängt werden dürfe, und Straf- gesetze an und für sich keine rückwirkende Kraft hätten."
In Anwendung dieses Grundsatzes hat der fünfte Senat des Kö- niglichen Ober-Tribunals in seiner Sitzung vom 9. Juli 1851. wegen vierten einfachen Diebstahls die in §. 219. des Strafgesetzbuchs vor- geschriebene Strafe als die gelindere zur Anwendung gebracht," in Er- wägung -- --
"daß hierbei die Verschiedenartigkeit der früheren und der jetzi- gen Zuchthausstrafe in ihren Wirkungen nicht zu der Folgerung
k) Vgl. Chauveau et Helie Faustin, Theorie du Code penal. I. chap. II. p. 14.
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
ſein, ebenſo auch die Ehrenſtrafe des alten Rechts, weil der Verluſt der Kokarde mit ſeinen Folgen für eine mildere Ehrenſtrafe erachtet wird, als die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte.“
„Die zweite oben erwähnte Anſicht ſtimmt dagegen in dieſem letz- ten Punkt mit der vorſtehenden nicht überein, ſie ſcheidet zunächſt bei den Ehrenſtrafen wegen des §. 2. l. c. das aus, was im gegenwärti- gen Strafgeſetzbuche, gegenüber den Ehrenſtrafen des alten Strafrechts, neu iſt, und kommt dann zu einer Abwägung des Kokardenverluſtes für immer nach dem alten, und des zeitigen Verluſtes des Rechtes, die Ko- karde zu tragen, nach dem neuen Recht, und hält inſoweit die Ehren- ſtrafe des letzteren für milder.“
„Neuerdings iſt dieſe Frage zur Entſcheidung des Königlichen Ober- Tribunals gelangt, und daſſelbe hat ſich dahin ausgeſprochen:
„daß es unzuläſſig ſei, bei Beſtrafung einer und derſelben Handlung die Strafe theils aus dem alten, theils aus dem neuen Strafrecht herzuleiten, und eine Vermiſchung einzelner Strafbeſtimmungen des ältern und des neuern Rechts, alſo im Reſultat eine Strafe eintreten zu laſſen, welche weder mit dem alten, noch mit dem neuen Rechte ſtimme, k) daß vielmehr zur Entſcheidung, welche Strafe die mildere ſei, die in jedem der beiden Rechte angedrohte Strafe in ihrer Totalität aufgefaßt und beide Strafe gegen einander abgewogen werden müßten, daß zwar hierbei Fälle vorkommen könnten, in denen die Ent- ſcheidung wegen der innern Verſchiedenheit dieſer Strafen zwei- felhaft ſein könne, daß dann aber je nach dem konkreten Falle der Richter zu entſcheiden habe, welche Strafe die gelindere ſei; daß dieſem Grundſatze endlich auch nicht der §. 2. des Strafgeſetzbuchs entgegenſtehe, der nur die Beſtimmung habe, den bekannten Grundſatz des Strafrechts auszuſprechen, daß keine Strafe ohne Geſetz verhängt werden dürfe, und Straf- geſetze an und für ſich keine rückwirkende Kraft hätten.“
In Anwendung dieſes Grundſatzes hat der fünfte Senat des Kö- niglichen Ober-Tribunals in ſeiner Sitzung vom 9. Juli 1851. wegen vierten einfachen Diebſtahls die in §. 219. des Strafgeſetzbuchs vor- geſchriebene Strafe als die gelindere zur Anwendung gebracht,“ in Er- wägung — —
„daß hierbei die Verſchiedenartigkeit der früheren und der jetzi- gen Zuchthausſtrafe in ihren Wirkungen nicht zu der Folgerung
k) Vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal. I. chap. II. p. 14.
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Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
ſein, ebenſo auch die Ehrenſtrafe des alten Rechts, weil der Verluſt der
Kokarde mit ſeinen Folgen für eine mildere Ehrenſtrafe erachtet wird,
als die zeitige Unterſagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte.“
„Die zweite oben erwähnte Anſicht ſtimmt dagegen in dieſem letz-
ten Punkt mit der vorſtehenden nicht überein, ſie ſcheidet zunächſt bei
den Ehrenſtrafen wegen des §. 2. l. c. das aus, was im gegenwärti-
gen Strafgeſetzbuche, gegenüber den Ehrenſtrafen des alten Strafrechts,
neu iſt, und kommt dann zu einer Abwägung des Kokardenverluſtes für
immer nach dem alten, und des zeitigen Verluſtes des Rechtes, die Ko-
karde zu tragen, nach dem neuen Recht, und hält inſoweit die Ehren-
ſtrafe des letzteren für milder.“
„Neuerdings iſt dieſe Frage zur Entſcheidung des Königlichen Ober-
Tribunals gelangt, und daſſelbe hat ſich dahin ausgeſprochen:
„daß es unzuläſſig ſei, bei Beſtrafung einer und derſelben
Handlung die Strafe theils aus dem alten, theils aus dem
neuen Strafrecht herzuleiten, und eine Vermiſchung einzelner
Strafbeſtimmungen des ältern und des neuern Rechts, alſo im
Reſultat eine Strafe eintreten zu laſſen, welche weder mit dem
alten, noch mit dem neuen Rechte ſtimme, k) daß vielmehr zur
Entſcheidung, welche Strafe die mildere ſei, die in jedem der
beiden Rechte angedrohte Strafe in ihrer Totalität aufgefaßt
und beide Strafe gegen einander abgewogen werden müßten,
daß zwar hierbei Fälle vorkommen könnten, in denen die Ent-
ſcheidung wegen der innern Verſchiedenheit dieſer Strafen zwei-
felhaft ſein könne, daß dann aber je nach dem konkreten Falle
der Richter zu entſcheiden habe, welche Strafe die gelindere ſei;
daß dieſem Grundſatze endlich auch nicht der §. 2. des
Strafgeſetzbuchs entgegenſtehe, der nur die Beſtimmung habe,
den bekannten Grundſatz des Strafrechts auszuſprechen, daß
keine Strafe ohne Geſetz verhängt werden dürfe, und Straf-
geſetze an und für ſich keine rückwirkende Kraft hätten.“
In Anwendung dieſes Grundſatzes hat der fünfte Senat des Kö-
niglichen Ober-Tribunals in ſeiner Sitzung vom 9. Juli 1851. wegen
vierten einfachen Diebſtahls die in §. 219. des Strafgeſetzbuchs vor-
geſchriebene Strafe als die gelindere zur Anwendung gebracht,“ in Er-
wägung — —
„daß hierbei die Verſchiedenartigkeit der früheren und der jetzi-
gen Zuchthausſtrafe in ihren Wirkungen nicht zu der Folgerung
k) Vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal. I.
chap. II. p. 14.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/614>, abgerufen am 24.11.2024.
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