Stelle der Rheinischen Strafprozeßordnung bedurfte es nach den in Art. II. aufgestellten Grundsätzen nicht.
Ein praktisches Bedenken, welches mit Rücksicht auf die Versäu- mung der Privatstrafanträge (§. 50.) in der Kommission der ersten Kammer angeregt wurde, erschien bei näherer Erwägung von keiner Erheblichkeit; v) dagegen wurde in der Kommission der zweiten Kammer die Frage aufgeworfen, ob die gleiche Verjährungsfrist für die Civil- klagen und die öffentlichen Klagen nicht auch für die übrigen Landes- theile einzuführen sei. Man ging jedoch auf diese Ansicht nicht ein, weil sich für eine solche Neuerung kein praktisches Bedürfniß heraus- gestellt habe, und dieses Einführungsgesetz jedenfalls nicht der Ort sei, umfassendere Bestimmungen über die Verjährung zu treffen. w)
B. Das Rheinische Handelsgesetzbuch schreibt namentlich in Art. 69. 440. 466. den Handeltreibenden (commercans) für den Fall des Falliments gewisse formelle Verpflichtungen vor, deren Vernachlässigung mit der Strafe des einfachen oder betrügerischen Bankerutts bedroht ist; Code de com. Art. 69. 586-599. Nach dem im Strafgesetzbuch (§§. 259. 261.) befolgten Systeme erscheint aber in solchen Fällen nur die Strafe des einfachen Bankerutts angemessen, und die Vorschrift des Art. XII. §. 2. hat den Zweck, unter Aufhebung der entgegenstehenden Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, diese Milderung der Strafe ein- zuführen. Es ist dabei zu bemerken, daß nur die Straf bestimmungen der angeführten Artikel, und nicht ihr weiterer civilrechtlicher Inhalt aufgehoben ist. Wenn aber an dieser Stelle, wie in den früheren Ent- würfen von "Handeltreibenden" die Rede ist, während das Strafgesetz- buch selbst "Handelsleute" nennt, so ist das ein Redaktionsversehen; ein verschiedener Sinn ist mit diesen Worten nicht verbunden worden. x)
C. Die Vorschrift des Art. XII. §. 3. war in dem Entwurf des Strafgesetzbuchs von 1850. als §. 238. für die ganze Monarchie in Vorschlag gebracht, von der Kommission der zweiten Kammer jedoch auf den Bereich des Rheinischen Handelsrechts beschränkt und in das Einführungsgesetz verwiesen worden. y) Dieselbe ist dem Französischen Gesetze vom 28. Mai 1838. entlehnt, und entspricht den besonderen Verhältnissen des Rheinischen Konkursverfahrens, nach welchem der Zutritt zu dem Konkordat mit dem Fallit gewordenen Schuldner kein freiwilliger ist, und daher Vorsorge getroffen werden muß, daß nicht
v)Bericht der Kommission der ersten Kammer zu Art. XII.
w)Bericht der Kommission der zweiten Kammer ebendas.
x)Bericht der Kommission der ersten Kammer a. a. O.
y) S. oben S. 496. 497.
Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
Stelle der Rheiniſchen Strafprozeßordnung bedurfte es nach den in Art. II. aufgeſtellten Grundſätzen nicht.
Ein praktiſches Bedenken, welches mit Rückſicht auf die Verſäu- mung der Privatſtrafanträge (§. 50.) in der Kommiſſion der erſten Kammer angeregt wurde, erſchien bei näherer Erwägung von keiner Erheblichkeit; v) dagegen wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer die Frage aufgeworfen, ob die gleiche Verjährungsfriſt für die Civil- klagen und die öffentlichen Klagen nicht auch für die übrigen Landes- theile einzuführen ſei. Man ging jedoch auf dieſe Anſicht nicht ein, weil ſich für eine ſolche Neuerung kein praktiſches Bedürfniß heraus- geſtellt habe, und dieſes Einführungsgeſetz jedenfalls nicht der Ort ſei, umfaſſendere Beſtimmungen über die Verjährung zu treffen. w)
B. Das Rheiniſche Handelsgeſetzbuch ſchreibt namentlich in Art. 69. 440. 466. den Handeltreibenden (commerçans) für den Fall des Falliments gewiſſe formelle Verpflichtungen vor, deren Vernachläſſigung mit der Strafe des einfachen oder betrügeriſchen Bankerutts bedroht iſt; Code de com. Art. 69. 586-599. Nach dem im Strafgeſetzbuch (§§. 259. 261.) befolgten Syſteme erſcheint aber in ſolchen Fällen nur die Strafe des einfachen Bankerutts angemeſſen, und die Vorſchrift des Art. XII. §. 2. hat den Zweck, unter Aufhebung der entgegenſtehenden Beſtimmungen des Handelsgeſetzbuchs, dieſe Milderung der Strafe ein- zuführen. Es iſt dabei zu bemerken, daß nur die Straf beſtimmungen der angeführten Artikel, und nicht ihr weiterer civilrechtlicher Inhalt aufgehoben iſt. Wenn aber an dieſer Stelle, wie in den früheren Ent- würfen von „Handeltreibenden“ die Rede iſt, während das Strafgeſetz- buch ſelbſt „Handelsleute“ nennt, ſo iſt das ein Redaktionsverſehen; ein verſchiedener Sinn iſt mit dieſen Worten nicht verbunden worden. x)
C. Die Vorſchrift des Art. XII. §. 3. war in dem Entwurf des Strafgeſetzbuchs von 1850. als §. 238. für die ganze Monarchie in Vorſchlag gebracht, von der Kommiſſion der zweiten Kammer jedoch auf den Bereich des Rheiniſchen Handelsrechts beſchränkt und in das Einführungsgeſetz verwieſen worden. y) Dieſelbe iſt dem Franzöſiſchen Geſetze vom 28. Mai 1838. entlehnt, und entſpricht den beſonderen Verhältniſſen des Rheiniſchen Konkursverfahrens, nach welchem der Zutritt zu dem Konkordat mit dem Fallit gewordenen Schuldner kein freiwilliger iſt, und daher Vorſorge getroffen werden muß, daß nicht
v)Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu Art. XII.
w)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
x)Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer a. a. O.
y) S. oben S. 496. 497.
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Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt I.
Stelle der Rheiniſchen Strafprozeßordnung bedurfte es nach den in
Art. II. aufgeſtellten Grundſätzen nicht.
Ein praktiſches Bedenken, welches mit Rückſicht auf die Verſäu-
mung der Privatſtrafanträge (§. 50.) in der Kommiſſion der erſten
Kammer angeregt wurde, erſchien bei näherer Erwägung von keiner
Erheblichkeit; v) dagegen wurde in der Kommiſſion der zweiten Kammer
die Frage aufgeworfen, ob die gleiche Verjährungsfriſt für die Civil-
klagen und die öffentlichen Klagen nicht auch für die übrigen Landes-
theile einzuführen ſei. Man ging jedoch auf dieſe Anſicht nicht ein,
weil ſich für eine ſolche Neuerung kein praktiſches Bedürfniß heraus-
geſtellt habe, und dieſes Einführungsgeſetz jedenfalls nicht der Ort ſei,
umfaſſendere Beſtimmungen über die Verjährung zu treffen. w)
B. Das Rheiniſche Handelsgeſetzbuch ſchreibt namentlich in Art.
69. 440. 466. den Handeltreibenden (commerçans) für den Fall des
Falliments gewiſſe formelle Verpflichtungen vor, deren Vernachläſſigung
mit der Strafe des einfachen oder betrügeriſchen Bankerutts bedroht iſt;
Code de com. Art. 69. 586-599. Nach dem im Strafgeſetzbuch
(§§. 259. 261.) befolgten Syſteme erſcheint aber in ſolchen Fällen nur
die Strafe des einfachen Bankerutts angemeſſen, und die Vorſchrift des
Art. XII. §. 2. hat den Zweck, unter Aufhebung der entgegenſtehenden
Beſtimmungen des Handelsgeſetzbuchs, dieſe Milderung der Strafe ein-
zuführen. Es iſt dabei zu bemerken, daß nur die Straf beſtimmungen
der angeführten Artikel, und nicht ihr weiterer civilrechtlicher Inhalt
aufgehoben iſt. Wenn aber an dieſer Stelle, wie in den früheren Ent-
würfen von „Handeltreibenden“ die Rede iſt, während das Strafgeſetz-
buch ſelbſt „Handelsleute“ nennt, ſo iſt das ein Redaktionsverſehen;
ein verſchiedener Sinn iſt mit dieſen Worten nicht verbunden worden. x)
C. Die Vorſchrift des Art. XII. §. 3. war in dem Entwurf des
Strafgeſetzbuchs von 1850. als §. 238. für die ganze Monarchie in
Vorſchlag gebracht, von der Kommiſſion der zweiten Kammer jedoch
auf den Bereich des Rheiniſchen Handelsrechts beſchränkt und in das
Einführungsgeſetz verwieſen worden. y) Dieſelbe iſt dem Franzöſiſchen
Geſetze vom 28. Mai 1838. entlehnt, und entſpricht den beſonderen
Verhältniſſen des Rheiniſchen Konkursverfahrens, nach welchem der
Zutritt zu dem Konkordat mit dem Fallit gewordenen Schuldner kein
freiwilliger iſt, und daher Vorſorge getroffen werden muß, daß nicht
v) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu Art. XII.
w) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer ebendaſ.
x) Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer a. a. O.
y) S. oben S. 496. 497.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/626>, abgerufen am 24.11.2024.
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