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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Das Einführungsgesetz. Abschnitt II.
provinz unter andern durch §. 189. der Gewerbeordnung vom 17. Ja-
nuar 1845. über die Erweiterung der damaligen Kompetenz der Polizei-
gerichte Bestimmung getroffen."

"Es ist von der Kommission im Einvernehmen mit dem Vertreter
der Staatsregierung anerkannt, daß durch die Bestimmungen des Straf-
gesetzbuchs in Betreff dieser besonderen Bestimmungen über die höhere
Kompetenz der Einzelrichter nichts hat geändert werden sollen, und ge-
meint, dies in dem Artikel XV. (XX.) besonders ausdrücken zu müssen,
um etwaigen Zweifeln zu begegnen."

Artikel XXI.

Konnexe strafbare Handlungen können zur gleichzeitigen Untersuchung und
Entscheidung vor das Gericht gebracht werden, welches kompetent ist, die
schwerste der für jene Handlungen angedrohten Strafen auszusprechen.

Vergehen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, können
jedoch nicht auf Grund der Konnexität vor ein anderes Gericht als den
Schwurgerichtshof gelangen.

Artikel XXII.

Konnexität ist insbesondere vorhanden:

1) wenn die nämliche Person verschiedener strafbarer Handlungen beschul-
digt wird,
2) wenn verschiedene Personen als Urheber, Theilnehmer oder Begünstiger
einer strafbaren Handlung oder als Hehler beschuldigt werden.
Artikel XXIII.

Ist gegen einen Beschuldigten wegen mehrerer strafbarer Handlungen eine
Voruntersuchung eingeleitet, und ist mit Rücksicht auf diejenigen derselben,
welche mit schwererer Strafe bedroht sind, zu erwarten, daß die Feststellung
der leichteren Straffälle für die Entscheidung nicht von wesentlicher Bedeutung
sein werde, so kann die Untersuchung wegen der letzteren einstweilen bis zur
rechtskräftigen Entscheidung über die schwereren Straffälle ruhen bleiben.

Die Wiederaufnahme der Untersuchung wird dem Ermessen der Staats-
anwaltschaft überlassen.



I. Die Artikel XXI. und XXII. verfügen über die prozessualische
Behandlung konnexer Straffälle, indem Art. XXI. Abs. 1. die Regel
aufstellt, und Art. XXII. dieselbe durch die Anführung einzelner beson-
ders wichtiger Beispiele erläutert. Eine Ausnahme war nur in Arti-
kel XXI. Abs. 2. in Betreff der in Art. XIX. vorgesehenen Verge-
hen zu machen.

II. Die Vorschrift des Art. XXIII. ist durch den in §. 56. aus-
gesprochenen Grundsatz über die Bestrafung eines Angeschuldigten im
Falle der realen Konkurrenz mehrerer Verbrechen oder Vergehen hervor-
gerufen worden. Indem nämlich festgesetzt ist, daß auf alle durch die

Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt II.
provinz unter andern durch §. 189. der Gewerbeordnung vom 17. Ja-
nuar 1845. über die Erweiterung der damaligen Kompetenz der Polizei-
gerichte Beſtimmung getroffen.“

„Es iſt von der Kommiſſion im Einvernehmen mit dem Vertreter
der Staatsregierung anerkannt, daß durch die Beſtimmungen des Straf-
geſetzbuchs in Betreff dieſer beſonderen Beſtimmungen über die höhere
Kompetenz der Einzelrichter nichts hat geändert werden ſollen, und ge-
meint, dies in dem Artikel XV. (XX.) beſonders ausdrücken zu müſſen,
um etwaigen Zweifeln zu begegnen.“

Artikel XXI.

Konnexe ſtrafbare Handlungen können zur gleichzeitigen Unterſuchung und
Entſcheidung vor das Gericht gebracht werden, welches kompetent iſt, die
ſchwerſte der für jene Handlungen angedrohten Strafen auszuſprechen.

Vergehen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, können
jedoch nicht auf Grund der Konnexität vor ein anderes Gericht als den
Schwurgerichtshof gelangen.

Artikel XXII.

Konnexität iſt insbeſondere vorhanden:

1) wenn die nämliche Perſon verſchiedener ſtrafbarer Handlungen beſchul-
digt wird,
2) wenn verſchiedene Perſonen als Urheber, Theilnehmer oder Begünſtiger
einer ſtrafbaren Handlung oder als Hehler beſchuldigt werden.
Artikel XXIII.

Iſt gegen einen Beſchuldigten wegen mehrerer ſtrafbarer Handlungen eine
Vorunterſuchung eingeleitet, und iſt mit Rückſicht auf diejenigen derſelben,
welche mit ſchwererer Strafe bedroht ſind, zu erwarten, daß die Feſtſtellung
der leichteren Straffälle für die Entſcheidung nicht von weſentlicher Bedeutung
ſein werde, ſo kann die Unterſuchung wegen der letzteren einſtweilen bis zur
rechtskräftigen Entſcheidung über die ſchwereren Straffälle ruhen bleiben.

Die Wiederaufnahme der Unterſuchung wird dem Ermeſſen der Staats-
anwaltſchaft überlaſſen.



I. Die Artikel XXI. und XXII. verfügen über die prozeſſualiſche
Behandlung konnexer Straffälle, indem Art. XXI. Abſ. 1. die Regel
aufſtellt, und Art. XXII. dieſelbe durch die Anführung einzelner beſon-
ders wichtiger Beiſpiele erläutert. Eine Ausnahme war nur in Arti-
kel XXI. Abſ. 2. in Betreff der in Art. XIX. vorgeſehenen Verge-
hen zu machen.

II. Die Vorſchrift des Art. XXIII. iſt durch den in §. 56. aus-
geſprochenen Grundſatz über die Beſtrafung eines Angeſchuldigten im
Falle der realen Konkurrenz mehrerer Verbrechen oder Vergehen hervor-
gerufen worden. Indem nämlich feſtgeſetzt iſt, daß auf alle durch die

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[624/0634] Das Einführungsgeſetz. Abſchnitt II. provinz unter andern durch §. 189. der Gewerbeordnung vom 17. Ja- nuar 1845. über die Erweiterung der damaligen Kompetenz der Polizei- gerichte Beſtimmung getroffen.“ „Es iſt von der Kommiſſion im Einvernehmen mit dem Vertreter der Staatsregierung anerkannt, daß durch die Beſtimmungen des Straf- geſetzbuchs in Betreff dieſer beſonderen Beſtimmungen über die höhere Kompetenz der Einzelrichter nichts hat geändert werden ſollen, und ge- meint, dies in dem Artikel XV. (XX.) beſonders ausdrücken zu müſſen, um etwaigen Zweifeln zu begegnen.“ Artikel XXI. Konnexe ſtrafbare Handlungen können zur gleichzeitigen Unterſuchung und Entſcheidung vor das Gericht gebracht werden, welches kompetent iſt, die ſchwerſte der für jene Handlungen angedrohten Strafen auszuſprechen. Vergehen, welche zur Kompetenz der Schwurgerichtshöfe gehören, können jedoch nicht auf Grund der Konnexität vor ein anderes Gericht als den Schwurgerichtshof gelangen. Artikel XXII. Konnexität iſt insbeſondere vorhanden: 1) wenn die nämliche Perſon verſchiedener ſtrafbarer Handlungen beſchul- digt wird, 2) wenn verſchiedene Perſonen als Urheber, Theilnehmer oder Begünſtiger einer ſtrafbaren Handlung oder als Hehler beſchuldigt werden. Artikel XXIII. Iſt gegen einen Beſchuldigten wegen mehrerer ſtrafbarer Handlungen eine Vorunterſuchung eingeleitet, und iſt mit Rückſicht auf diejenigen derſelben, welche mit ſchwererer Strafe bedroht ſind, zu erwarten, daß die Feſtſtellung der leichteren Straffälle für die Entſcheidung nicht von weſentlicher Bedeutung ſein werde, ſo kann die Unterſuchung wegen der letzteren einſtweilen bis zur rechtskräftigen Entſcheidung über die ſchwereren Straffälle ruhen bleiben. Die Wiederaufnahme der Unterſuchung wird dem Ermeſſen der Staats- anwaltſchaft überlaſſen. I. Die Artikel XXI. und XXII. verfügen über die prozeſſualiſche Behandlung konnexer Straffälle, indem Art. XXI. Abſ. 1. die Regel aufſtellt, und Art. XXII. dieſelbe durch die Anführung einzelner beſon- ders wichtiger Beiſpiele erläutert. Eine Ausnahme war nur in Arti- kel XXI. Abſ. 2. in Betreff der in Art. XIX. vorgeſehenen Verge- hen zu machen. II. Die Vorſchrift des Art. XXIII. iſt durch den in §. 56. aus- geſprochenen Grundſatz über die Beſtrafung eines Angeſchuldigten im Falle der realen Konkurrenz mehrerer Verbrechen oder Vergehen hervor- gerufen worden. Indem nämlich feſtgeſetzt iſt, daß auf alle durch die

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 624. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/634>, abgerufen am 24.11.2024.