pel zu Jerusalem, so auch hier, die Tische umstürzen und die Krämer auseinander treiben würde."
Schon aus dieser kurzen Darstellung ergiebt sich die un- mittelbar practische Bedeutung des Volksrechts für das ge- meine Landrecht, welche um so höher anzuschlagen ist, wenn man die so ganz ungünstigen Verhältnisse bedenkt, unter denen die volksthümliche Rechtsbildung in Deutschland zu leiden hatte. Noch bestimmter aber wird sich das Volksrecht in sei- nem ganzen Werthe zeigen, wenn dasselbe im Einzelnen an einem Institute nachgewiesen werden kann, welches fast nach allen Seiten hin seine Zweige ausdehnt, und für das ganze Volks- und Rechtsleben der Gegenwart von der allergrößten Wichtigkeit ist, -- einem Institute, welches so recht im deut- schen Nationalcharakter seine Wurzel hat, und eben deswegen von dem römischen Recht und den Romanisten auf alle Weise beengt, gehemmt und unterdrückt, doch stets bei den traurig- sten Zuständen des Vaterlandes sein Leben fristere, in neuester Zeit aber, da sich in der Nation der Anfang einer freieren Er- hebung zeigt, sofort seine volle Kraft wieder entwickelt, und auf die großartigste Weise in das öffentliche und Privatleben eingreift. Das ist die Association, oder wie ich es mit einem guten deutschen Worte nenne, die Genossenschaft, deren rechtliche Natur und Bedeutung hier in kurzen Zügen dem juristischen Bewußtseyn der Gegenwart näher gebracht werden soll, indem versucht wird, dem ih[m]einwohnenden Princip, wel- ches schon in den mannichfaltigsten Gestaltungen sich offenbart hat, auch den wissenschaftlichen Begriff abzugewinnen.
Das Volksrecht als gemeines Landrecht.
pel zu Jeruſalem, ſo auch hier, die Tiſche umſtuͤrzen und die Kraͤmer auseinander treiben wuͤrde.“
Schon aus dieſer kurzen Darſtellung ergiebt ſich die un- mittelbar practiſche Bedeutung des Volksrechts fuͤr das ge- meine Landrecht, welche um ſo hoͤher anzuſchlagen iſt, wenn man die ſo ganz unguͤnſtigen Verhaͤltniſſe bedenkt, unter denen die volksthuͤmliche Rechtsbildung in Deutſchland zu leiden hatte. Noch beſtimmter aber wird ſich das Volksrecht in ſei- nem ganzen Werthe zeigen, wenn daſſelbe im Einzelnen an einem Inſtitute nachgewieſen werden kann, welches faſt nach allen Seiten hin ſeine Zweige ausdehnt, und fuͤr das ganze Volks- und Rechtsleben der Gegenwart von der allergroͤßten Wichtigkeit iſt, — einem Inſtitute, welches ſo recht im deut- ſchen Nationalcharakter ſeine Wurzel hat, und eben deswegen von dem roͤmiſchen Recht und den Romaniſten auf alle Weiſe beengt, gehemmt und unterdruͤckt, doch ſtets bei den traurig- ſten Zuſtaͤnden des Vaterlandes ſein Leben friſtere, in neueſter Zeit aber, da ſich in der Nation der Anfang einer freieren Er- hebung zeigt, ſofort ſeine volle Kraft wieder entwickelt, und auf die großartigſte Weiſe in das oͤffentliche und Privatleben eingreift. Das iſt die Aſſociation, oder wie ich es mit einem guten deutſchen Worte nenne, die Genoſſenſchaft, deren rechtliche Natur und Bedeutung hier in kurzen Zuͤgen dem juriſtiſchen Bewußtſeyn der Gegenwart naͤher gebracht werden ſoll, indem verſucht wird, dem ih[m]einwohnenden Princip, wel- ches ſchon in den mannichfaltigſten Geſtaltungen ſich offenbart hat, auch den wiſſenſchaftlichen Begriff abzugewinnen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><hirendition="#et"><pbfacs="#f0169"n="157"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Das Volksrecht als gemeines Landrecht</hi>.</fw><lb/>
pel zu Jeruſalem, ſo auch hier, die Tiſche umſtuͤrzen und<lb/>
die Kraͤmer auseinander treiben wuͤrde.“</hi></p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Schon aus dieſer kurzen Darſtellung ergiebt ſich die un-<lb/>
mittelbar practiſche Bedeutung des Volksrechts fuͤr das ge-<lb/>
meine Landrecht, welche um ſo hoͤher anzuſchlagen iſt, wenn<lb/>
man die ſo ganz unguͤnſtigen Verhaͤltniſſe bedenkt, unter denen<lb/>
die volksthuͤmliche Rechtsbildung in Deutſchland zu leiden<lb/>
hatte. Noch beſtimmter aber wird ſich das Volksrecht in ſei-<lb/>
nem ganzen Werthe zeigen, wenn daſſelbe im Einzelnen an<lb/>
einem Inſtitute nachgewieſen werden kann, welches faſt nach<lb/>
allen Seiten hin ſeine Zweige ausdehnt, und fuͤr das ganze<lb/>
Volks- und Rechtsleben der Gegenwart von der allergroͤßten<lb/>
Wichtigkeit iſt, — einem Inſtitute, welches ſo recht im deut-<lb/>ſchen Nationalcharakter ſeine Wurzel hat, und eben deswegen<lb/>
von dem roͤmiſchen Recht und den Romaniſten auf alle Weiſe<lb/>
beengt, gehemmt und unterdruͤckt, doch ſtets bei den traurig-<lb/>ſten Zuſtaͤnden des Vaterlandes ſein Leben friſtere, in neueſter<lb/>
Zeit aber, da ſich in der Nation der Anfang einer freieren Er-<lb/>
hebung zeigt, ſofort ſeine volle Kraft wieder entwickelt, und<lb/>
auf die großartigſte Weiſe in das oͤffentliche und Privatleben<lb/>
eingreift. Das iſt die Aſſociation, oder wie ich es mit einem<lb/>
guten deutſchen Worte nenne, die <hirendition="#g">Genoſſenſchaft</hi>, deren<lb/>
rechtliche Natur und Bedeutung hier in kurzen Zuͤgen dem<lb/>
juriſtiſchen Bewußtſeyn der Gegenwart naͤher gebracht werden<lb/>ſoll, indem verſucht wird, dem ih<supplied>m</supplied>einwohnenden Princip, wel-<lb/>
ches ſchon in den mannichfaltigſten Geſtaltungen ſich offenbart<lb/>
hat, auch den wiſſenſchaftlichen Begriff abzugewinnen.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[157/0169]
Das Volksrecht als gemeines Landrecht.
pel zu Jeruſalem, ſo auch hier, die Tiſche umſtuͤrzen und
die Kraͤmer auseinander treiben wuͤrde.“
Schon aus dieſer kurzen Darſtellung ergiebt ſich die un-
mittelbar practiſche Bedeutung des Volksrechts fuͤr das ge-
meine Landrecht, welche um ſo hoͤher anzuſchlagen iſt, wenn
man die ſo ganz unguͤnſtigen Verhaͤltniſſe bedenkt, unter denen
die volksthuͤmliche Rechtsbildung in Deutſchland zu leiden
hatte. Noch beſtimmter aber wird ſich das Volksrecht in ſei-
nem ganzen Werthe zeigen, wenn daſſelbe im Einzelnen an
einem Inſtitute nachgewieſen werden kann, welches faſt nach
allen Seiten hin ſeine Zweige ausdehnt, und fuͤr das ganze
Volks- und Rechtsleben der Gegenwart von der allergroͤßten
Wichtigkeit iſt, — einem Inſtitute, welches ſo recht im deut-
ſchen Nationalcharakter ſeine Wurzel hat, und eben deswegen
von dem roͤmiſchen Recht und den Romaniſten auf alle Weiſe
beengt, gehemmt und unterdruͤckt, doch ſtets bei den traurig-
ſten Zuſtaͤnden des Vaterlandes ſein Leben friſtere, in neueſter
Zeit aber, da ſich in der Nation der Anfang einer freieren Er-
hebung zeigt, ſofort ſeine volle Kraft wieder entwickelt, und
auf die großartigſte Weiſe in das oͤffentliche und Privatleben
eingreift. Das iſt die Aſſociation, oder wie ich es mit einem
guten deutſchen Worte nenne, die Genoſſenſchaft, deren
rechtliche Natur und Bedeutung hier in kurzen Zuͤgen dem
juriſtiſchen Bewußtſeyn der Gegenwart naͤher gebracht werden
ſoll, indem verſucht wird, dem ihmeinwohnenden Princip, wel-
ches ſchon in den mannichfaltigſten Geſtaltungen ſich offenbart
hat, auch den wiſſenſchaftlichen Begriff abzugewinnen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/169>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.