Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Sechstes Kapitel. die ausschließliche Quelle des Rechts dachte, so ließ man dasGewohnheitsrecht nur durch die ausdrückliche oder stillschwei- gende Genehmigung des Staats entstehen, und nahm, um ein falsches Princip aufrecht zu erhalten, zu Fictionen seine Zuflucht. 2. Die Nothwendigkeit der Staatsgenehmigung wird Sechſtes Kapitel. die ausſchließliche Quelle des Rechts dachte, ſo ließ man dasGewohnheitsrecht nur durch die ausdruͤckliche oder ſtillſchwei- gende Genehmigung des Staats entſtehen, und nahm, um ein falſches Princip aufrecht zu erhalten, zu Fictionen ſeine Zuflucht. 2. Die Nothwendigkeit der Staatsgenehmigung wird <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0186" n="174"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechſtes Kapitel</hi>.</fw><lb/> die ausſchließliche Quelle des Rechts dachte, ſo ließ man das<lb/> Gewohnheitsrecht nur durch die ausdruͤckliche oder ſtillſchwei-<lb/> gende Genehmigung des Staats entſtehen, und nahm, um ein<lb/> falſches Princip aufrecht zu erhalten, zu Fictionen ſeine Zuflucht.</p><lb/> <p>2. Die Nothwendigkeit der Staatsgenehmigung wird<lb/> auch auf das roͤmiſche Recht zuruͤckgefuͤhrt. Allein dieſes,<lb/> ohne Ahnung von dem germaniſchen Aſſociationsgeiſte und<lb/> den dadurch hervorgerufenen Inſtituten, verlangt nur aus po-<lb/> lizeilichen Gruͤnden, welche mit der Verfaſſung der Monarchie<lb/> zuſammenhingen, eine Beſtaͤtigung der <hi rendition="#aq">collegia</hi> und <hi rendition="#aq">cor-<lb/> pora,</hi> die erſt in Folge ausdruͤcklicher Geſetze beliebt ward,<lb/> und das heutige Recht und namentlich die deutſchrechtliche<lb/> Genoſſenſchaft nicht beruͤhrt. Zwar koͤnnte man hiergegen<lb/> einwenden wollen, das Juriſtenrecht habe dieſe beſchraͤnkende<lb/> Vorſchrift in Deutſchland recipirt und generaliſirt; allein wenn<lb/> auch die Juriſten in dieſer Beziehung die gleichen Principien<lb/> verfochten haͤtten, was, wie gezeigt, nicht der Fall geweſen iſt,<lb/> ſo wuͤrde doch die Beobachtung des im Volke waltenden<lb/> Rechtslebens zeigen, daß ſie mit ihrer Anſicht nicht durchge-<lb/> drungen ſind. Denn es finden ſich in deutſchen Laͤndern, wo<lb/> das roͤmiſche Princip nicht ausdruͤcklich ſanctionirt worden iſt,<lb/> viele Genoſſenſchaften, die keine Staatsgenehmigung erhalten<lb/> haben, und welche doch auch der entſchiedenſte Romaniſt nicht,<lb/> ohne ſich laͤcherlich zu machen, ſelbſt in Beziehung auf das<lb/> Vermoͤgen, als bloße <hi rendition="#aq">communio</hi> behandeln duͤrfte. Man<lb/> denke ſich nur einen ſchon lange in anerkannter Wirkſamkeit<lb/> beſtehenden geſelligen Klubb, der nicht confirmirt worden, mit<lb/> einem bedeutenden Vermoͤgen, und laſſe ein austretendes<lb/> Mitglied oder die Erben eines verſtorbenen die Theilungsklage<lb/> anſtellen!</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [174/0186]
Sechſtes Kapitel.
die ausſchließliche Quelle des Rechts dachte, ſo ließ man das
Gewohnheitsrecht nur durch die ausdruͤckliche oder ſtillſchwei-
gende Genehmigung des Staats entſtehen, und nahm, um ein
falſches Princip aufrecht zu erhalten, zu Fictionen ſeine Zuflucht.
2. Die Nothwendigkeit der Staatsgenehmigung wird
auch auf das roͤmiſche Recht zuruͤckgefuͤhrt. Allein dieſes,
ohne Ahnung von dem germaniſchen Aſſociationsgeiſte und
den dadurch hervorgerufenen Inſtituten, verlangt nur aus po-
lizeilichen Gruͤnden, welche mit der Verfaſſung der Monarchie
zuſammenhingen, eine Beſtaͤtigung der collegia und cor-
pora, die erſt in Folge ausdruͤcklicher Geſetze beliebt ward,
und das heutige Recht und namentlich die deutſchrechtliche
Genoſſenſchaft nicht beruͤhrt. Zwar koͤnnte man hiergegen
einwenden wollen, das Juriſtenrecht habe dieſe beſchraͤnkende
Vorſchrift in Deutſchland recipirt und generaliſirt; allein wenn
auch die Juriſten in dieſer Beziehung die gleichen Principien
verfochten haͤtten, was, wie gezeigt, nicht der Fall geweſen iſt,
ſo wuͤrde doch die Beobachtung des im Volke waltenden
Rechtslebens zeigen, daß ſie mit ihrer Anſicht nicht durchge-
drungen ſind. Denn es finden ſich in deutſchen Laͤndern, wo
das roͤmiſche Princip nicht ausdruͤcklich ſanctionirt worden iſt,
viele Genoſſenſchaften, die keine Staatsgenehmigung erhalten
haben, und welche doch auch der entſchiedenſte Romaniſt nicht,
ohne ſich laͤcherlich zu machen, ſelbſt in Beziehung auf das
Vermoͤgen, als bloße communio behandeln duͤrfte. Man
denke ſich nur einen ſchon lange in anerkannter Wirkſamkeit
beſtehenden geſelligen Klubb, der nicht confirmirt worden, mit
einem bedeutenden Vermoͤgen, und laſſe ein austretendes
Mitglied oder die Erben eines verſtorbenen die Theilungsklage
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