satz einer nationalen Politik und einer gesunden Jurisprudenz festgehalten werden, daß nur da, wo das höhere Interesse der Gesammtheit es zum allgemeinen Besten dringend erheischt, der Staat sich mit den Angelegenheiten der Einzelnen befasse, und sie in ihrer freien Bewegung durch Genehmigung und Ober- aufsicht beschränke. Daraus lassen sich folgende Regeln ableiten.
a. Der Staat hat vermöge seines Oberaufsichtsrechts (der hohen Staatspolizei) die Aufgabe, die genossenschaftlichen Verbindungen im Allgemeinen zu überwachen, die Entartung des Associationsgeistes zu verhindern, und wenn sich derselbe in verderblichen und gefährlichen Erscheinungen offenbart, mit Verboten und Strafgesetzen dagegen einzuschreiten. Aber es steht schon schlimm, wenn eine solche Handlungsweise von Sei- ten der Staatsgewalt nothwendig wird; noch schlimmer ist es, wenn sie aus übertriebener Aengstlichkeit zu leicht zur po- lizeilichen Prävention greift, und dem gesunden Sinn des Vol- kes und der Macht der Oeffentlichkeit zu wenig vertraut. Denn vor Allem ist dahin zu streben, den guten Kräften die rechte Bahn anzuweisen und sie darauf zu erhalten, nicht aber sie aus Furcht vor Mißbrauch zu schwächen oder zu tödten. Ge- rade der Associationsgeist der Deutschen, im Geiste einer frei- sinnigen und nationalen Politik geleitet, kann zur Kräftigung und Concentrirung der Nation sehr wesentlich beitragen, da er sich in seiner Wirksamkeit nicht auf einzelne Staatsgebiete beschränkt. Daß aber Vereine mit einer verbrecherischen Ten- denz nie eine juristische Existenz erhalten dürfen, versteht sich von selbst, so wenig die Staatsgenehmigung solchen Genossen- schaften, welche unter dem Schein der Gesetzlichkeit ein verbo- tenes Ziel verfolgen, zu Statten kommen darf.
b. Alle Genossenschaften, welche eine unmittelbare poli-
Beseler, Volksrecht. 12
Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
ſatz einer nationalen Politik und einer geſunden Jurisprudenz feſtgehalten werden, daß nur da, wo das hoͤhere Intereſſe der Geſammtheit es zum allgemeinen Beſten dringend erheiſcht, der Staat ſich mit den Angelegenheiten der Einzelnen befaſſe, und ſie in ihrer freien Bewegung durch Genehmigung und Ober- aufſicht beſchraͤnke. Daraus laſſen ſich folgende Regeln ableiten.
a. Der Staat hat vermoͤge ſeines Oberaufſichtsrechts (der hohen Staatspolizei) die Aufgabe, die genoſſenſchaftlichen Verbindungen im Allgemeinen zu uͤberwachen, die Entartung des Aſſociationsgeiſtes zu verhindern, und wenn ſich derſelbe in verderblichen und gefaͤhrlichen Erſcheinungen offenbart, mit Verboten und Strafgeſetzen dagegen einzuſchreiten. Aber es ſteht ſchon ſchlimm, wenn eine ſolche Handlungsweiſe von Sei- ten der Staatsgewalt nothwendig wird; noch ſchlimmer iſt es, wenn ſie aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit zu leicht zur po- lizeilichen Praͤvention greift, und dem geſunden Sinn des Vol- kes und der Macht der Oeffentlichkeit zu wenig vertraut. Denn vor Allem iſt dahin zu ſtreben, den guten Kraͤften die rechte Bahn anzuweiſen und ſie darauf zu erhalten, nicht aber ſie aus Furcht vor Mißbrauch zu ſchwaͤchen oder zu toͤdten. Ge- rade der Aſſociationsgeiſt der Deutſchen, im Geiſte einer frei- ſinnigen und nationalen Politik geleitet, kann zur Kraͤftigung und Concentrirung der Nation ſehr weſentlich beitragen, da er ſich in ſeiner Wirkſamkeit nicht auf einzelne Staatsgebiete beſchraͤnkt. Daß aber Vereine mit einer verbrecheriſchen Ten- denz nie eine juriſtiſche Exiſtenz erhalten duͤrfen, verſteht ſich von ſelbſt, ſo wenig die Staatsgenehmigung ſolchen Genoſſen- ſchaften, welche unter dem Schein der Geſetzlichkeit ein verbo- tenes Ziel verfolgen, zu Statten kommen darf.
b. Alle Genoſſenſchaften, welche eine unmittelbare poli-
Beſeler, Volksrecht. 12
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Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
ſatz einer nationalen Politik und einer geſunden Jurisprudenz
feſtgehalten werden, daß nur da, wo das hoͤhere Intereſſe der
Geſammtheit es zum allgemeinen Beſten dringend erheiſcht,
der Staat ſich mit den Angelegenheiten der Einzelnen befaſſe,
und ſie in ihrer freien Bewegung durch Genehmigung und Ober-
aufſicht beſchraͤnke. Daraus laſſen ſich folgende Regeln ableiten.
a. Der Staat hat vermoͤge ſeines Oberaufſichtsrechts
(der hohen Staatspolizei) die Aufgabe, die genoſſenſchaftlichen
Verbindungen im Allgemeinen zu uͤberwachen, die Entartung
des Aſſociationsgeiſtes zu verhindern, und wenn ſich derſelbe
in verderblichen und gefaͤhrlichen Erſcheinungen offenbart, mit
Verboten und Strafgeſetzen dagegen einzuſchreiten. Aber es
ſteht ſchon ſchlimm, wenn eine ſolche Handlungsweiſe von Sei-
ten der Staatsgewalt nothwendig wird; noch ſchlimmer iſt
es, wenn ſie aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit zu leicht zur po-
lizeilichen Praͤvention greift, und dem geſunden Sinn des Vol-
kes und der Macht der Oeffentlichkeit zu wenig vertraut. Denn
vor Allem iſt dahin zu ſtreben, den guten Kraͤften die rechte
Bahn anzuweiſen und ſie darauf zu erhalten, nicht aber ſie
aus Furcht vor Mißbrauch zu ſchwaͤchen oder zu toͤdten. Ge-
rade der Aſſociationsgeiſt der Deutſchen, im Geiſte einer frei-
ſinnigen und nationalen Politik geleitet, kann zur Kraͤftigung
und Concentrirung der Nation ſehr weſentlich beitragen, da
er ſich in ſeiner Wirkſamkeit nicht auf einzelne Staatsgebiete
beſchraͤnkt. Daß aber Vereine mit einer verbrecheriſchen Ten-
denz nie eine juriſtiſche Exiſtenz erhalten duͤrfen, verſteht ſich
von ſelbſt, ſo wenig die Staatsgenehmigung ſolchen Genoſſen-
ſchaften, welche unter dem Schein der Geſetzlichkeit ein verbo-
tenes Ziel verfolgen, zu Statten kommen darf.
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/189>, abgerufen am 16.02.2025.
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