Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft.
Umfangs als auch ihrer rechtlichen Natur wieder in verschie-
denartigen Erscheinungen vorkommt, da das leitende Princip
nicht immer streng durchgeführt worden ist. Die sogenannte
äußere oder formelle Gütergemeinschaft dagegen entspricht im
Wesentlichen noch dem älteren Rechte, und weicht von demsel-
ben meistens nur durch die Erweiterung der ehelichen Erbge-
bühr ab. -- Dieß besondere Vermögensverhältniß wird aber
in beiden Fällen bestimmt und überhaupt möglich gemacht
durch das Wesen der deutschen Ehe selbst, also, wenn man
will, durch die Verfassung der Genossenschaft: denn nur durch
die bestimmte Stellung, welche der Ehemann vermöge seiner
Voigtei, die Frau als Vorsteherin der Haushaltung einnehmen,
können die, an sich einander schroff begrenzenden Eigenthums-
rechte in die gehörige Ausgleichung gebracht werden. Doch
macht das moderne Rechtsleben auch hier seine besonderen An-
sprüche geltend: die überwiegende Bedeutung des Grundbesitzes
hat sich allmälig verloren, und so entspricht es dem Wesen der
Sache nicht mehr, daß der Mann unbedingt über die Fahrniß,
mit Einschluß der Capitalien, welche früher in den unbeweglichen
Renten enthalten waren, soll schalten können. In dieser Bezie-
hung ist im Interesse der Frau eine Beschränkung zu machen,
welche sich auch aus dem heutigen Volksrecht deduciren läßt,
wie denn ja auch in älterer Zeit die Verfügung des Mannes
über alle beweglichen Sachen in den besonderen Verhältnissen
ihre Grenze gehabt haben muß, und z. B. gewiß nicht unbe-
dingt und unmittelbar über die Gerade, über Kleider, Kleino-
dien u. s. w. sich erstreckt hat, wenn auch eine eventuelle Ver-
haftung des ganzen Frauenguts für die Schulden des Man-
nes bestand. -- Allein noch ein Einwand läßt sich gegen die
oben gegebene Darstellung der ehelichen Gütergemeinschaft er-

Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
Umfangs als auch ihrer rechtlichen Natur wieder in verſchie-
denartigen Erſcheinungen vorkommt, da das leitende Princip
nicht immer ſtreng durchgefuͤhrt worden iſt. Die ſogenannte
aͤußere oder formelle Guͤtergemeinſchaft dagegen entſpricht im
Weſentlichen noch dem aͤlteren Rechte, und weicht von demſel-
ben meiſtens nur durch die Erweiterung der ehelichen Erbge-
buͤhr ab. — Dieß beſondere Vermoͤgensverhaͤltniß wird aber
in beiden Faͤllen beſtimmt und uͤberhaupt moͤglich gemacht
durch das Weſen der deutſchen Ehe ſelbſt, alſo, wenn man
will, durch die Verfaſſung der Genoſſenſchaft: denn nur durch
die beſtimmte Stellung, welche der Ehemann vermoͤge ſeiner
Voigtei, die Frau als Vorſteherin der Haushaltung einnehmen,
koͤnnen die, an ſich einander ſchroff begrenzenden Eigenthums-
rechte in die gehoͤrige Ausgleichung gebracht werden. Doch
macht das moderne Rechtsleben auch hier ſeine beſonderen An-
ſpruͤche geltend: die uͤberwiegende Bedeutung des Grundbeſitzes
hat ſich allmaͤlig verloren, und ſo entſpricht es dem Weſen der
Sache nicht mehr, daß der Mann unbedingt uͤber die Fahrniß,
mit Einſchluß der Capitalien, welche fruͤher in den unbeweglichen
Renten enthalten waren, ſoll ſchalten koͤnnen. In dieſer Bezie-
hung iſt im Intereſſe der Frau eine Beſchraͤnkung zu machen,
welche ſich auch aus dem heutigen Volksrecht deduciren laͤßt,
wie denn ja auch in aͤlterer Zeit die Verfuͤgung des Mannes
uͤber alle beweglichen Sachen in den beſonderen Verhaͤltniſſen
ihre Grenze gehabt haben muß, und z. B. gewiß nicht unbe-
dingt und unmittelbar uͤber die Gerade, uͤber Kleider, Kleino-
dien u. ſ. w. ſich erſtreckt hat, wenn auch eine eventuelle Ver-
haftung des ganzen Frauenguts fuͤr die Schulden des Man-
nes beſtand. — Allein noch ein Einwand laͤßt ſich gegen die
oben gegebene Darſtellung der ehelichen Guͤtergemeinſchaft er-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0203" n="191"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fort&#x017F;etzung. &#x2014; Das Recht der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi>.</fw><lb/>
Umfangs als auch ihrer rechtlichen Natur wieder in ver&#x017F;chie-<lb/>
denartigen Er&#x017F;cheinungen vorkommt, da das leitende Princip<lb/>
nicht immer &#x017F;treng durchgefu&#x0364;hrt worden i&#x017F;t. Die &#x017F;ogenannte<lb/>
a&#x0364;ußere oder formelle Gu&#x0364;tergemein&#x017F;chaft dagegen ent&#x017F;pricht im<lb/>
We&#x017F;entlichen noch dem a&#x0364;lteren Rechte, und weicht von dem&#x017F;el-<lb/>
ben mei&#x017F;tens nur durch die Erweiterung der ehelichen Erbge-<lb/>
bu&#x0364;hr ab. &#x2014; Dieß be&#x017F;ondere Vermo&#x0364;gensverha&#x0364;ltniß wird aber<lb/>
in beiden Fa&#x0364;llen be&#x017F;timmt und u&#x0364;berhaupt mo&#x0364;glich gemacht<lb/>
durch das We&#x017F;en der deut&#x017F;chen Ehe &#x017F;elb&#x017F;t, al&#x017F;o, wenn man<lb/>
will, durch die Verfa&#x017F;&#x017F;ung der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft: denn nur durch<lb/>
die be&#x017F;timmte Stellung, welche der Ehemann vermo&#x0364;ge &#x017F;einer<lb/>
Voigtei, die Frau als Vor&#x017F;teherin der Haushaltung einnehmen,<lb/>
ko&#x0364;nnen die, an &#x017F;ich einander &#x017F;chroff begrenzenden Eigenthums-<lb/>
rechte in die geho&#x0364;rige Ausgleichung gebracht werden. Doch<lb/>
macht das moderne Rechtsleben auch hier &#x017F;eine be&#x017F;onderen An-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;che geltend: die u&#x0364;berwiegende Bedeutung des Grundbe&#x017F;itzes<lb/>
hat &#x017F;ich allma&#x0364;lig verloren, und &#x017F;o ent&#x017F;pricht es dem We&#x017F;en der<lb/>
Sache nicht mehr, daß der Mann unbedingt u&#x0364;ber die Fahrniß,<lb/>
mit Ein&#x017F;chluß der Capitalien, welche fru&#x0364;her in den unbeweglichen<lb/>
Renten enthalten waren, &#x017F;oll &#x017F;chalten ko&#x0364;nnen. In die&#x017F;er Bezie-<lb/>
hung i&#x017F;t im Intere&#x017F;&#x017F;e der Frau eine Be&#x017F;chra&#x0364;nkung zu machen,<lb/>
welche &#x017F;ich auch aus dem heutigen Volksrecht deduciren la&#x0364;ßt,<lb/>
wie denn ja auch in a&#x0364;lterer Zeit die Verfu&#x0364;gung des Mannes<lb/>
u&#x0364;ber alle beweglichen Sachen in den be&#x017F;onderen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ihre Grenze gehabt haben muß, und z. B. gewiß nicht unbe-<lb/>
dingt und unmittelbar u&#x0364;ber die Gerade, u&#x0364;ber Kleider, Kleino-<lb/>
dien u. &#x017F;. w. &#x017F;ich er&#x017F;treckt hat, wenn auch eine eventuelle Ver-<lb/>
haftung des ganzen Frauenguts fu&#x0364;r die Schulden des Man-<lb/>
nes be&#x017F;tand. &#x2014; Allein noch ein Einwand la&#x0364;ßt &#x017F;ich gegen die<lb/>
oben gegebene Dar&#x017F;tellung der ehelichen Gu&#x0364;tergemein&#x017F;chaft er-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0203] Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. Umfangs als auch ihrer rechtlichen Natur wieder in verſchie- denartigen Erſcheinungen vorkommt, da das leitende Princip nicht immer ſtreng durchgefuͤhrt worden iſt. Die ſogenannte aͤußere oder formelle Guͤtergemeinſchaft dagegen entſpricht im Weſentlichen noch dem aͤlteren Rechte, und weicht von demſel- ben meiſtens nur durch die Erweiterung der ehelichen Erbge- buͤhr ab. — Dieß beſondere Vermoͤgensverhaͤltniß wird aber in beiden Faͤllen beſtimmt und uͤberhaupt moͤglich gemacht durch das Weſen der deutſchen Ehe ſelbſt, alſo, wenn man will, durch die Verfaſſung der Genoſſenſchaft: denn nur durch die beſtimmte Stellung, welche der Ehemann vermoͤge ſeiner Voigtei, die Frau als Vorſteherin der Haushaltung einnehmen, koͤnnen die, an ſich einander ſchroff begrenzenden Eigenthums- rechte in die gehoͤrige Ausgleichung gebracht werden. Doch macht das moderne Rechtsleben auch hier ſeine beſonderen An- ſpruͤche geltend: die uͤberwiegende Bedeutung des Grundbeſitzes hat ſich allmaͤlig verloren, und ſo entſpricht es dem Weſen der Sache nicht mehr, daß der Mann unbedingt uͤber die Fahrniß, mit Einſchluß der Capitalien, welche fruͤher in den unbeweglichen Renten enthalten waren, ſoll ſchalten koͤnnen. In dieſer Bezie- hung iſt im Intereſſe der Frau eine Beſchraͤnkung zu machen, welche ſich auch aus dem heutigen Volksrecht deduciren laͤßt, wie denn ja auch in aͤlterer Zeit die Verfuͤgung des Mannes uͤber alle beweglichen Sachen in den beſonderen Verhaͤltniſſen ihre Grenze gehabt haben muß, und z. B. gewiß nicht unbe- dingt und unmittelbar uͤber die Gerade, uͤber Kleider, Kleino- dien u. ſ. w. ſich erſtreckt hat, wenn auch eine eventuelle Ver- haftung des ganzen Frauenguts fuͤr die Schulden des Man- nes beſtand. — Allein noch ein Einwand laͤßt ſich gegen die oben gegebene Darſtellung der ehelichen Guͤtergemeinſchaft er-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/203
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/203>, abgerufen am 22.11.2024.