Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Das Volksrecht als gemeines Ständerecht. sich die Ritterschaft, wenn auch mit manchen Abweichungen,in den einzelnen deutschen Ländern doch mit einer gewissen Gleichförmigkeit ausgebildet, und durch die überwiegende Be- deutung, welche sie in den landständischen Corporationen ge- wonnen, eine sichere Haltung erlangt, welche sich auch den ih- rem Interesse dienstbaren Instituten mittheilte; für eine gewisse Periode, die etwa vom Ende des 14. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts gerechnet werden kann, ist daher auch ein eige- ner Stand der Ritterschaft mit einem besonderen Rechte, wel- ches wenigstens den Charakter der bedingten Gemeinrechtlichkeit an sich trug, anzuerkennen. Allein in neuerer Zeit hat sich dieß Verhältniß wesentlich Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. ſich die Ritterſchaft, wenn auch mit manchen Abweichungen,in den einzelnen deutſchen Laͤndern doch mit einer gewiſſen Gleichfoͤrmigkeit ausgebildet, und durch die uͤberwiegende Be- deutung, welche ſie in den landſtaͤndiſchen Corporationen ge- wonnen, eine ſichere Haltung erlangt, welche ſich auch den ih- rem Intereſſe dienſtbaren Inſtituten mittheilte; fuͤr eine gewiſſe Periode, die etwa vom Ende des 14. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts gerechnet werden kann, iſt daher auch ein eige- ner Stand der Ritterſchaft mit einem beſonderen Rechte, wel- ches wenigſtens den Charakter der bedingten Gemeinrechtlichkeit an ſich trug, anzuerkennen. Allein in neuerer Zeit hat ſich dieß Verhaͤltniß weſentlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0215" n="203"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht</hi>.</fw><lb/> ſich die Ritterſchaft, wenn auch mit manchen Abweichungen,<lb/> in den einzelnen deutſchen Laͤndern doch mit einer gewiſſen<lb/> Gleichfoͤrmigkeit ausgebildet, und durch die uͤberwiegende Be-<lb/> deutung, welche ſie in den landſtaͤndiſchen Corporationen ge-<lb/> wonnen, eine ſichere Haltung erlangt, welche ſich auch den ih-<lb/> rem Intereſſe dienſtbaren Inſtituten mittheilte; fuͤr eine gewiſſe<lb/> Periode, die etwa vom Ende des 14. bis zum Anfang des 17.<lb/> Jahrhunderts gerechnet werden kann, iſt daher auch ein eige-<lb/> ner Stand der Ritterſchaft mit einem beſonderen Rechte, wel-<lb/> ches wenigſtens den Charakter der bedingten Gemeinrechtlichkeit<lb/> an ſich trug, anzuerkennen.</p><lb/> <p>Allein in neuerer Zeit hat ſich dieß Verhaͤltniß weſentlich<lb/> veraͤndert. Die Bedeutung der landſtaͤndiſchen Verfaſſung trat<lb/> immermehr vor der zur wahren Staatsgewalt heranwachſen-<lb/> den Landeshoheit zuruͤck, wodurch ſchon im Allgemeinen die<lb/> ſelbſtaͤndige Haltung der Ritterſchaft weſentlich bedroht ward.<lb/> Dazu kam, daß mit der Veraͤnderung des Militairweſens die<lb/> alten Roßdienſte außer Uebung kamen, was, in Verbindung<lb/> mit der neu begruͤndeten Staats- und Finanzwirthſchaft, dem<lb/> Lehenrecht ſein eigentliches Lebensprincip entzog, und es zu<lb/> einem beſonders modificirten Recht des Grundbeſitzes herunter-<lb/> druͤckte. Indem nun gleichzeitig in Folge großer oͤkonomiſcher<lb/> Verwirrungen und der uͤberwiegenden Macht des beweglichen<lb/> Vermoͤgens ein betraͤchtlicher Theil der Landguͤter in fremde<lb/> Haͤnde uͤberging, verlor ſich die ſelbſtaͤndige Bedeutung eines<lb/> beſonderen Ritterſtandes, und was in dieſer Hinſicht aus der<lb/> aͤlteren Verfaſſung noch beſtehen blieb, ward faſt allgemein in<lb/> der Form eigenthuͤmlicher Realrechte an den ritterſchaftlichen<lb/> Grundbeſitz gebunden. Das Recht des Ritterſtandes loͤſte ſich<lb/> in das Recht der Ritterguͤter auf, trat alſo aus dem Staͤnde-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [203/0215]
Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
ſich die Ritterſchaft, wenn auch mit manchen Abweichungen,
in den einzelnen deutſchen Laͤndern doch mit einer gewiſſen
Gleichfoͤrmigkeit ausgebildet, und durch die uͤberwiegende Be-
deutung, welche ſie in den landſtaͤndiſchen Corporationen ge-
wonnen, eine ſichere Haltung erlangt, welche ſich auch den ih-
rem Intereſſe dienſtbaren Inſtituten mittheilte; fuͤr eine gewiſſe
Periode, die etwa vom Ende des 14. bis zum Anfang des 17.
Jahrhunderts gerechnet werden kann, iſt daher auch ein eige-
ner Stand der Ritterſchaft mit einem beſonderen Rechte, wel-
ches wenigſtens den Charakter der bedingten Gemeinrechtlichkeit
an ſich trug, anzuerkennen.
Allein in neuerer Zeit hat ſich dieß Verhaͤltniß weſentlich
veraͤndert. Die Bedeutung der landſtaͤndiſchen Verfaſſung trat
immermehr vor der zur wahren Staatsgewalt heranwachſen-
den Landeshoheit zuruͤck, wodurch ſchon im Allgemeinen die
ſelbſtaͤndige Haltung der Ritterſchaft weſentlich bedroht ward.
Dazu kam, daß mit der Veraͤnderung des Militairweſens die
alten Roßdienſte außer Uebung kamen, was, in Verbindung
mit der neu begruͤndeten Staats- und Finanzwirthſchaft, dem
Lehenrecht ſein eigentliches Lebensprincip entzog, und es zu
einem beſonders modificirten Recht des Grundbeſitzes herunter-
druͤckte. Indem nun gleichzeitig in Folge großer oͤkonomiſcher
Verwirrungen und der uͤberwiegenden Macht des beweglichen
Vermoͤgens ein betraͤchtlicher Theil der Landguͤter in fremde
Haͤnde uͤberging, verlor ſich die ſelbſtaͤndige Bedeutung eines
beſonderen Ritterſtandes, und was in dieſer Hinſicht aus der
aͤlteren Verfaſſung noch beſtehen blieb, ward faſt allgemein in
der Form eigenthuͤmlicher Realrechte an den ritterſchaftlichen
Grundbeſitz gebunden. Das Recht des Ritterſtandes loͤſte ſich
in das Recht der Ritterguͤter auf, trat alſo aus dem Staͤnde-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |