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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Achtes Kapitel.
betrachtet man es namentlich in seiner Bedeutung als subsidiä-
res Recht, so stellt sich der schlimme Uebelstand heraus, daß
in Folge der eigenthümlichen Satzungen des particulären und
der davon unabhängigen Fortbildung des gemeinen Rechts
zwischen beidem keine innere organische Verbindung besteht.
Ist daher die Lehre der älteren Theorie, jedes Statut sey mög-
lichst nach dem römischen Recht zu interpretiren und zu ergän-
zen, gegenwärtig auch für beseitigt zu halten, so setzt es doch
oft eine schwierige rechtshistorische Untersuchung voraus, um
nur zu bestimmen, ob für ein Statut deutsches oder römisches
Recht, und ferner welches Princip des deutschen Rechts, aus
welcher Periode seiner Entwicklung die ergänzende Norm zu
liefern hat. Wie es bei einem solchen Stande der Sachen
mit der Rechtssicherheit und überhaupt mit der Rechtspflege
in Deutschland bestellt ist, läßt sich leicht denken; um diesen
Uebelständen aber gründlich abzuhelfen, bedarf es einer durch-
greifenden Reform, welche nicht bloß die einer zeitgemäßen,
nationalen Rechtsbildung entgegenstehenden Hindernisse ent-
fernt, sondern auch neue, dem Bedürfniß entsprechende Schö-
pfungen hervorruft.

Fragt man nun, welches denn die Mittel und Wege sind,
die dem deutschen Volke für ein solches Werk zu Gebote ste-
hen, so wird dazu ein vereinzeltes Unternehmen, eine beschränkte
Anwendung der vorhandenen Kräfte nicht ausreichen; es ist
ein allgemeiner nationaler Aufschwung, die auf das gemein-
same Ziel hin gerichtete Bewegung aller Factoren der Rechts-
bildung nöthig, um etwas Würdiges für die Dauer zu errei-
chen. Diese Factoren sind aber: das Volksleben, die Wissen-
senschaft und die Gesetzgebung; in ihrer vereinten Wirksamkeit
ist die Kraft vorhanden, welche eine Regeneration unseres Rechts-

Achtes Kapitel.
betrachtet man es namentlich in ſeiner Bedeutung als ſubſidiaͤ-
res Recht, ſo ſtellt ſich der ſchlimme Uebelſtand heraus, daß
in Folge der eigenthuͤmlichen Satzungen des particulaͤren und
der davon unabhaͤngigen Fortbildung des gemeinen Rechts
zwiſchen beidem keine innere organiſche Verbindung beſteht.
Iſt daher die Lehre der aͤlteren Theorie, jedes Statut ſey moͤg-
lichſt nach dem roͤmiſchen Recht zu interpretiren und zu ergaͤn-
zen, gegenwaͤrtig auch fuͤr beſeitigt zu halten, ſo ſetzt es doch
oft eine ſchwierige rechtshiſtoriſche Unterſuchung voraus, um
nur zu beſtimmen, ob fuͤr ein Statut deutſches oder roͤmiſches
Recht, und ferner welches Princip des deutſchen Rechts, aus
welcher Periode ſeiner Entwicklung die ergaͤnzende Norm zu
liefern hat. Wie es bei einem ſolchen Stande der Sachen
mit der Rechtsſicherheit und uͤberhaupt mit der Rechtspflege
in Deutſchland beſtellt iſt, laͤßt ſich leicht denken; um dieſen
Uebelſtaͤnden aber gruͤndlich abzuhelfen, bedarf es einer durch-
greifenden Reform, welche nicht bloß die einer zeitgemaͤßen,
nationalen Rechtsbildung entgegenſtehenden Hinderniſſe ent-
fernt, ſondern auch neue, dem Beduͤrfniß entſprechende Schoͤ-
pfungen hervorruft.

Fragt man nun, welches denn die Mittel und Wege ſind,
die dem deutſchen Volke fuͤr ein ſolches Werk zu Gebote ſte-
hen, ſo wird dazu ein vereinzeltes Unternehmen, eine beſchraͤnkte
Anwendung der vorhandenen Kraͤfte nicht ausreichen; es iſt
ein allgemeiner nationaler Aufſchwung, die auf das gemein-
ſame Ziel hin gerichtete Bewegung aller Factoren der Rechts-
bildung noͤthig, um etwas Wuͤrdiges fuͤr die Dauer zu errei-
chen. Dieſe Factoren ſind aber: das Volksleben, die Wiſſen-
ſenſchaft und die Geſetzgebung; in ihrer vereinten Wirkſamkeit
iſt die Kraft vorhanden, welche eine Regeneration unſeres Rechts-

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[234/0246] Achtes Kapitel. betrachtet man es namentlich in ſeiner Bedeutung als ſubſidiaͤ- res Recht, ſo ſtellt ſich der ſchlimme Uebelſtand heraus, daß in Folge der eigenthuͤmlichen Satzungen des particulaͤren und der davon unabhaͤngigen Fortbildung des gemeinen Rechts zwiſchen beidem keine innere organiſche Verbindung beſteht. Iſt daher die Lehre der aͤlteren Theorie, jedes Statut ſey moͤg- lichſt nach dem roͤmiſchen Recht zu interpretiren und zu ergaͤn- zen, gegenwaͤrtig auch fuͤr beſeitigt zu halten, ſo ſetzt es doch oft eine ſchwierige rechtshiſtoriſche Unterſuchung voraus, um nur zu beſtimmen, ob fuͤr ein Statut deutſches oder roͤmiſches Recht, und ferner welches Princip des deutſchen Rechts, aus welcher Periode ſeiner Entwicklung die ergaͤnzende Norm zu liefern hat. Wie es bei einem ſolchen Stande der Sachen mit der Rechtsſicherheit und uͤberhaupt mit der Rechtspflege in Deutſchland beſtellt iſt, laͤßt ſich leicht denken; um dieſen Uebelſtaͤnden aber gruͤndlich abzuhelfen, bedarf es einer durch- greifenden Reform, welche nicht bloß die einer zeitgemaͤßen, nationalen Rechtsbildung entgegenſtehenden Hinderniſſe ent- fernt, ſondern auch neue, dem Beduͤrfniß entſprechende Schoͤ- pfungen hervorruft. Fragt man nun, welches denn die Mittel und Wege ſind, die dem deutſchen Volke fuͤr ein ſolches Werk zu Gebote ſte- hen, ſo wird dazu ein vereinzeltes Unternehmen, eine beſchraͤnkte Anwendung der vorhandenen Kraͤfte nicht ausreichen; es iſt ein allgemeiner nationaler Aufſchwung, die auf das gemein- ſame Ziel hin gerichtete Bewegung aller Factoren der Rechts- bildung noͤthig, um etwas Wuͤrdiges fuͤr die Dauer zu errei- chen. Dieſe Factoren ſind aber: das Volksleben, die Wiſſen- ſenſchaft und die Geſetzgebung; in ihrer vereinten Wirkſamkeit iſt die Kraft vorhanden, welche eine Regeneration unſeres Rechts-

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/246>, abgerufen am 23.11.2024.