Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Das Volksrecht und die Gesetzgebung. dem angedeuteten Wege wirklich das große Ziel erreicht wer-den könnte: so ist doch schon von vorn herein mit Fug zu bezweifeln, daß es nur zu einer friedlichen Verständigung über das gemeinsame Unternehmen kommen wird. Bedenkt man alle Voraussetzungen, welche dazu nöthig sind, und alle Con- sequenzen, welche daran hängen, so scheinen, damit das Werk nur überhaupt in Angriff genommen werde, und noch mehr, damit es die Gewähr der Dauer erlange, große Veränderun- gen in der politischen Gestaltung Deutschlands nöthig zu seyn, deren Möglichkeit freilich nicht in Abrede zu stellen ist, auf die aber nicht mit Wahrscheinlichkeit gerechnet werden darf, und welche daher auch nicht als Basis eines sofort in der Gegen- wart zu beginnenden Unternehmens dienen können. Dazu taugt nur das, was den bestehenden Verhältnissen entspricht, und diese zeigen uns bei der in ihrer organischen Ausbildung so unvollkommenen Bundesverfassung keine concentrirte ein- heitliche Gewalt in Deutschland, welche zur Durchführung ei- ner gemeinsamen Gesetzgebung durchaus nöthig seyn würde, sondern eine Reihe neben einander stehender, zu Trutz und Schutz verbundener Souverainitäten, bei denen die Bereitwil- ligkeit, wesentliche Hoheitsrechte zu opfern, kaum anzunehmen seyn möchte, auch wenn die so verschieden berechtigten Land- stände, deren Beirath und Zustimmung doch einzuholen wäre, kein Hinderniß bereiten sollten. In früherer Zeit, als das alte Reich noch nicht ganz gebrochen war, hätte sich die Sache, wenigstens was das Aeußere der Verfassung betrifft, noch leichter gemacht; aber damals fehlte es der Form an dem rech- ten Geist und der nöthigen Kraft, und Herrmann Conring, der Vater der deutschen Rechtsgeschichte, schloß sein berühmtes Werk ebenso vergeblich mit einem Antrage auf die Abfassung Das Volksrecht und die Geſetzgebung. dem angedeuteten Wege wirklich das große Ziel erreicht wer-den koͤnnte: ſo iſt doch ſchon von vorn herein mit Fug zu bezweifeln, daß es nur zu einer friedlichen Verſtaͤndigung uͤber das gemeinſame Unternehmen kommen wird. Bedenkt man alle Vorausſetzungen, welche dazu noͤthig ſind, und alle Con- ſequenzen, welche daran haͤngen, ſo ſcheinen, damit das Werk nur uͤberhaupt in Angriff genommen werde, und noch mehr, damit es die Gewaͤhr der Dauer erlange, große Veraͤnderun- gen in der politiſchen Geſtaltung Deutſchlands noͤthig zu ſeyn, deren Moͤglichkeit freilich nicht in Abrede zu ſtellen iſt, auf die aber nicht mit Wahrſcheinlichkeit gerechnet werden darf, und welche daher auch nicht als Baſis eines ſofort in der Gegen- wart zu beginnenden Unternehmens dienen koͤnnen. Dazu taugt nur das, was den beſtehenden Verhaͤltniſſen entſpricht, und dieſe zeigen uns bei der in ihrer organiſchen Ausbildung ſo unvollkommenen Bundesverfaſſung keine concentrirte ein- heitliche Gewalt in Deutſchland, welche zur Durchfuͤhrung ei- ner gemeinſamen Geſetzgebung durchaus noͤthig ſeyn wuͤrde, ſondern eine Reihe neben einander ſtehender, zu Trutz und Schutz verbundener Souverainitaͤten, bei denen die Bereitwil- ligkeit, weſentliche Hoheitsrechte zu opfern, kaum anzunehmen ſeyn moͤchte, auch wenn die ſo verſchieden berechtigten Land- ſtaͤnde, deren Beirath und Zuſtimmung doch einzuholen waͤre, kein Hinderniß bereiten ſollten. In fruͤherer Zeit, als das alte Reich noch nicht ganz gebrochen war, haͤtte ſich die Sache, wenigſtens was das Aeußere der Verfaſſung betrifft, noch leichter gemacht; aber damals fehlte es der Form an dem rech- ten Geiſt und der noͤthigen Kraft, und Herrmann Conring, der Vater der deutſchen Rechtsgeſchichte, ſchloß ſein beruͤhmtes Werk ebenſo vergeblich mit einem Antrage auf die Abfaſſung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0249" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Volksrecht und die Geſetzgebung</hi>.</fw><lb/> dem angedeuteten Wege wirklich das große Ziel erreicht wer-<lb/> den koͤnnte: ſo iſt doch ſchon von vorn herein mit Fug zu<lb/> bezweifeln, daß es nur zu einer friedlichen Verſtaͤndigung uͤber<lb/> das gemeinſame Unternehmen kommen wird. 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Das Volksrecht und die Geſetzgebung.
dem angedeuteten Wege wirklich das große Ziel erreicht wer-
den koͤnnte: ſo iſt doch ſchon von vorn herein mit Fug zu
bezweifeln, daß es nur zu einer friedlichen Verſtaͤndigung uͤber
das gemeinſame Unternehmen kommen wird. Bedenkt man
alle Vorausſetzungen, welche dazu noͤthig ſind, und alle Con-
ſequenzen, welche daran haͤngen, ſo ſcheinen, damit das Werk
nur uͤberhaupt in Angriff genommen werde, und noch mehr,
damit es die Gewaͤhr der Dauer erlange, große Veraͤnderun-
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deren Moͤglichkeit freilich nicht in Abrede zu ſtellen iſt, auf die
aber nicht mit Wahrſcheinlichkeit gerechnet werden darf, und
welche daher auch nicht als Baſis eines ſofort in der Gegen-
wart zu beginnenden Unternehmens dienen koͤnnen. Dazu
taugt nur das, was den beſtehenden Verhaͤltniſſen entſpricht,
und dieſe zeigen uns bei der in ihrer organiſchen Ausbildung
ſo unvollkommenen Bundesverfaſſung keine concentrirte ein-
heitliche Gewalt in Deutſchland, welche zur Durchfuͤhrung ei-
ner gemeinſamen Geſetzgebung durchaus noͤthig ſeyn wuͤrde,
ſondern eine Reihe neben einander ſtehender, zu Trutz und
Schutz verbundener Souverainitaͤten, bei denen die Bereitwil-
ligkeit, weſentliche Hoheitsrechte zu opfern, kaum anzunehmen
ſeyn moͤchte, auch wenn die ſo verſchieden berechtigten Land-
ſtaͤnde, deren Beirath und Zuſtimmung doch einzuholen waͤre,
kein Hinderniß bereiten ſollten. In fruͤherer Zeit, als das
alte Reich noch nicht ganz gebrochen war, haͤtte ſich die Sache,
wenigſtens was das Aeußere der Verfaſſung betrifft, noch
leichter gemacht; aber damals fehlte es der Form an dem rech-
ten Geiſt und der noͤthigen Kraft, und Herrmann Conring,
der Vater der deutſchen Rechtsgeſchichte, ſchloß ſein beruͤhmtes
Werk ebenſo vergeblich mit einem Antrage auf die Abfaſſung
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