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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Achtes Kapitel.
schaffenheit des Rechtes selbst kein Grund gegen ein solches
Unternehmen herzunehmen ist.

3. Nach diesem Allen steht es also fest, daß nur in den
einzelnen deutschen Staaten gegenwärtig eine freie Bewegung
der Gesetzgebung möglich ist; und in diesem engeren Kreise ist
denn auch eine große Thätigkeit derselben wahrzunehmen. Da-
bei kann nun aber eine doppelte Richtung eingeschlagen wer-
den. Entweder begnügt man sich damit, einzelne Rechtstheile
und Institute, für welche eine legislative Normirung besonders
dringend erscheint, particularrechtlich fest zu stellen, oder man
strebt, nach dem Vorgange von Oesterreich und Preußen, eine
vollständige Codification an, indem man darauf ausgeht, das
ganze gemeinrechtliche Material zugleich mit dem Particular-
recht zu verarbeiten, und dadurch für den einzelnen Staat eine
selbständige Rechtsbildung zu begründen. Gegen ein solches
Unternehmen ist nun freilich vom nationalen Standpuncte aus
manches gegründete Bedenken zu erheben; denn wohin soll es
mit unserer, im gemeinen Recht vertretenen Rechtseinheit kom-
men, wenn ein Staat nach dem andern sich davon ablöst, und
unbekümmert um die andern, sein Wesen für sich bestellt! Auf
der andern Seite kann aber nicht in Abrede gestellt werden,
daß der unsichere und schwankende Zustand des gemeinen Rechts
in Verbindung mit der mangelhaften Beschaffenheit der Par-
ticularrechte nicht wohl zu ertragen ist, und daß es sich als
die unabweisbare Aufgabe einer gewissenhaften Staatsregierung
darstellt, das gemeine Beste auch in dieser Beziehung, so weit
es an ihr liegt, durch eine zeitgemäße Gesetzgebung zu fördern.
Dabei könnte man freilich, wie es in früherer Zeit zu geschehen
pflegte, den Weg einschlagen, daß man das gemeine Recht in
seiner allgemeinen Geltung fortbestehen ließe, und es nur durch

Achtes Kapitel.
ſchaffenheit des Rechtes ſelbſt kein Grund gegen ein ſolches
Unternehmen herzunehmen iſt.

3. Nach dieſem Allen ſteht es alſo feſt, daß nur in den
einzelnen deutſchen Staaten gegenwaͤrtig eine freie Bewegung
der Geſetzgebung moͤglich iſt; und in dieſem engeren Kreiſe iſt
denn auch eine große Thaͤtigkeit derſelben wahrzunehmen. Da-
bei kann nun aber eine doppelte Richtung eingeſchlagen wer-
den. Entweder begnuͤgt man ſich damit, einzelne Rechtstheile
und Inſtitute, fuͤr welche eine legislative Normirung beſonders
dringend erſcheint, particularrechtlich feſt zu ſtellen, oder man
ſtrebt, nach dem Vorgange von Oeſterreich und Preußen, eine
vollſtaͤndige Codification an, indem man darauf ausgeht, das
ganze gemeinrechtliche Material zugleich mit dem Particular-
recht zu verarbeiten, und dadurch fuͤr den einzelnen Staat eine
ſelbſtaͤndige Rechtsbildung zu begruͤnden. Gegen ein ſolches
Unternehmen iſt nun freilich vom nationalen Standpuncte aus
manches gegruͤndete Bedenken zu erheben; denn wohin ſoll es
mit unſerer, im gemeinen Recht vertretenen Rechtseinheit kom-
men, wenn ein Staat nach dem andern ſich davon abloͤſt, und
unbekuͤmmert um die andern, ſein Weſen fuͤr ſich beſtellt! Auf
der andern Seite kann aber nicht in Abrede geſtellt werden,
daß der unſichere und ſchwankende Zuſtand des gemeinen Rechts
in Verbindung mit der mangelhaften Beſchaffenheit der Par-
ticularrechte nicht wohl zu ertragen iſt, und daß es ſich als
die unabweisbare Aufgabe einer gewiſſenhaften Staatsregierung
darſtellt, das gemeine Beſte auch in dieſer Beziehung, ſo weit
es an ihr liegt, durch eine zeitgemaͤße Geſetzgebung zu foͤrdern.
Dabei koͤnnte man freilich, wie es in fruͤherer Zeit zu geſchehen
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[242/0254] Achtes Kapitel. ſchaffenheit des Rechtes ſelbſt kein Grund gegen ein ſolches Unternehmen herzunehmen iſt. 3. Nach dieſem Allen ſteht es alſo feſt, daß nur in den einzelnen deutſchen Staaten gegenwaͤrtig eine freie Bewegung der Geſetzgebung moͤglich iſt; und in dieſem engeren Kreiſe iſt denn auch eine große Thaͤtigkeit derſelben wahrzunehmen. Da- bei kann nun aber eine doppelte Richtung eingeſchlagen wer- den. Entweder begnuͤgt man ſich damit, einzelne Rechtstheile und Inſtitute, fuͤr welche eine legislative Normirung beſonders dringend erſcheint, particularrechtlich feſt zu ſtellen, oder man ſtrebt, nach dem Vorgange von Oeſterreich und Preußen, eine vollſtaͤndige Codification an, indem man darauf ausgeht, das ganze gemeinrechtliche Material zugleich mit dem Particular- recht zu verarbeiten, und dadurch fuͤr den einzelnen Staat eine ſelbſtaͤndige Rechtsbildung zu begruͤnden. Gegen ein ſolches Unternehmen iſt nun freilich vom nationalen Standpuncte aus manches gegruͤndete Bedenken zu erheben; denn wohin ſoll es mit unſerer, im gemeinen Recht vertretenen Rechtseinheit kom- men, wenn ein Staat nach dem andern ſich davon abloͤſt, und unbekuͤmmert um die andern, ſein Weſen fuͤr ſich beſtellt! Auf der andern Seite kann aber nicht in Abrede geſtellt werden, daß der unſichere und ſchwankende Zuſtand des gemeinen Rechts in Verbindung mit der mangelhaften Beſchaffenheit der Par- ticularrechte nicht wohl zu ertragen iſt, und daß es ſich als die unabweisbare Aufgabe einer gewiſſenhaften Staatsregierung darſtellt, das gemeine Beſte auch in dieſer Beziehung, ſo weit es an ihr liegt, durch eine zeitgemaͤße Geſetzgebung zu foͤrdern. Dabei koͤnnte man freilich, wie es in fruͤherer Zeit zu geſchehen pflegte, den Weg einſchlagen, daß man das gemeine Recht in ſeiner allgemeinen Geltung fortbeſtehen ließe, und es nur durch

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/254>, abgerufen am 22.11.2024.