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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Neuntes Kapitel.
Denn wenn auch eine Einrichtung deswegen, weil sie fremden
Ursprungs, noch nicht verwerflich ist, vielmehr, wenn entschei-
dende Gründe für ihre Annahme sprechen, diese durchaus ge-
rechtfertigt, ja nothwendig erscheint; so wird man doch zu ei-
ner solchen Nachahmung nicht greifen wollen, wenn sich durch
die organische Fortbildung einheimischer Institute dasselbe oder
noch mehr erreichen läßt. Von Alters her sind aber in Deutsch-
land stehende Gerichte mit der ungetheilten Competenz auch
über das Factische hergebracht gewesen, und so lange sich un-
ser Rechtswesen eines gesunden Zustandes erfreute, hat diese
Verfassung den Beifall und das Vertrauen der Nation für
sich gehabt. Erst als man sich in Folge der Reaction gegen
die unerträglich gewordene Juristen- und Beamtenherrschaft
nach einer Abhülfe umsah, hat man nach dem Vorgange der
Franzosen und anderer Nationen eine Nachbildung der engli-
schen Schwurgerichte auch für Deutschland in Antrag gebracht.
Es ist nun auch außer Zweifel, daß große Vorzüge mit dieser
Einrichtung verbunden sind, und, was nicht hoch genug ange-
schlagen werden kann, sie hat die Probe der Erfahrung auch
in den Ländern, die sie aufgenommen haben, bestanden, eine
tüchtige Wirksamkeit bewährt und die Liebe der Völker ge-
wonnen. Aber es bleibt doch immer zu erwägen, wie viel zu
diesem Erfolge das mit dem Schwurgerichte verbundene ge-
richtliche Verfahren, namentlich die Oeffentlichkeit und Münd-
lichkeit der Verhandlungen und die Theilnahme des Volkes
an der Rechtspflege, welches beides aber auch der Schöffen-
verfassung zu vindiciren ist, beigetragen haben, und ob nicht
gerade der Gegensatz zu den deutschen Juristengerichten jenem
Institute einen so großen Glanz geben mußte. In der
Schweiz, wo man sich doch auch auf die Freiheit versteht,

Neuntes Kapitel.
Denn wenn auch eine Einrichtung deswegen, weil ſie fremden
Urſprungs, noch nicht verwerflich iſt, vielmehr, wenn entſchei-
dende Gruͤnde fuͤr ihre Annahme ſprechen, dieſe durchaus ge-
rechtfertigt, ja nothwendig erſcheint; ſo wird man doch zu ei-
ner ſolchen Nachahmung nicht greifen wollen, wenn ſich durch
die organiſche Fortbildung einheimiſcher Inſtitute daſſelbe oder
noch mehr erreichen laͤßt. Von Alters her ſind aber in Deutſch-
land ſtehende Gerichte mit der ungetheilten Competenz auch
uͤber das Factiſche hergebracht geweſen, und ſo lange ſich un-
ſer Rechtsweſen eines geſunden Zuſtandes erfreute, hat dieſe
Verfaſſung den Beifall und das Vertrauen der Nation fuͤr
ſich gehabt. Erſt als man ſich in Folge der Reaction gegen
die unertraͤglich gewordene Juriſten- und Beamtenherrſchaft
nach einer Abhuͤlfe umſah, hat man nach dem Vorgange der
Franzoſen und anderer Nationen eine Nachbildung der engli-
ſchen Schwurgerichte auch fuͤr Deutſchland in Antrag gebracht.
Es iſt nun auch außer Zweifel, daß große Vorzuͤge mit dieſer
Einrichtung verbunden ſind, und, was nicht hoch genug ange-
ſchlagen werden kann, ſie hat die Probe der Erfahrung auch
in den Laͤndern, die ſie aufgenommen haben, beſtanden, eine
tuͤchtige Wirkſamkeit bewaͤhrt und die Liebe der Voͤlker ge-
wonnen. Aber es bleibt doch immer zu erwaͤgen, wie viel zu
dieſem Erfolge das mit dem Schwurgerichte verbundene ge-
richtliche Verfahren, namentlich die Oeffentlichkeit und Muͤnd-
lichkeit der Verhandlungen und die Theilnahme des Volkes
an der Rechtspflege, welches beides aber auch der Schoͤffen-
verfaſſung zu vindiciren iſt, beigetragen haben, und ob nicht
gerade der Gegenſatz zu den deutſchen Juriſtengerichten jenem
Inſtitute einen ſo großen Glanz geben mußte. In der
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[270/0282] Neuntes Kapitel. Denn wenn auch eine Einrichtung deswegen, weil ſie fremden Urſprungs, noch nicht verwerflich iſt, vielmehr, wenn entſchei- dende Gruͤnde fuͤr ihre Annahme ſprechen, dieſe durchaus ge- rechtfertigt, ja nothwendig erſcheint; ſo wird man doch zu ei- ner ſolchen Nachahmung nicht greifen wollen, wenn ſich durch die organiſche Fortbildung einheimiſcher Inſtitute daſſelbe oder noch mehr erreichen laͤßt. Von Alters her ſind aber in Deutſch- land ſtehende Gerichte mit der ungetheilten Competenz auch uͤber das Factiſche hergebracht geweſen, und ſo lange ſich un- ſer Rechtsweſen eines geſunden Zuſtandes erfreute, hat dieſe Verfaſſung den Beifall und das Vertrauen der Nation fuͤr ſich gehabt. Erſt als man ſich in Folge der Reaction gegen die unertraͤglich gewordene Juriſten- und Beamtenherrſchaft nach einer Abhuͤlfe umſah, hat man nach dem Vorgange der Franzoſen und anderer Nationen eine Nachbildung der engli- ſchen Schwurgerichte auch fuͤr Deutſchland in Antrag gebracht. Es iſt nun auch außer Zweifel, daß große Vorzuͤge mit dieſer Einrichtung verbunden ſind, und, was nicht hoch genug ange- ſchlagen werden kann, ſie hat die Probe der Erfahrung auch in den Laͤndern, die ſie aufgenommen haben, beſtanden, eine tuͤchtige Wirkſamkeit bewaͤhrt und die Liebe der Voͤlker ge- wonnen. Aber es bleibt doch immer zu erwaͤgen, wie viel zu dieſem Erfolge das mit dem Schwurgerichte verbundene ge- richtliche Verfahren, namentlich die Oeffentlichkeit und Muͤnd- lichkeit der Verhandlungen und die Theilnahme des Volkes an der Rechtspflege, welches beides aber auch der Schoͤffen- verfaſſung zu vindiciren iſt, beigetragen haben, und ob nicht gerade der Gegenſatz zu den deutſchen Juriſtengerichten jenem Inſtitute einen ſo großen Glanz geben mußte. In der Schweiz, wo man ſich doch auch auf die Freiheit verſteht,

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/282>, abgerufen am 22.11.2024.