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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Zehntes Kapitel.
Geltung freilich auch angefochten wird, anzuerkennen geneigt
ist. Wenn nun, wie wohl anzunehmen, die Bestellung solcher
Mittelspersonen neben dem Testamentserben auch noch dem
gegenwärtigen Bedürfnisse entspricht, und nicht bloß bei der
Anordnung und Leitung dauernder Stiftungen, welche ihre
besondere Berücksichtigung verdienen, angemessen ist: so muß
der ganzen Lehre auch wieder ein mehr fruchtbares und ihrem
Wesen entsprechendes Princip, als das Mandatsverhältniß ge-
währen kann, gewonnen werden; aber dem heutigen Juristen-
recht ist es mit Sicherheit nicht zu entnehmen. Wäre jedoch
kein wahres Bedürfniß für das Institut mehr vorhanden, so
würde es gewiß eben seiner ungefügigen Gestalt wegen schon
aus dem Rechtsleben verschwunden seyn oder doch bald verschwin-
den; denn solche Einrichtungen, mit denen sich practisch nichts
Rechtes anfangen läßt, wird man, einer verschrobenen Theorie
zu Liebe, nicht lange aufrecht erhalten können. Ein entschiede-
ner Widerspruch gegen ihre innere Begründung pflegt dann
auch eine baldige Umänderung in der juristischen Ueberzeu-
gung zur Folge zu haben. So sind die sogenannten pacta
dotalia mixta oder in vim ultimac voluntatis concepta,

mit denen man sich früher als einem Bestandtheile des Juri-
stenrechts so viel zu schaffen machte, seitdem von J. H. Böh-
mer ihre Geltung bestritten worden, auch von der gemeinrecht-
lichen Theorie so gut wie ganz aufgegeben, und vielleicht steht
dem Erbvertrage in seiner Formlosigkeit und unbeschränkten
Geltung ein ähnliches Schicksal in nicht ferner Zeit bevor.

Mit solchen Uebergängen ist denn aber nothwendig eine
Periode des Schwankens und der Controverse verbunden, wenn
die Gesetzgebung nicht mit einer bestimmten Norm dazwischen
tritt; denn jede Rechtsentwicklung, welche nicht unmittelbar
von ihr ausgeht, hat eine gewisse Dauer nöthig, bevor sie sich

Zehntes Kapitel.
Geltung freilich auch angefochten wird, anzuerkennen geneigt
iſt. Wenn nun, wie wohl anzunehmen, die Beſtellung ſolcher
Mittelsperſonen neben dem Teſtamentserben auch noch dem
gegenwaͤrtigen Beduͤrfniſſe entſpricht, und nicht bloß bei der
Anordnung und Leitung dauernder Stiftungen, welche ihre
beſondere Beruͤckſichtigung verdienen, angemeſſen iſt: ſo muß
der ganzen Lehre auch wieder ein mehr fruchtbares und ihrem
Weſen entſprechendes Princip, als das Mandatsverhaͤltniß ge-
waͤhren kann, gewonnen werden; aber dem heutigen Juriſten-
recht iſt es mit Sicherheit nicht zu entnehmen. Waͤre jedoch
kein wahres Beduͤrfniß fuͤr das Inſtitut mehr vorhanden, ſo
wuͤrde es gewiß eben ſeiner ungefuͤgigen Geſtalt wegen ſchon
aus dem Rechtsleben verſchwunden ſeyn oder doch bald verſchwin-
den; denn ſolche Einrichtungen, mit denen ſich practiſch nichts
Rechtes anfangen laͤßt, wird man, einer verſchrobenen Theorie
zu Liebe, nicht lange aufrecht erhalten koͤnnen. Ein entſchiede-
ner Widerſpruch gegen ihre innere Begruͤndung pflegt dann
auch eine baldige Umaͤnderung in der juriſtiſchen Ueberzeu-
gung zur Folge zu haben. So ſind die ſogenannten pacta
dotalia mixta oder in vim ultimac voluntatis concepta,

mit denen man ſich fruͤher als einem Beſtandtheile des Juri-
ſtenrechts ſo viel zu ſchaffen machte, ſeitdem von J. H. Boͤh-
mer ihre Geltung beſtritten worden, auch von der gemeinrecht-
lichen Theorie ſo gut wie ganz aufgegeben, und vielleicht ſteht
dem Erbvertrage in ſeiner Formloſigkeit und unbeſchraͤnkten
Geltung ein aͤhnliches Schickſal in nicht ferner Zeit bevor.

Mit ſolchen Uebergaͤngen iſt denn aber nothwendig eine
Periode des Schwankens und der Controverſe verbunden, wenn
die Geſetzgebung nicht mit einer beſtimmten Norm dazwiſchen
tritt; denn jede Rechtsentwicklung, welche nicht unmittelbar
von ihr ausgeht, hat eine gewiſſe Dauer noͤthig, bevor ſie ſich

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[326/0338] Zehntes Kapitel. Geltung freilich auch angefochten wird, anzuerkennen geneigt iſt. Wenn nun, wie wohl anzunehmen, die Beſtellung ſolcher Mittelsperſonen neben dem Teſtamentserben auch noch dem gegenwaͤrtigen Beduͤrfniſſe entſpricht, und nicht bloß bei der Anordnung und Leitung dauernder Stiftungen, welche ihre beſondere Beruͤckſichtigung verdienen, angemeſſen iſt: ſo muß der ganzen Lehre auch wieder ein mehr fruchtbares und ihrem Weſen entſprechendes Princip, als das Mandatsverhaͤltniß ge- waͤhren kann, gewonnen werden; aber dem heutigen Juriſten- recht iſt es mit Sicherheit nicht zu entnehmen. Waͤre jedoch kein wahres Beduͤrfniß fuͤr das Inſtitut mehr vorhanden, ſo wuͤrde es gewiß eben ſeiner ungefuͤgigen Geſtalt wegen ſchon aus dem Rechtsleben verſchwunden ſeyn oder doch bald verſchwin- den; denn ſolche Einrichtungen, mit denen ſich practiſch nichts Rechtes anfangen laͤßt, wird man, einer verſchrobenen Theorie zu Liebe, nicht lange aufrecht erhalten koͤnnen. Ein entſchiede- ner Widerſpruch gegen ihre innere Begruͤndung pflegt dann auch eine baldige Umaͤnderung in der juriſtiſchen Ueberzeu- gung zur Folge zu haben. So ſind die ſogenannten pacta dotalia mixta oder in vim ultimac voluntatis concepta, mit denen man ſich fruͤher als einem Beſtandtheile des Juri- ſtenrechts ſo viel zu ſchaffen machte, ſeitdem von J. H. Boͤh- mer ihre Geltung beſtritten worden, auch von der gemeinrecht- lichen Theorie ſo gut wie ganz aufgegeben, und vielleicht ſteht dem Erbvertrage in ſeiner Formloſigkeit und unbeſchraͤnkten Geltung ein aͤhnliches Schickſal in nicht ferner Zeit bevor. Mit ſolchen Uebergaͤngen iſt denn aber nothwendig eine Periode des Schwankens und der Controverſe verbunden, wenn die Geſetzgebung nicht mit einer beſtimmten Norm dazwiſchen tritt; denn jede Rechtsentwicklung, welche nicht unmittelbar von ihr ausgeht, hat eine gewiſſe Dauer noͤthig, bevor ſie ſich

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/338>, abgerufen am 24.11.2024.