Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Eilftes Kapitel. stituten, welche ihnen ihre Begründung verdanken. Dahinkann z. B. die Einkindschaft gerechnet werden, die als ein gemeinrechtliches Geschäft und in der bestimmten, formel- len Ausbildung, welche sie nach und nach erlangt hat, als ein Juristenrecht sich herausstellt; desgleichen findet das Verhält- niß der unehelichen Kinder zu ihrem Vater in demselben seine gegenwärtige Normirung. Denn nur dem Einfluß der Ju- risten ist es zuzuschreiben, daß der Begriff, den das römische Recht mit den liberi naturales verbindet, die jetzt geltende Ausdehnung erhalten hat, wodurch namentlich die Lehre von der Legitimation neu und eigenthümlich gestaltet worden ist; auch das Intestaterbrecht der unehelichen Kinder, welches Mayer in Tübingen zum Gegenstande einer werthvollen dogmenge- schichtlichen Untersuchung gemacht hat, so wie die allgemeine Verbindlichkeit des Vaters zu ihrer Alimentation, woran jetzt wohl niemand mehr zweifelt, stehen damit in naher Verbin- dung. Freilich hat auf diese ganze Lehre schon das canonische Recht eingewirkt; aber es hat doch zunächst nur die Veran- lassung zu ihrer heutigen Gestaltung gegeben, während die eigentliche Begründung und positive Ausbildung derselben von den Juristen ausgegangen ist. -- Im Sachenrecht zeigt sich das Juristenrecht von einer geringen Bedeutung, wenn man auch solche Mißbildungen, wie die Umsetzung der Auf- lassung in die gerichtliche Confirmation, dahin rechnen muß; desto einflußreicher ist es aber im Obligationenrecht ge- worden. Schon der Umstand, daß das System der römischen Pönalklagen bei uns nicht recipirt worden, ist von erheblicher Wichtigkeit, wenn auch manches Andere, was außer dem Be- reiche der Juristen lag, mit darauf eingewirkt hat; aber ihnen allein ist der Fundamentalsatz der heutigen Vertragslehre zu- Eilftes Kapitel. ſtituten, welche ihnen ihre Begruͤndung verdanken. Dahinkann z. B. die Einkindſchaft gerechnet werden, die als ein gemeinrechtliches Geſchaͤft und in der beſtimmten, formel- len Ausbildung, welche ſie nach und nach erlangt hat, als ein Juriſtenrecht ſich herausſtellt; desgleichen findet das Verhaͤlt- niß der unehelichen Kinder zu ihrem Vater in demſelben ſeine gegenwaͤrtige Normirung. Denn nur dem Einfluß der Ju- riſten iſt es zuzuſchreiben, daß der Begriff, den das roͤmiſche Recht mit den liberi naturales verbindet, die jetzt geltende Ausdehnung erhalten hat, wodurch namentlich die Lehre von der Legitimation neu und eigenthuͤmlich geſtaltet worden iſt; auch das Inteſtaterbrecht der unehelichen Kinder, welches Mayer in Tuͤbingen zum Gegenſtande einer werthvollen dogmenge- ſchichtlichen Unterſuchung gemacht hat, ſo wie die allgemeine Verbindlichkeit des Vaters zu ihrer Alimentation, woran jetzt wohl niemand mehr zweifelt, ſtehen damit in naher Verbin- dung. Freilich hat auf dieſe ganze Lehre ſchon das canoniſche Recht eingewirkt; aber es hat doch zunaͤchſt nur die Veran- laſſung zu ihrer heutigen Geſtaltung gegeben, waͤhrend die eigentliche Begruͤndung und poſitive Ausbildung derſelben von den Juriſten ausgegangen iſt. — Im Sachenrecht zeigt ſich das Juriſtenrecht von einer geringen Bedeutung, wenn man auch ſolche Mißbildungen, wie die Umſetzung der Auf- laſſung in die gerichtliche Confirmation, dahin rechnen muß; deſto einflußreicher iſt es aber im Obligationenrecht ge- worden. Schon der Umſtand, daß das Syſtem der roͤmiſchen Poͤnalklagen bei uns nicht recipirt worden, iſt von erheblicher Wichtigkeit, wenn auch manches Andere, was außer dem Be- reiche der Juriſten lag, mit darauf eingewirkt hat; aber ihnen allein iſt der Fundamentalſatz der heutigen Vertragslehre zu- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0346" n="334"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Eilftes Kapitel</hi>.</fw><lb/> ſtituten, welche ihnen ihre Begruͤndung verdanken. Dahin<lb/> kann z. B. die <hi rendition="#g">Einkindſchaft</hi> gerechnet werden, die als<lb/> ein gemeinrechtliches Geſchaͤft und in der beſtimmten, formel-<lb/> len Ausbildung, welche ſie nach und nach erlangt hat, als ein<lb/> Juriſtenrecht ſich herausſtellt; desgleichen findet das Verhaͤlt-<lb/> niß der unehelichen Kinder zu ihrem Vater in demſelben ſeine<lb/> gegenwaͤrtige Normirung. 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Eilftes Kapitel.
ſtituten, welche ihnen ihre Begruͤndung verdanken. Dahin
kann z. B. die Einkindſchaft gerechnet werden, die als
ein gemeinrechtliches Geſchaͤft und in der beſtimmten, formel-
len Ausbildung, welche ſie nach und nach erlangt hat, als ein
Juriſtenrecht ſich herausſtellt; desgleichen findet das Verhaͤlt-
niß der unehelichen Kinder zu ihrem Vater in demſelben ſeine
gegenwaͤrtige Normirung. Denn nur dem Einfluß der Ju-
riſten iſt es zuzuſchreiben, daß der Begriff, den das roͤmiſche
Recht mit den liberi naturales verbindet, die jetzt geltende
Ausdehnung erhalten hat, wodurch namentlich die Lehre von
der Legitimation neu und eigenthuͤmlich geſtaltet worden iſt;
auch das Inteſtaterbrecht der unehelichen Kinder, welches Mayer
in Tuͤbingen zum Gegenſtande einer werthvollen dogmenge-
ſchichtlichen Unterſuchung gemacht hat, ſo wie die allgemeine
Verbindlichkeit des Vaters zu ihrer Alimentation, woran jetzt
wohl niemand mehr zweifelt, ſtehen damit in naher Verbin-
dung. Freilich hat auf dieſe ganze Lehre ſchon das canoniſche
Recht eingewirkt; aber es hat doch zunaͤchſt nur die Veran-
laſſung zu ihrer heutigen Geſtaltung gegeben, waͤhrend die
eigentliche Begruͤndung und poſitive Ausbildung derſelben von
den Juriſten ausgegangen iſt. — Im Sachenrecht zeigt
ſich das Juriſtenrecht von einer geringen Bedeutung, wenn
man auch ſolche Mißbildungen, wie die Umſetzung der Auf-
laſſung in die gerichtliche Confirmation, dahin rechnen muß;
deſto einflußreicher iſt es aber im Obligationenrecht ge-
worden. Schon der Umſtand, daß das Syſtem der roͤmiſchen
Poͤnalklagen bei uns nicht recipirt worden, iſt von erheblicher
Wichtigkeit, wenn auch manches Andere, was außer dem Be-
reiche der Juriſten lag, mit darauf eingewirkt hat; aber ihnen
allein iſt der Fundamentalſatz der heutigen Vertragslehre zu-
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