Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Werth des Juristenrechts. gewinnen, und die, wenn sie gründlich wird, sich in der Exe-gese alter Rechtsquellen ergeht. Unter diesen Umständen muß- ten denn freilich gerade diejenigen Männer den größten Ein- fluß auf die deutsche Rechtsbildung erlangen, welche sich als Gelehrte von Profession mit dem Recht als einem Gegenstande besonderer Studien beschäftigten, und es oft als ein selbständi- ges Wesen, ohne Rücksicht auf seine unmittelbare Beziehung zu den Lebensverhältnissen betrachteten, als ob die Gelehrsam- keit überhaupt und namentlich für eine practische Disciplin etwas Anderes als ein Mittel zum Zweck seyn könnte. Ist auch bei manchen Universitätslehrern, denn von diesen ist hier besonders die Rede, eine so ganz verfehlte Richtung dadurch temperirt worden, daß sie auf die eine oder die andere Weise dem Leben und seinen Ansorderungen näher gebracht wurden; und hat den Einen seine höhere wissenschaftliche Begabung, welche jeder Einseitigkeit widerstrebt, den Andern vielleicht seine unverwüstliche geistige Gesundheit vor solchen Verirrungen be- wahrt, -- im Allgemeinen blieb doch die Lage der Dinge, wie sie bezeichnet worden; das Uebel konnte wohl im Einzel- nen gemildert werden, aber gehoben ward es dadurch nicht. Und wenn es nur noch eine rechte volle Gelehrsamkeit gewe- sen wäre, was aus jenen Bestrebungen hervorging! Aber wie viel ist ohne Critik den fremden, und namentlich den italieni- schen Juristen nachgeschrieben worden; wie viele ganz inhalts- lose und gleichgültige Untersuchungen und Controversen wur- den immer von Neuem mit pedantischer Gründlichkeit erwo- gen und durcharbeitet; welch eine Menge von nichtsnutzigem Plunder, wie viele oberflächliche Salbadereien, Abgeschmackt- heiten und Irrthümer liegen überhaupt in dem Wust der deut- schen juristischen Literatur aufgespeichert vor uns! Bei andern Beseler, Volksrecht. 23
Werth des Juriſtenrechts. gewinnen, und die, wenn ſie gruͤndlich wird, ſich in der Exe-geſe alter Rechtsquellen ergeht. Unter dieſen Umſtaͤnden muß- ten denn freilich gerade diejenigen Maͤnner den groͤßten Ein- fluß auf die deutſche Rechtsbildung erlangen, welche ſich als Gelehrte von Profeſſion mit dem Recht als einem Gegenſtande beſonderer Studien beſchaͤftigten, und es oft als ein ſelbſtaͤndi- ges Weſen, ohne Ruͤckſicht auf ſeine unmittelbare Beziehung zu den Lebensverhaͤltniſſen betrachteten, als ob die Gelehrſam- keit uͤberhaupt und namentlich fuͤr eine practiſche Disciplin etwas Anderes als ein Mittel zum Zweck ſeyn koͤnnte. Iſt auch bei manchen Univerſitaͤtslehrern, denn von dieſen iſt hier beſonders die Rede, eine ſo ganz verfehlte Richtung dadurch temperirt worden, daß ſie auf die eine oder die andere Weiſe dem Leben und ſeinen Anſorderungen naͤher gebracht wurden; und hat den Einen ſeine hoͤhere wiſſenſchaftliche Begabung, welche jeder Einſeitigkeit widerſtrebt, den Andern vielleicht ſeine unverwuͤſtliche geiſtige Geſundheit vor ſolchen Verirrungen be- wahrt, — im Allgemeinen blieb doch die Lage der Dinge, wie ſie bezeichnet worden; das Uebel konnte wohl im Einzel- nen gemildert werden, aber gehoben ward es dadurch nicht. Und wenn es nur noch eine rechte volle Gelehrſamkeit gewe- ſen waͤre, was aus jenen Beſtrebungen hervorging! Aber wie viel iſt ohne Critik den fremden, und namentlich den italieni- ſchen Juriſten nachgeſchrieben worden; wie viele ganz inhalts- loſe und gleichguͤltige Unterſuchungen und Controverſen wur- den immer von Neuem mit pedantiſcher Gruͤndlichkeit erwo- gen und durcharbeitet; welch eine Menge von nichtsnutzigem Plunder, wie viele oberflaͤchliche Salbadereien, Abgeſchmackt- heiten und Irrthuͤmer liegen uͤberhaupt in dem Wuſt der deut- ſchen juriſtiſchen Literatur aufgeſpeichert vor uns! Bei andern Beſeler, Volksrecht. 23
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Werth des Juriſtenrechts.
gewinnen, und die, wenn ſie gruͤndlich wird, ſich in der Exe-
geſe alter Rechtsquellen ergeht. Unter dieſen Umſtaͤnden muß-
ten denn freilich gerade diejenigen Maͤnner den groͤßten Ein-
fluß auf die deutſche Rechtsbildung erlangen, welche ſich als
Gelehrte von Profeſſion mit dem Recht als einem Gegenſtande
beſonderer Studien beſchaͤftigten, und es oft als ein ſelbſtaͤndi-
ges Weſen, ohne Ruͤckſicht auf ſeine unmittelbare Beziehung
zu den Lebensverhaͤltniſſen betrachteten, als ob die Gelehrſam-
keit uͤberhaupt und namentlich fuͤr eine practiſche Disciplin
etwas Anderes als ein Mittel zum Zweck ſeyn koͤnnte. Iſt
auch bei manchen Univerſitaͤtslehrern, denn von dieſen iſt hier
beſonders die Rede, eine ſo ganz verfehlte Richtung dadurch
temperirt worden, daß ſie auf die eine oder die andere Weiſe
dem Leben und ſeinen Anſorderungen naͤher gebracht wurden;
und hat den Einen ſeine hoͤhere wiſſenſchaftliche Begabung,
welche jeder Einſeitigkeit widerſtrebt, den Andern vielleicht ſeine
unverwuͤſtliche geiſtige Geſundheit vor ſolchen Verirrungen be-
wahrt, — im Allgemeinen blieb doch die Lage der Dinge,
wie ſie bezeichnet worden; das Uebel konnte wohl im Einzel-
nen gemildert werden, aber gehoben ward es dadurch nicht.
Und wenn es nur noch eine rechte volle Gelehrſamkeit gewe-
ſen waͤre, was aus jenen Beſtrebungen hervorging! Aber wie
viel iſt ohne Critik den fremden, und namentlich den italieni-
ſchen Juriſten nachgeſchrieben worden; wie viele ganz inhalts-
loſe und gleichguͤltige Unterſuchungen und Controverſen wur-
den immer von Neuem mit pedantiſcher Gruͤndlichkeit erwo-
gen und durcharbeitet; welch eine Menge von nichtsnutzigem
Plunder, wie viele oberflaͤchliche Salbadereien, Abgeſchmackt-
heiten und Irrthuͤmer liegen uͤberhaupt in dem Wuſt der deut-
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Beſeler, Volksrecht. 23
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