Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Erstes Kapitel. geschriebenen Rechts, dem sie fast blindlings folgten, und wuß-ten dadurch nicht bloß das Interesse der Mächtigen, denen sie dienten, zu fördern, sondern trafen auch mit dem Bestreben der Besseren zur Herstellung eines geordneten Rechtszustandes in Deutschland zusammen. Zu diesem Allen kam nun noch ein äußeres Ereigniß Das deutsche Recht trat also regelmäßig in seiner äußern Erſtes Kapitel. geſchriebenen Rechts, dem ſie faſt blindlings folgten, und wuß-ten dadurch nicht bloß das Intereſſe der Maͤchtigen, denen ſie dienten, zu foͤrdern, ſondern trafen auch mit dem Beſtreben der Beſſeren zur Herſtellung eines geordneten Rechtszuſtandes in Deutſchland zuſammen. Zu dieſem Allen kam nun noch ein aͤußeres Ereigniß Das deutſche Recht trat alſo regelmaͤßig in ſeiner aͤußern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0048" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erſtes Kapitel</hi>.</fw><lb/> geſchriebenen Rechts, dem ſie faſt blindlings folgten, und wuß-<lb/> ten dadurch nicht bloß das Intereſſe der Maͤchtigen, denen ſie<lb/> dienten, zu foͤrdern, ſondern trafen auch mit dem Beſtreben<lb/> der Beſſeren zur Herſtellung eines geordneten Rechtszuſtandes<lb/> in Deutſchland zuſammen.</p><lb/> <p>Zu dieſem Allen kam nun noch ein aͤußeres Ereigniß<lb/> hinzu, welches fuͤr die Aufnah me des roͤmiſchen Rechts in<lb/> Deutſchland von der groͤßten Bedeutung geworden iſt. Im<lb/> Jahre 1495 ward das Reichskammergericht eingeſetzt, und da<lb/> man ſchon auf die Geltung roͤmiſchrechtlicher Lehren Ruͤckſicht<lb/> nehmen mußte und in den Doctoren die gewandteſten Ge-<lb/> ſchaͤftsleute hatte, ſo ward die Haͤlfte der Stellen mit dieſen<lb/> beſetzt. Nun war es aber nicht anders moͤglich, als daß ſie<lb/> gerade in dem hoͤchſten Reichsgerichte bald das allerentſchie-<lb/> denſte Uebergewicht bekamen. Denn es ward hier fuͤr ganz<lb/> Deutſchland Recht geſprochen. Das deutſche Recht aber hatte,<lb/> wie wir geſehen haben, nicht den Charakter eines gemeinen<lb/> Nationalrechts gewonnen, ſondern lebte nur in den engeren<lb/> Kreiſen, vor Allem in den Genoſſenſchaften und Gemeinden,<lb/> welche die allgemeinen Inſtitute, ſchon durch die Einfluͤſſe<lb/> der Staͤndeunterſchiede durchbrochen, in ſpecieller Geſtaltung<lb/> ausgebildet hatten. Kamen auch noch tief eingreifende Grund-<lb/> ſaͤtze und Rechtsformen in einer allgemeinen Geltung vor, ſo<lb/> werden ſie als ein gemeinſames, nationales Recht doch nur<lb/> ſelten im Bewußtſeyn der Einzelnen lebendig geweſen ſeyn.</p><lb/> <p>Das deutſche Recht trat alſo regelmaͤßig in ſeiner aͤußern<lb/> Erſcheinung als ein particulaͤres auf, was bei den heimiſchen<lb/> Gerichten, wo die Schoͤffen es ſicher beherrſchten, kein Hinder-<lb/> niß der Anwendung war, vor dem entfernten Reichsgerichte<lb/> aber die groͤßten Schwierigkeiten bereitete, beſonders wenn die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0048]
Erſtes Kapitel.
geſchriebenen Rechts, dem ſie faſt blindlings folgten, und wuß-
ten dadurch nicht bloß das Intereſſe der Maͤchtigen, denen ſie
dienten, zu foͤrdern, ſondern trafen auch mit dem Beſtreben
der Beſſeren zur Herſtellung eines geordneten Rechtszuſtandes
in Deutſchland zuſammen.
Zu dieſem Allen kam nun noch ein aͤußeres Ereigniß
hinzu, welches fuͤr die Aufnah me des roͤmiſchen Rechts in
Deutſchland von der groͤßten Bedeutung geworden iſt. Im
Jahre 1495 ward das Reichskammergericht eingeſetzt, und da
man ſchon auf die Geltung roͤmiſchrechtlicher Lehren Ruͤckſicht
nehmen mußte und in den Doctoren die gewandteſten Ge-
ſchaͤftsleute hatte, ſo ward die Haͤlfte der Stellen mit dieſen
beſetzt. Nun war es aber nicht anders moͤglich, als daß ſie
gerade in dem hoͤchſten Reichsgerichte bald das allerentſchie-
denſte Uebergewicht bekamen. Denn es ward hier fuͤr ganz
Deutſchland Recht geſprochen. Das deutſche Recht aber hatte,
wie wir geſehen haben, nicht den Charakter eines gemeinen
Nationalrechts gewonnen, ſondern lebte nur in den engeren
Kreiſen, vor Allem in den Genoſſenſchaften und Gemeinden,
welche die allgemeinen Inſtitute, ſchon durch die Einfluͤſſe
der Staͤndeunterſchiede durchbrochen, in ſpecieller Geſtaltung
ausgebildet hatten. Kamen auch noch tief eingreifende Grund-
ſaͤtze und Rechtsformen in einer allgemeinen Geltung vor, ſo
werden ſie als ein gemeinſames, nationales Recht doch nur
ſelten im Bewußtſeyn der Einzelnen lebendig geweſen ſeyn.
Das deutſche Recht trat alſo regelmaͤßig in ſeiner aͤußern
Erſcheinung als ein particulaͤres auf, was bei den heimiſchen
Gerichten, wo die Schoͤffen es ſicher beherrſchten, kein Hinder-
niß der Anwendung war, vor dem entfernten Reichsgerichte
aber die groͤßten Schwierigkeiten bereitete, beſonders wenn die
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