Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_344.001 O Herr, dem die Herrschaft der Welt angehort p1b_344.011 Und dem mein Gemünt hier Gehorsam beschwort &c. p1b_344.012 Als Staub | vor uns auf | stob vom Feind | nah im Feld, p1b_344.016 Wie bleich ward das Antlitz da jed wedem Held! &c. p1b_344.017 p1b_344.018 p1b_344.019 Und sie sprachen: "Was brauchen wir fürder des Herrn? p1b_344.021 p1b_344.024Mag im Blauen er thronen, wir gönnen's ihm gern; p1b_344.022 Doch die Erd ist für uns, wir sind Könige drauf, p1b_344.023 Laßt uns schwelgen und glühn, sie beschert uns vollauf" &c. (Geibels Babel.) p1b_344.025Jch will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig; p1b_344.026 p1b_344.027Es war 'mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig u. s. w. (Bürger, Der Kaiser und der Abt.) p1b_344.028 Wir singen und sagen vom Grafen so gern, p1b_344.031 Der hier in dem Schlosse gehauset, p1b_344.032 Da wo ihr den Enkel des seligen Herrn, p1b_344.033 Den heute vermählten, beschmauset. p1b_344.034 Nun hatte sich jener im heiligen Krieg p1b_344.035 Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg, p1b_344.036 Und als er zu Hause vom Rösselein stieg, p1b_344.037 Da fand er sein Schlösselein oben; p1b_344.038 Doch Diener und Habe zerstoben. (Goethe, Hochzeitslied.) p1b_344.039 O wären wir weiter, o wär' ich zu Haus! p1b_344.041 p1b_344.046Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus; p1b_344.042 Sie sind's die unholdigen Schwestern. p1b_344.043 Sie streifen heran und sie finden uns hier, p1b_344.044 Sie trinken das mühsam geholte das Bier, p1b_344.045 Und lassen nur leer uns die Krüge. (Goethe, Der getreue Eckart.) p1b_344.001 Ŏ Herr, dēm dĭe Hērrschāft dĕr Wēlt angĕhȫrt p1b_344.011 Ŭnd dēm mēin Gĕmǖt hiēr Gĕhōrsam bĕschwȫrt &c. p1b_344.012 Ăls Staub │ vōr ŭns aūf │ stōb vŏm Fēind │ nāh ĭm Fēld, p1b_344.016 Wie bleich ward das Antlitz da jed wedem Held! &c. p1b_344.017 p1b_344.018 p1b_344.019 Und sie sprachen: „Was brauchen wir fürder des Herrn? p1b_344.021 p1b_344.024Mag im Blauen er thronen, wir gönnen's ihm gern; p1b_344.022 Doch die Erd ist für uns, wir sind Könige drauf, p1b_344.023 Laßt uns schwelgen und glühn, sie beschert uns vollauf“ &c. (Geibels Babel.) p1b_344.025Jch will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig; p1b_344.026 p1b_344.027Es war 'mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig u. s. w. (Bürger, Der Kaiser und der Abt.) p1b_344.028 Wir singen und sagen vom Grafen so gern, p1b_344.031 Der hier in dem Schlosse gehauset, p1b_344.032 Da wo ihr den Enkel des seligen Herrn, p1b_344.033 Den heute vermählten, beschmauset. p1b_344.034 Nun hatte sich jener im heiligen Krieg p1b_344.035 Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg, p1b_344.036 Und als er zu Hause vom Rösselein stieg, p1b_344.037 Da fand er sein Schlösselein oben; p1b_344.038 Doch Diener und Habe zerstoben. (Goethe, Hochzeitslied.) p1b_344.039 O wären wir weiter, o wär' ich zu Haus! p1b_344.041 p1b_344.046Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus; p1b_344.042 Sie sind's die unholdigen Schwestern. p1b_344.043 Sie streifen heran und sie finden uns hier, p1b_344.044 Sie trinken das mühsam geholte das Bier, p1b_344.045 Und lassen nur leer uns die Krüge. 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Das von Platen in Nachbildung des Schah <lb n="p1b_344.007"/> Nameh-Versmaßes angewandte Metrum (Werke <hi rendition="#aq">II</hi>. 333) wurde mehrfach <lb n="p1b_344.008"/> als anapästisch aufgefaßt, während Platen an den Kretikus dachte und demzufolge <lb n="p1b_344.009"/> gelesen haben will:</p> <lb n="p1b_344.010"/> <lg> <l>Ŏ Herr, dēm dĭe Hērrschāft dĕr Wēlt angĕhȫrt</l> <lb n="p1b_344.011"/> <l>Ŭnd dēm mēin Gĕmǖt hiēr Gĕhōrsam bĕschwȫrt &c.</l> </lg> <p><lb n="p1b_344.012"/> Jn einer Anzeige von Schacks Firdusi (Augsb. Allg. Ztg. Nr. 130. <lb n="p1b_344.013"/> Jahrg. 1877) nennt Bodenstedt dieses Versmaß persisch: <hi rendition="#g">Mutakarib</hi> und <lb n="p1b_344.014"/> teilt eine von ihm selbst übersetzte Probe mit, die so beginnt:</p> <lb n="p1b_344.015"/> <lg> <l>Ăls Staub │ vōr ŭns aūf │ stōb vŏm Fēind │ nāh ĭm Fēld,</l> <lb n="p1b_344.016"/> <l>Wie bleich ward das Antlitz da jed wedem Held! &c.</l> </lg> <p><lb n="p1b_344.017"/> Eine Reihe kürzerer Anapäste mit Schlußvers heißt Anapästensystem.</p> <p> <lb n="p1b_344.018"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <p><lb n="p1b_344.019"/><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Anapästische Verse.</hi></p> <lb n="p1b_344.020"/> <lg> <l>Und sie sprachen: „Was brauchen wir fürder des Herrn?</l> <lb n="p1b_344.021"/> <l>Mag im Blauen er thronen, wir gönnen's ihm gern;</l> <lb n="p1b_344.022"/> <l>Doch die Erd ist für uns, wir sind Könige drauf,</l> <lb n="p1b_344.023"/> <l>Laßt uns schwelgen und glühn, sie beschert uns vollauf“ &c.</l> </lg> <lb n="p1b_344.024"/> <p> <hi rendition="#right">(Geibels Babel.)</hi> </p> <lb n="p1b_344.025"/> <lg> <l>Jch will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig;</l> <lb n="p1b_344.026"/> <l>Es war 'mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig u. s. w.</l> </lg> <lb n="p1b_344.027"/> <p> <hi rendition="#right">(Bürger, Der Kaiser und der Abt.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_344.028"/> (Die vorstehenden Verse können auch als gute Amphibrachen skandiert werden: <lb n="p1b_344.029"/> ⏑ ⏑ │ ⏑ – ⏑ │ ⏑ – ⏑ │ ⏑ – ⏑ │.)</p> <lb n="p1b_344.030"/> <lg> <l>Wir singen und sagen vom Grafen so gern,</l> <lb n="p1b_344.031"/> <l>Der hier in dem Schlosse gehauset,</l> <lb n="p1b_344.032"/> <l>Da wo ihr den Enkel des seligen Herrn,</l> <lb n="p1b_344.033"/> <l>Den heute vermählten, beschmauset.</l> <lb n="p1b_344.034"/> <l>Nun hatte sich jener im heiligen Krieg</l> <lb n="p1b_344.035"/> <l>Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,</l> <lb n="p1b_344.036"/> <l>Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,</l> <lb n="p1b_344.037"/> <l>Da fand er sein Schlösselein oben;</l> <lb n="p1b_344.038"/> <l>Doch Diener und Habe zerstoben.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Goethe, Hochzeitslied.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_344.039"/> (Die beiden letzten Verszeilen sind katalektische Viertakter.)</p> <lb n="p1b_344.040"/> <lg> <l>O wären wir weiter, o wär' ich zu Haus!</l> <lb n="p1b_344.041"/> <l>Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus;</l> <lb n="p1b_344.042"/> <l>Sie sind's die unholdigen Schwestern.</l> <lb n="p1b_344.043"/> <l>Sie streifen heran und sie finden uns hier,</l> <lb n="p1b_344.044"/> <l>Sie trinken das mühsam geholte das Bier,</l> <lb n="p1b_344.045"/> <l>Und lassen nur leer uns die Krüge.</l> </lg> <lb n="p1b_344.046"/> <p> <hi rendition="#right">(Goethe, Der getreue Eckart.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0378]
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Jn viertaktigen Anapästen, denen in einzelnen Zeilen Jamben eingefügt p1b_344.002
sind, ist die Löwenbraut von Chamisso geschrieben, ferner Schillers Des p1b_344.003
Mädchens Klage, Herders Eistanz u. s. w. Auch in Platens romantischem p1b_344.004
Ödipus finden wir viertaktige Anapäste, deren erster Takt oft ein Jambus p1b_344.005
ist. Jn Bürgers Lied vom braven Mann sind die beiden letzten Verszeilen p1b_344.006
jeder Strophe ebenso gebildet. Das von Platen in Nachbildung des Schah p1b_344.007
Nameh-Versmaßes angewandte Metrum (Werke II. 333) wurde mehrfach p1b_344.008
als anapästisch aufgefaßt, während Platen an den Kretikus dachte und demzufolge p1b_344.009
gelesen haben will:
p1b_344.010
Ŏ Herr, dēm dĭe Hērrschāft dĕr Wēlt angĕhȫrt p1b_344.011
Ŭnd dēm mēin Gĕmǖt hiēr Gĕhōrsam bĕschwȫrt &c.
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Jn einer Anzeige von Schacks Firdusi (Augsb. Allg. Ztg. Nr. 130. p1b_344.013
Jahrg. 1877) nennt Bodenstedt dieses Versmaß persisch: Mutakarib und p1b_344.014
teilt eine von ihm selbst übersetzte Probe mit, die so beginnt:
p1b_344.015
Ăls Staub │ vōr ŭns aūf │ stōb vŏm Fēind │ nāh ĭm Fēld, p1b_344.016
Wie bleich ward das Antlitz da jed wedem Held! &c.
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Eine Reihe kürzerer Anapäste mit Schlußvers heißt Anapästensystem.
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Beispiele:
p1b_344.019
a. Anapästische Verse.
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Und sie sprachen: „Was brauchen wir fürder des Herrn? p1b_344.021
Mag im Blauen er thronen, wir gönnen's ihm gern; p1b_344.022
Doch die Erd ist für uns, wir sind Könige drauf, p1b_344.023
Laßt uns schwelgen und glühn, sie beschert uns vollauf“ &c.
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(Geibels Babel.)
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Jch will euch erzählen ein Märchen gar schnurrig; p1b_344.026
Es war 'mal ein Kaiser; der Kaiser war kurrig u. s. w.
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(Bürger, Der Kaiser und der Abt.)
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(Die vorstehenden Verse können auch als gute Amphibrachen skandiert werden: p1b_344.029
⏑ ⏑ │ ⏑ – ⏑ │ ⏑ – ⏑ │ ⏑ – ⏑ │.)
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Wir singen und sagen vom Grafen so gern, p1b_344.031
Der hier in dem Schlosse gehauset, p1b_344.032
Da wo ihr den Enkel des seligen Herrn, p1b_344.033
Den heute vermählten, beschmauset. p1b_344.034
Nun hatte sich jener im heiligen Krieg p1b_344.035
Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg, p1b_344.036
Und als er zu Hause vom Rösselein stieg, p1b_344.037
Da fand er sein Schlösselein oben; p1b_344.038
Doch Diener und Habe zerstoben.
(Goethe, Hochzeitslied.)
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(Die beiden letzten Verszeilen sind katalektische Viertakter.)
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O wären wir weiter, o wär' ich zu Haus! p1b_344.041
Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus; p1b_344.042
Sie sind's die unholdigen Schwestern. p1b_344.043
Sie streifen heran und sie finden uns hier, p1b_344.044
Sie trinken das mühsam geholte das Bier, p1b_344.045
Und lassen nur leer uns die Krüge.
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(Goethe, Der getreue Eckart.)
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