Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_520.001 Einsam wandelt dein Freund im Frühlingsgarten, p1b_520.005 Mild vom lieblichen Zauberlicht umflossen, p1b_520.006 Das durch wankende Blütenzweige zittert, p1b_520.007 Adelaide! p1b_520.008 Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen, p1b_520.012 Daß man ein solch hart Urteil dir gesprochen? p1b_520.013 Was ist die Schuld? in was für Missethaten p1b_520.014 Bist du geraten? p1b_520.015 p1b_520.017 Blünhet dereinst ein Strauch auf meinem Grabe, p1b_520.021 Weithin ünbers Gebein des Toten schattend, p1b_520.022 Dann wird mir des winzigen Hüngels Erde p1b_520.023 Reichlich genügen.(Stolberg.) p1b_520.024 p1b_520.028Cidli, du weinest und ich schlummre sicher, p1b_520.025 Wo im Sande der Weg verzogen fortschleicht; p1b_520.026 Auch wenn stille Nacht ihn um schattend decket, p1b_520.027 Schlummr' ich ihn sicher. (Klopstock, der seine Elegie "die tote Clarissa" ebenso gebildet hat.) p1b_520.029 Hier im stillen Thal an der Bergeshalde, p1b_520.032 Friedlich rings umkränzt vom verschwiegnen Walde, p1b_520.033 Wo der Schilf im Teich, wenn der Abend düstert, p1b_520.034 Träumerisch flüstert. p1b_520.035 p1b_520.001 Eīnsam wāndĕlt dĕin Freund im Frühlingsgarten, p1b_520.005 Mīld vom līeblĭchĕn Zauberlicht umflossen, p1b_520.006 Dās durch wānkĕndĕ Blütenzweige zittert, p1b_520.007 Adelaide! p1b_520.008 Hērzlĭebstĕr Jēsŭ, wās hăst dū vĕrbrōchĕn, p1b_520.012 Dāß măn ĕin sōlch hărt Ūrteil dir gesprochen? p1b_520.013 Wās ĭst dĭe Schūld? in was für Missethaten p1b_520.014 Bīst dŭ gĕrātĕn? p1b_520.015 p1b_520.017 Blǖhĕt dĕrēinst ein Strauch auf meinem Grabe, p1b_520.021 Weithin ǖbĕrs Gĕbēin des Toten schattend, p1b_520.022 Dann wird mir des wīnzĭgĕn Hǖgels Erde p1b_520.023 Reichlich genügen.(Stolberg.) p1b_520.024 p1b_520.028Cīdlĭ, dŭ wēinest und ich schlummre sicher, p1b_520.025 Wo im Sāndĕ dĕr Wēg verzogen fortschleicht; p1b_520.026 Auch wenn stille Nācht ĭhn ŭm schāttend decket, p1b_520.027 Schlummr' ich ihn sicher. (Klopstock, der seine Elegie „die tote Clarissa“ ebenso gebildet hat.) p1b_520.029 Hier im stillen Thal an der Bergeshalde, p1b_520.032 Friedlich rings umkränzt vom verschwiegnen Walde, p1b_520.033 Wo der Schilf im Teich, wenn der Abend düstert, p1b_520.034 Träumerisch flüstert. p1b_520.035 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0554" n="520"/> <p><lb n="p1b_520.001"/> Matthisson und Hölty haben den Daktylus (oder wenn man will: den <lb n="p1b_520.002"/> Choriambus – ⏑ ⏑ –) schon nach dem ersten Trochäus anstatt nach dem zweiten <lb n="p1b_520.003"/> gesetzt. Man vgl. folgendes Beispiel Matthissons:</p> <lb n="p1b_520.004"/> <lg> <l>Eīnsam wāndĕlt dĕin Freund im Frühlingsgarten,</l> <lb n="p1b_520.005"/> <l>Mīld vom līeblĭchĕn Zauberlicht umflossen,</l> <lb n="p1b_520.006"/> <l>Dās durch wānkĕndĕ Blütenzweige zittert,</l> <lb n="p1b_520.007"/> <l> Adelaide!</l> </lg> <p><lb n="p1b_520.008"/> Jn Hallers Ode: Die Tugend, sowie in alten evangelischen Kirchenliedern, <lb n="p1b_520.009"/> in welchen die Strophen <hi rendition="#g">gereimt</hi> sind, ist der Daktylus (resp. Choriambus) <lb n="p1b_520.010"/> an den Anfang der Verse gesetzt. Man vgl.:</p> <lb n="p1b_520.011"/> <lg> <l>Hērzlĭebstĕr Jēsŭ, wās hăst dū vĕrbrōchĕn,</l> <lb n="p1b_520.012"/> <l>Dāß măn ĕin sōlch hărt Ūrteil dir gesprochen?</l> <lb n="p1b_520.013"/> <l>Wās ĭst dĭe Schūld? in was für Missethaten</l> <lb n="p1b_520.014"/> <l>Bīst dŭ gĕrātĕn?</l> </lg> <p><lb n="p1b_520.015"/> (Man beachte die unschöne Accentverschiebung zu Gunsten des Versrhythmus <lb n="p1b_520.016"/> am Beginn der Verse dieser Strophe.)</p> <p><lb n="p1b_520.017"/> Klopstock, Stolberg und Matthisson (in Lauras Quelle) bringen vollends <lb n="p1b_520.018"/> den Daktylus in jedem Verse an einer tieferen Stelle, wodurch der Verscharakter <lb n="p1b_520.019"/> etwas unbestimmt wird. 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Gottschall ist in der Neuzeit der Erste, welcher die sapphische <lb n="p1b_520.030"/> Strophe gereimt hat, z. B.:</p> <lb n="p1b_520.031"/> <lg> <l>Hier im stillen Thal an der Bergeshalde,</l> <lb n="p1b_520.032"/> <l>Friedlich rings umkränzt vom verschwiegnen Walde,</l> <lb n="p1b_520.033"/> <l>Wo der Schilf im Teich, wenn der Abend düstert,</l> <lb n="p1b_520.034"/> <l> Träumerisch flüstert.</l> </lg> <p><lb n="p1b_520.035"/> Gepflegt wurde die sapphische Strophe, welche der große Zeitgenosse der <lb n="p1b_520.036"/> Sappho Alkäos aus Mitylene und nach ihm Horaz anwandte, bei den Deutschen <lb n="p1b_520.037"/> von Klopstock, Platen, Salis, Stolberg, Hölty, Voß, Geibel, v. Gottschall, <lb n="p1b_520.038"/> Eckstein, Schönfeld, Leuthold u. A. Vgl. die vielen Nachbildungen Geibels im <lb n="p1b_520.039"/> klass. Liederbuch.</p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [520/0554]
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Matthisson und Hölty haben den Daktylus (oder wenn man will: den p1b_520.002
Choriambus – ⏑ ⏑ –) schon nach dem ersten Trochäus anstatt nach dem zweiten p1b_520.003
gesetzt. Man vgl. folgendes Beispiel Matthissons:
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Eīnsam wāndĕlt dĕin Freund im Frühlingsgarten, p1b_520.005
Mīld vom līeblĭchĕn Zauberlicht umflossen, p1b_520.006
Dās durch wānkĕndĕ Blütenzweige zittert, p1b_520.007
Adelaide!
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Jn Hallers Ode: Die Tugend, sowie in alten evangelischen Kirchenliedern, p1b_520.009
in welchen die Strophen gereimt sind, ist der Daktylus (resp. Choriambus) p1b_520.010
an den Anfang der Verse gesetzt. Man vgl.:
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Hērzlĭebstĕr Jēsŭ, wās hăst dū vĕrbrōchĕn, p1b_520.012
Dāß măn ĕin sōlch hărt Ūrteil dir gesprochen? p1b_520.013
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Bīst dŭ gĕrātĕn?
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(Man beachte die unschöne Accentverschiebung zu Gunsten des Versrhythmus p1b_520.016
am Beginn der Verse dieser Strophe.)
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Klopstock, Stolberg und Matthisson (in Lauras Quelle) bringen vollends p1b_520.018
den Daktylus in jedem Verse an einer tieferen Stelle, wodurch der Verscharakter p1b_520.019
etwas unbestimmt wird. Man vgl.:
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Blǖhĕt dĕrēinst ein Strauch auf meinem Grabe, p1b_520.021
Weithin ǖbĕrs Gĕbēin des Toten schattend, p1b_520.022
Dann wird mir des wīnzĭgĕn Hǖgels Erde p1b_520.023
Reichlich genügen.(Stolberg.)
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Cīdlĭ, dŭ wēinest und ich schlummre sicher, p1b_520.025
Wo im Sāndĕ dĕr Wēg verzogen fortschleicht; p1b_520.026
Auch wenn stille Nācht ĭhn ŭm schāttend decket, p1b_520.027
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(Klopstock, der seine Elegie „die tote Clarissa“ ebenso gebildet hat.)
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Rud. v. Gottschall ist in der Neuzeit der Erste, welcher die sapphische p1b_520.030
Strophe gereimt hat, z. B.:
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Hier im stillen Thal an der Bergeshalde, p1b_520.032
Friedlich rings umkränzt vom verschwiegnen Walde, p1b_520.033
Wo der Schilf im Teich, wenn der Abend düstert, p1b_520.034
Träumerisch flüstert.
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Gepflegt wurde die sapphische Strophe, welche der große Zeitgenosse der p1b_520.036
Sappho Alkäos aus Mitylene und nach ihm Horaz anwandte, bei den Deutschen p1b_520.037
von Klopstock, Platen, Salis, Stolberg, Hölty, Voß, Geibel, v. Gottschall, p1b_520.038
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klass. Liederbuch.
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