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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Tänze und Reihen (Jubili carols). Viele Leiche handeln von Maienlust und p1b_622.002
Minnesang &c. Minneleiche finden wir bei Wintersteten, Botenlauben, p1b_622.003
Liechtenstein; religiöse bei Konrad von Würzburg, Rotenburg, Frauenlob, p1b_622.004
Reinmar von Zweter. Walthers einziger, für ein Marienfest gedichteter Leich p1b_622.005
hat neben religiösem Hintergrund politische Tendenz. - Der Leich vom p1b_622.006
h. Grab des Heinrich von Rücke hat die Absicht, zur Beteiligung am Kreuzzug p1b_622.007
aufzufordern. - Ein Leich dient als Reigentanz dem Herzoge Friedrich dem p1b_622.008
Streitbaren, der ihn selber sang und tanzte, ein anderer dem Spielmann p1b_622.009
der Nibelungen: Volker. - Als Beispiel sagenhafter Behandlung eben p1b_622.010
erlebter Wirklichkeit kann der Ludwigsleich vom Jahre 881 erwähnt werden, p1b_622.011
der sogleich nach der Normannenschlacht von Saucourt abgefaßt wurde. Er p1b_622.012
spricht von Ludwig III. als Lebenden (+ 882), und erwähnt eines Wunders p1b_622.013
und eines Zwiegesprächs mit dem Könige &c. - Die Tanzleiche, welche zur p1b_622.014
Begleitung des Tanzes gesungen wurden, zeigen neben der größten Einfachheit p1b_622.015
die zierlichsten musikalischen Sätze und Reimverschlingungen in fesselloser und p1b_622.016
daher um so lebhafterer Bewegung.

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Die bekanntesten Leiche sind: einer von Walther von der Vogelweide p1b_622.018
(I. 101), von Gliers (1. 43), von Otto von Turne (1. 192), von Winli p1b_622.019
(2. 23), von Rinniu (2. 117), von Reinmar von Zweter (2. 122), von p1b_622.020
Alexander, von Damen, zwei von Frauenlob, zwei von Konrad von Würzburg, p1b_622.021
mehrere von Tanhuser, sechs von Rotenburg, sieben von Wintersteten, einer p1b_622.022
von Botenlauben, einer von Liechtenstein &c.

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6. Die Meisterschulen haben die Leichform fallen lassen, oder sie haben p1b_622.024
sie von ihrer Lebensbedingung - der Musik - losgelöst. Der späteste Leichdichter, p1b_622.025
Heinrich v. Laufenberg (1. Hälfte des 15. Jahrh.), hat seine Gedichte p1b_622.026
der Art (meist Paraphrasen oder Nachbildungen lateinischer Kirchengesänge) p1b_622.027
ganz noch in der alten freien, d. h. nur durch die Melodie bestimmten Form p1b_622.028
abgefaßt. (Wolf a. a. O. S. 151.)

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Von den neueren Dichtern hat nur Rückert einen Leich in 8zeiligen p1b_622.030
Strophen gedichtet, die in Bezug auf Reimstellung, Reimgeschlecht und Rhythmus p1b_622.031
die schrankenloseste Freiheit beweisen.

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I. Beispiele des mittelhochdeutschen Leichs:

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a. Religiöser Jnhalt.

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Salve Regina von Heinr. von Laufenberg.

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(Straßb. Bibl. Cod. Joh. B. 121. fol. 96. b.)

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Bis grüsst, maget reine, p1b_622.037
küngin bist alleine, p1b_622.038
aller welt gemeine; p1b_622.039
erbermd hat sie nicht kleine, p1b_622.040
die ich nu meine, p1b_622.041
Leben kann sie bringen, p1b_622.042
süsskeit us ir dringen, p1b_622.043
der ich hie wil singen, p1b_622.044
und hoffnung unsern dingen. p1b_622.045
bis grüsst, hilf uns gelingen.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 622. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/656>, abgerufen am 22.11.2024.