Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_683.001 Jch höre die Stunden ziehen p1b_683.002 p1b_683.005Trüben Gesichts; p1b_683.003 Sie kommen, weilen, fliehen - p1b_683.004 Und ändern nichts.(Geibels "Meiden".) d. Der König Karl zum letzten Mal p1b_683.006 p1b_683.013Hält Heerfahrt gegen die Heiden; p1b_683.007 Schön Hildegard, sein Ehgemahl, p1b_683.008 Weint bitterlich beim Scheiden. p1b_683.009 Noch in der Sonne ferne p1b_683.010 Hell blitzen Helm und Wehr; p1b_683.011 So gerne, ach so gerne p1b_683.012 Zöge sie mit dem Heer. (Bodenstedts Hildegard. Ges. Schriften X. 194.) p1b_683.014 p1b_683.015 p1b_683.017 p1b_683.018 p1b_683.031 p1b_683.032 a. Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.034 Die sich dereinst geliebt, p1b_683.035 Das ist ein großes Leiden, p1b_683.036 Wie's größres nimmer giebt. p1b_683.037 Es klingt das Wort so traurig gar: p1b_683.038 Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar, p1b_683.039 Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.040 Die sich dereinst geliebt. (Geibel.) p1b_683.041b. Daß solch ein brennend Leiden p1b_683.042 Ein Herz ertragen kann, p1b_683.043 Ohn' daß alsbald sein Scheiden p1b_683.044 Vom Leben es gewann: p1b_683.045 Erschien mir's doch bis diese Zeit p1b_683.046 Unmöglichste Unmöglichkeit, p1b_683.047 Daß solch ein brennend Leiden p1b_683.048 Ein Herz ertragen kann. p1b_683.049 p1b_683.001 Jch höre die Stunden ziehen p1b_683.002 p1b_683.005Trüben Gesichts; p1b_683.003 Sie kommen, weilen, fliehen ─ p1b_683.004 Und ändern nichts.(Geibels „Meiden“.) d. Der König Karl zum letzten Mal p1b_683.006 p1b_683.013Hält Heerfahrt gegen die Heiden; p1b_683.007 Schön Hildegard, sein Ehgemahl, p1b_683.008 Weint bitterlich beim Scheiden. p1b_683.009 Noch in der Sonne ferne p1b_683.010 Hell blitzen Helm und Wehr; p1b_683.011 So gerne, ach so gerne p1b_683.012 Zöge sie mit dem Heer. (Bodenstedts Hildegard. Ges. Schriften X. 194.) p1b_683.014 p1b_683.015 p1b_683.017 p1b_683.018 p1b_683.031 p1b_683.032 a. Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.034 Die sich dereinst geliebt, p1b_683.035 Das ist ein großes Leiden, p1b_683.036 Wie's größres nimmer giebt. p1b_683.037 Es klingt das Wort so traurig gar: p1b_683.038 Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar, p1b_683.039 Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.040 Die sich dereinst geliebt. (Geibel.) p1b_683.041b. 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Rückert (Warum sich zwei erwählen, <lb n="p1b_683.020"/> Gesang der h. drei Könige, Kosaken-Winterlied, Lied, und Noch eine Einladung); <lb n="p1b_683.021"/> ferner bei Otto Roquette (Unruhe); Annette von Droste-Hülshoff (Der Knabe <lb n="p1b_683.022"/> im Moor), deren Lied die Veranlassung zum Gedicht Arthur Fitgers „Singend <lb n="p1b_683.023"/> über die Heide“ wurde; vor Allem aber bei Geibel, dessen zartes Gedicht Wenn <lb n="p1b_683.024"/> sich zwei Herzen scheiden <hi rendition="#g">eine ganze Litteratur hervorrief.</hi> Jch glaube <lb n="p1b_683.025"/> den Nachweis liefern zu können, daß dasselbe die Anregung gab zu Prutz' <lb n="p1b_683.026"/> Abends, zu M. Solitaires Reflexe der Schwermut, zu Michel Berends O wenn <lb n="p1b_683.027"/> dir Gott ein Lieb geschenkt &c., die sämtlich den ähnlichen Charakter, das gleiche <lb n="p1b_683.028"/> Schema, das nämliche strophische Charakteristikum und die von Geibel angewandte <lb n="p1b_683.029"/> Refrainform tragen. Die im Mittelalter verbotene Tönenachahmung <lb n="p1b_683.030"/> ist in unserer Litteratur mit Recht gestattet.</p> <p> <lb n="p1b_683.031"/> <hi rendition="#g">Beispiele:</hi> </p> <p><lb n="p1b_683.032"/> 1. <hi rendition="#g">Schule Geibels.</hi></p> <lb n="p1b_683.033"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">a</hi>.</p> <lg> <l> <hi rendition="#g">Wenn sich zwei Herzen scheiden,</hi> </l> <lb n="p1b_683.034"/> <l> <hi rendition="#g">Die sich dereinst geliebt,</hi> </l> <lb n="p1b_683.035"/> <l>Das ist ein großes Leiden,</l> <lb n="p1b_683.036"/> <l>Wie's größres nimmer giebt.</l> <lb n="p1b_683.037"/> <l>Es klingt das Wort so traurig gar:</l> <lb n="p1b_683.038"/> <l>Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar,</l> <lb n="p1b_683.039"/> <l> <hi rendition="#g">Wenn sich zwei Herzen scheiden,</hi> </l> <lb n="p1b_683.040"/> <l> <hi rendition="#g">Die sich dereinst geliebt.</hi> </l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Geibel.)</hi> </p> <lb n="p1b_683.041"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l> <hi rendition="#g">Daß solch ein brennend Leiden</hi> </l> <lb n="p1b_683.042"/> <l> <hi rendition="#g">Ein Herz ertragen kann,</hi> </l> <lb n="p1b_683.043"/> <l>Ohn' daß alsbald sein Scheiden</l> <lb n="p1b_683.044"/> <l>Vom Leben es gewann:</l> <lb n="p1b_683.045"/> <l>Erschien mir's doch bis diese Zeit</l> <lb n="p1b_683.046"/> <l>Unmöglichste Unmöglichkeit,</l> <lb n="p1b_683.047"/> <l> <hi rendition="#g">Daß solch ein brennend Leiden</hi> </l> <lb n="p1b_683.048"/> <l> <hi rendition="#g">Ein Herz ertragen kann.</hi> </l> </lg> <p><lb n="p1b_683.049"/> (M. Solitaire, Reflexe der Schwermut. Abgedr. in Hausbuch aus deutschen <lb n="p1b_683.050"/> Dichtern seit Claudius, 1872, von Th. Storm.)</p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [683/0717]
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Jch höre die Stunden ziehen p1b_683.002
Trüben Gesichts; p1b_683.003
Sie kommen, weilen, fliehen ─ p1b_683.004
Und ändern nichts.(Geibels „Meiden“.)
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d.
Der König Karl zum letzten Mal p1b_683.006
Hält Heerfahrt gegen die Heiden; p1b_683.007
Schön Hildegard, sein Ehgemahl, p1b_683.008
Weint bitterlich beim Scheiden. p1b_683.009
Noch in der Sonne ferne p1b_683.010
Hell blitzen Helm und Wehr; p1b_683.011
So gerne, ach so gerne p1b_683.012
Zöge sie mit dem Heer.
p1b_683.013
(Bodenstedts Hildegard. Ges. Schriften X. 194.)
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2. a b a b a b a b. (Sicilianenform.)
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Vgl. § 170 S. 556 d. B. sowie die österr. Nationalhymne (Gott p1b_683.016
erhalte Franz, den Kaiser).
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3. a b a b c c a b. (Geibels Abschiedsstrophe.)
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Diese Strophe finden wir bei Rud. der Schreiber (von der Hagens p1b_683.019
Minnersinger II. 265), sowie bei Fr. Rückert (Warum sich zwei erwählen, p1b_683.020
Gesang der h. drei Könige, Kosaken-Winterlied, Lied, und Noch eine Einladung); p1b_683.021
ferner bei Otto Roquette (Unruhe); Annette von Droste-Hülshoff (Der Knabe p1b_683.022
im Moor), deren Lied die Veranlassung zum Gedicht Arthur Fitgers „Singend p1b_683.023
über die Heide“ wurde; vor Allem aber bei Geibel, dessen zartes Gedicht Wenn p1b_683.024
sich zwei Herzen scheiden eine ganze Litteratur hervorrief. Jch glaube p1b_683.025
den Nachweis liefern zu können, daß dasselbe die Anregung gab zu Prutz' p1b_683.026
Abends, zu M. Solitaires Reflexe der Schwermut, zu Michel Berends O wenn p1b_683.027
dir Gott ein Lieb geschenkt &c., die sämtlich den ähnlichen Charakter, das gleiche p1b_683.028
Schema, das nämliche strophische Charakteristikum und die von Geibel angewandte p1b_683.029
Refrainform tragen. Die im Mittelalter verbotene Tönenachahmung p1b_683.030
ist in unserer Litteratur mit Recht gestattet.
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Beispiele:
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1. Schule Geibels.
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a.
Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.034
Die sich dereinst geliebt, p1b_683.035
Das ist ein großes Leiden, p1b_683.036
Wie's größres nimmer giebt. p1b_683.037
Es klingt das Wort so traurig gar: p1b_683.038
Fahrwohl, fahrwohl auf immerdar, p1b_683.039
Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_683.040
Die sich dereinst geliebt.
(Geibel.)
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b.
Daß solch ein brennend Leiden p1b_683.042
Ein Herz ertragen kann, p1b_683.043
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Unmöglichste Unmöglichkeit, p1b_683.047
Daß solch ein brennend Leiden p1b_683.048
Ein Herz ertragen kann.
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(M. Solitaire, Reflexe der Schwermut. Abgedr. in Hausbuch aus deutschen p1b_683.050
Dichtern seit Claudius, 1872, von Th. Storm.)
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