Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_754.001 p1b_754.002 p1b_754.005 p1b_754.006 Jch will, ich will ja lieben! p1b_754.008 p1b_754.027Zu lieben riet mir Eros; p1b_754.009 Jch aber unbesonnen, p1b_754.010 Jch ließ mich nicht beraten. p1b_754.011 Schnell griff er nach dem Bogen, p1b_754.012 Und nach dem goldnen Köcher p1b_754.013 Und fordert mich zum Kampfe. p1b_754.014 Gleich warf ich um die Schultern p1b_754.015 Den Panzer wie Achilles, p1b_754.016 Und faßte Schild und Lanze, p1b_754.017 Und kämpfte gegen Eros. p1b_754.018 Er schoß; ich wich den Pfeilen - p1b_754.019 Bald war geleert der Köcher. p1b_754.020 Da zürnt er mir - - was thut er? p1b_754.021 Er schießt als Pfeil sich selber p1b_754.022 Mir in des Herzens Mitte, p1b_754.023 Und lähmet mir die Glieder. p1b_754.024 Wozu nun Schild und Lanze? p1b_754.025 Was kämpf' ich noch nach außen, p1b_754.026 Da Kampf im Jnnern tobet? (Anakreons Kampf mit Eros. Übers. v. Drexel.) p1b_754.028 § 218. Überzwanzigzeilige Strophen. p1b_754.029 p1b_754.001 p1b_754.002 p1b_754.005 p1b_754.006 Jch will, ich will ja lieben! p1b_754.008 p1b_754.027Zu lieben riet mir Eros; p1b_754.009 Jch aber unbesonnen, p1b_754.010 Jch ließ mich nicht beraten. p1b_754.011 Schnell griff er nach dem Bogen, p1b_754.012 Und nach dem goldnen Köcher p1b_754.013 Und fordert mich zum Kampfe. p1b_754.014 Gleich warf ich um die Schultern p1b_754.015 Den Panzer wie Achilles, p1b_754.016 Und faßte Schild und Lanze, p1b_754.017 Und kämpfte gegen Eros. p1b_754.018 Er schoß; ich wich den Pfeilen ─ p1b_754.019 Bald war geleert der Köcher. p1b_754.020 Da zürnt er mir ─ ─ was thut er? p1b_754.021 Er schießt als Pfeil sich selber p1b_754.022 Mir in des Herzens Mitte, p1b_754.023 Und lähmet mir die Glieder. p1b_754.024 Wozu nun Schild und Lanze? p1b_754.025 Was kämpf' ich noch nach außen, p1b_754.026 Da Kampf im Jnnern tobet? (Anakreons Kampf mit Eros. 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S. 89.</p> <p><lb n="p1b_754.005"/> 15. <hi rendition="#aq">x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x</hi>.</p> <p> <lb n="p1b_754.006"/> <hi rendition="#g">Beispiel:</hi> </p> <lb n="p1b_754.007"/> <lg> <l>Jch will, ich will ja lieben!</l> <lb n="p1b_754.008"/> <l>Zu lieben riet mir Eros;</l> <lb n="p1b_754.009"/> <l>Jch aber unbesonnen,</l> <lb n="p1b_754.010"/> <l>Jch ließ mich nicht beraten.</l> <lb n="p1b_754.011"/> <l>Schnell griff er nach dem Bogen,</l> <lb n="p1b_754.012"/> <l>Und nach dem goldnen Köcher</l> <lb n="p1b_754.013"/> <l>Und fordert mich zum Kampfe.</l> <lb n="p1b_754.014"/> <l>Gleich warf ich um die Schultern</l> <lb n="p1b_754.015"/> <l>Den Panzer wie Achilles,</l> <lb n="p1b_754.016"/> <l>Und faßte Schild und Lanze,</l> <lb n="p1b_754.017"/> <l>Und kämpfte gegen Eros.</l> <lb n="p1b_754.018"/> <l>Er schoß; ich wich den Pfeilen ─</l> <lb n="p1b_754.019"/> <l>Bald war geleert der Köcher.</l> <lb n="p1b_754.020"/> <l>Da zürnt er mir ─ ─ was thut er?</l> <lb n="p1b_754.021"/> <l>Er schießt als Pfeil sich selber</l> <lb n="p1b_754.022"/> <l>Mir in des Herzens Mitte,</l> <lb n="p1b_754.023"/> <l>Und lähmet mir die Glieder.</l> <lb n="p1b_754.024"/> <l>Wozu nun Schild und Lanze?</l> <lb n="p1b_754.025"/> <l>Was kämpf' ich noch nach außen,</l> <lb n="p1b_754.026"/> <l>Da Kampf im Jnnern tobet?</l> </lg> <lb n="p1b_754.027"/> <p> <hi rendition="#right">(Anakreons Kampf mit Eros. 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Findet man schon verhältnismäßig wenige 15─20 <lb n="p1b_754.038"/> zeilige Strophen, so kommen überzwanzigzeilige Strophen in verschwindend <lb n="p1b_754.039"/> geringer Zahl vor. Meist sind es episch=lyrische Volksdichtungen <lb n="p1b_754.040"/> von geringerer stofflicher Ausdehnung, welche überzwanzigzeilig <lb n="p1b_754.041"/> sind, weil ihre Dichter die Kunst der Strophik nicht kannten. <lb n="p1b_754.042"/> Sie gaben ihre Dichtungen in Reimpaaren in einem Atemzuge, in <lb n="p1b_754.043"/> einer Strophe, die ─ bei Licht betrachtet ─ oft in 2 oder mehrere <lb n="p1b_754.044"/> minderzeilige Teile zerlegbar ist. Es ist gewissen Dichtern und dilettierenden <lb n="p1b_754.045"/> Reimern zu schwer, den Gedanken: d. i. das Material so </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [754/0788]
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14. a b a b d e f e g h i h k l m l n h i h.
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Beispiel: Trinkspruch beim Feste der Zwanglosen zu Ehren der Vermählung p1b_754.003
des Kronprinzen von Bayern (War wohl eine schöne Rebe &c.) von p1b_754.004
Kobell a. a. O. S. 89.
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15. x x x x x x x x x x x x x x x x x x x x.
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Beispiel:
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Jch will, ich will ja lieben! p1b_754.008
Zu lieben riet mir Eros; p1b_754.009
Jch aber unbesonnen, p1b_754.010
Jch ließ mich nicht beraten. p1b_754.011
Schnell griff er nach dem Bogen, p1b_754.012
Und nach dem goldnen Köcher p1b_754.013
Und fordert mich zum Kampfe. p1b_754.014
Gleich warf ich um die Schultern p1b_754.015
Den Panzer wie Achilles, p1b_754.016
Und faßte Schild und Lanze, p1b_754.017
Und kämpfte gegen Eros. p1b_754.018
Er schoß; ich wich den Pfeilen ─ p1b_754.019
Bald war geleert der Köcher. p1b_754.020
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Er schießt als Pfeil sich selber p1b_754.022
Mir in des Herzens Mitte, p1b_754.023
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Was kämpf' ich noch nach außen, p1b_754.026
Da Kampf im Jnnern tobet?
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(Anakreons Kampf mit Eros. Übers. v. Drexel.)
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§ 218. Überzwanzigzeilige Strophen. p1b_754.029
Je mehr Zeilen der Dichter für eine Strophe verwendet, desto p1b_754.030
größer wird für ihn die Schwierigkeit, diese Strophe als abgerundetes, p1b_754.031
gut verbundenes Teilganzes erscheinen zu lassen, desto eingehendere p1b_754.032
Kenntnis der strophischen Technik wird man von ihm verlangen müssen. p1b_754.033
Leider geht nachweislich so manchem unserer Dichter die Kenntnis von p1b_754.034
den Feinheiten und Gesetzen der Strophik vollständig ab, und dies ist p1b_754.035
wohl ein hauptsächlicher Grund, weshalb trotz der Kombinationsmöglichkeit p1b_754.036
mehrzeiliger Strophen mit Zunahme der Zeilenzahl ihre p1b_754.037
Häufigkeit abnimmt. Findet man schon verhältnismäßig wenige 15─20 p1b_754.038
zeilige Strophen, so kommen überzwanzigzeilige Strophen in verschwindend p1b_754.039
geringer Zahl vor. Meist sind es episch=lyrische Volksdichtungen p1b_754.040
von geringerer stofflicher Ausdehnung, welche überzwanzigzeilig p1b_754.041
sind, weil ihre Dichter die Kunst der Strophik nicht kannten. p1b_754.042
Sie gaben ihre Dichtungen in Reimpaaren in einem Atemzuge, in p1b_754.043
einer Strophe, die ─ bei Licht betrachtet ─ oft in 2 oder mehrere p1b_754.044
minderzeilige Teile zerlegbar ist. Es ist gewissen Dichtern und dilettierenden p1b_754.045
Reimern zu schwer, den Gedanken: d. i. das Material so
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