Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_142.001 p2b_142.008 p2b_142.011 p2b_142.015 p2b_142.031 p2b_142.033 a. An den Sturmwind, von Fr. Rückert. p2b_142.035 Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst, p2b_142.036 Brausend von Krone zu Krone entsteigst, p2b_142.037 Wandle, du stürmender, wandle nur fort, p2b_142.038 Reiß mir den stürmenden Busen mit fort. p2b_142.039
Wie das Gewölke, das donnernd entfliegt, p2b_142.040 Dir auf der brausenden Schwinge sich wiegt, p2b_142.041 Führe den Geist aus dem irdischen Haus p2b_142.042 Jn die Unendlichkeit stürmend hinaus. p2b_142.001 p2b_142.008 p2b_142.011 p2b_142.015 p2b_142.031 p2b_142.033 a. An den Sturmwind, von Fr. Rückert. p2b_142.035 Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst, p2b_142.036 Brausend von Krone zu Krone entsteigst, p2b_142.037 Wandle, du stürmender, wandle nur fort, p2b_142.038 Reiß mir den stürmenden Busen mit fort. p2b_142.039
Wie das Gewölke, das donnernd entfliegt, p2b_142.040 Dir auf der brausenden Schwinge sich wiegt, p2b_142.041 Führe den Geist aus dem irdischen Haus p2b_142.042 Jn die Unendlichkeit stürmend hinaus. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0164" n="142"/><lb n="p2b_142.001"/> die Sonne von Knebel; ebenso die Volkshymnen, Kriegshymnen, Kaiserhymnen, <lb n="p2b_142.002"/> Vaterlands-Hymnen, z. B. <hi rendition="#aq">God save the King</hi>; „Gott erhalte Franz den <lb n="p2b_142.003"/> Kaiser“ von Seidl; an Österreich von Anastasius Grün; an Bismarck von <lb n="p2b_142.004"/> Minckwitz, eine gewaltige Ode, welche an Umfang fast der 4. Pythischen Ode <lb n="p2b_142.005"/> des Pindar gleichkommt, 300 Zeilen in Strophe, Antistrophe und Epode umfaßt <lb n="p2b_142.006"/> und rhythmisch malt z. B. den Wachtelton: Vaterland, Vaterland, Vaterland, <lb n="p2b_142.007"/> u. s. w.)</p> <p><lb n="p2b_142.008"/> Auf den religiösen Charakter der Hymne, besonders in der hebräischen <lb n="p2b_142.009"/> Hymnenpoesie, hat zuerst Herder (Geist der hebräischen Poesie) hingewiesen. Die <lb n="p2b_142.010"/> Psalmen, besonders der 29te und 33te, sind in der That treffliche Hymnen.</p> <p><lb n="p2b_142.011"/> Bei den Griechen wurde Andacht und Bewunderung teils durch feierlich <lb n="p2b_142.012"/> stetigen Gesang des epischen Versmaßes (Homer, Kallimachos), teils durch den <lb n="p2b_142.013"/> feierlichen und zugleich bewegten, lyrischen Gesang ausgedrückt. (Pindar.) Der <lb n="p2b_142.014"/> Hymnus wurde bei festlichen Veranlassungen mit Musikbegleitung vorgetragen.</p> <p><lb n="p2b_142.015"/> Vom Gesang für die Gottheit löste sich das allgemeine Lied ab ─ als <lb n="p2b_142.016"/> Ode auf seinen Ursprung weisend ─, wovon freilich die leichten Lebe= und <lb n="p2b_142.017"/> Liebeslieder (die sog. Anakreontischen) ausgenommen sind. Die dem Bacchus <lb n="p2b_142.018"/> gewidmete Hymne wurde zum begeisterten Gesang gleichsam des Rausches und <lb n="p2b_142.019"/> hieß Dithyrambus (vgl. § 74), während der Sang zu Ehren Apolls: Päan <lb n="p2b_142.020"/> hieß. (<hi rendition="#aq">Päan</hi> ist zunächst Fremdwort. Es soll nämlich <hi rendition="#aq">Pa-iâon</hi> [Mann für <lb n="p2b_142.021"/> Krankheiten] ägyptisch sein. Bei Homer erscheint <foreign xml:lang="grc">Παιήων</foreign> als Götterarzt und <lb n="p2b_142.022"/> Stammvater der ägyptischen Ärzte (<hi rendition="#aq">Il. F</hi> 401 od. <hi rendition="#aq">J</hi> 232), daher schon dort <lb n="p2b_142.023"/> <hi rendition="#aq">Il. A</hi> 473 <foreign xml:lang="grc">παιήονα</foreign> auch als Lobgesang oder Dankgesang für Erlösung von der <lb n="p2b_142.024"/> Pest. Dann ebenso im Triumphgesang, mit Tutti oder Refrain <hi rendition="#aq">Il. X</hi> 391─94. <lb n="p2b_142.025"/> So wurde durch die Dorer besonders im Kulte des delphischen Apollon der <lb n="p2b_142.026"/> Paian Lob=, Dank- und Gebetslied [in der Not] an Apollo und Artemis, an <lb n="p2b_142.027"/> alle Schutzgötter. Eine kürzere Form ist der am Schluß des Gastmahls vor <lb n="p2b_142.028"/> dem Symposium gesungene. Durch kretischen Einfluß wurde der Päan auch <lb n="p2b_142.029"/> Angriffslied in der Schlacht; daher z. B. die Griechen bei <hi rendition="#g">Kunaxa</hi> unter Absingen <lb n="p2b_142.030"/> eines Päan den Angriff einleiteten. &c.)</p> <p><lb n="p2b_142.031"/> Die äußere Form der deutschen Hymne ist entweder liedartig oder antik <lb n="p2b_142.032"/> oder auch ganz frei.</p> <p> <lb n="p2b_142.033"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Hymne.</hi> </p> <lb n="p2b_142.034"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">An den Sturmwind, von Fr. Rückert.</hi></hi> </p> <lb n="p2b_142.035"/> <lg> <l> Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst,</l> <lb n="p2b_142.036"/> <l>Brausend von Krone zu Krone entsteigst,</l> <lb n="p2b_142.037"/> <l>Wandle, du stürmender, wandle nur fort,</l> <lb n="p2b_142.038"/> <l>Reiß mir den stürmenden Busen mit fort. </l> </lg> <lg> <lb n="p2b_142.039"/> <l> Wie das Gewölke, das donnernd entfliegt,</l> <lb n="p2b_142.040"/> <l>Dir auf der brausenden Schwinge sich wiegt,</l> <lb n="p2b_142.041"/> <l>Führe den Geist aus dem irdischen Haus</l> <lb n="p2b_142.042"/> <l>Jn die Unendlichkeit stürmend hinaus.</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [142/0164]
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die Sonne von Knebel; ebenso die Volkshymnen, Kriegshymnen, Kaiserhymnen, p2b_142.002
Vaterlands-Hymnen, z. B. God save the King; „Gott erhalte Franz den p2b_142.003
Kaiser“ von Seidl; an Österreich von Anastasius Grün; an Bismarck von p2b_142.004
Minckwitz, eine gewaltige Ode, welche an Umfang fast der 4. Pythischen Ode p2b_142.005
des Pindar gleichkommt, 300 Zeilen in Strophe, Antistrophe und Epode umfaßt p2b_142.006
und rhythmisch malt z. B. den Wachtelton: Vaterland, Vaterland, Vaterland, p2b_142.007
u. s. w.)
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Auf den religiösen Charakter der Hymne, besonders in der hebräischen p2b_142.009
Hymnenpoesie, hat zuerst Herder (Geist der hebräischen Poesie) hingewiesen. Die p2b_142.010
Psalmen, besonders der 29te und 33te, sind in der That treffliche Hymnen.
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Bei den Griechen wurde Andacht und Bewunderung teils durch feierlich p2b_142.012
stetigen Gesang des epischen Versmaßes (Homer, Kallimachos), teils durch den p2b_142.013
feierlichen und zugleich bewegten, lyrischen Gesang ausgedrückt. (Pindar.) Der p2b_142.014
Hymnus wurde bei festlichen Veranlassungen mit Musikbegleitung vorgetragen.
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Vom Gesang für die Gottheit löste sich das allgemeine Lied ab ─ als p2b_142.016
Ode auf seinen Ursprung weisend ─, wovon freilich die leichten Lebe= und p2b_142.017
Liebeslieder (die sog. Anakreontischen) ausgenommen sind. Die dem Bacchus p2b_142.018
gewidmete Hymne wurde zum begeisterten Gesang gleichsam des Rausches und p2b_142.019
hieß Dithyrambus (vgl. § 74), während der Sang zu Ehren Apolls: Päan p2b_142.020
hieß. (Päan ist zunächst Fremdwort. Es soll nämlich Pa-iâon [Mann für p2b_142.021
Krankheiten] ägyptisch sein. Bei Homer erscheint Παιήων als Götterarzt und p2b_142.022
Stammvater der ägyptischen Ärzte (Il. F 401 od. J 232), daher schon dort p2b_142.023
Il. A 473 παιήονα auch als Lobgesang oder Dankgesang für Erlösung von der p2b_142.024
Pest. Dann ebenso im Triumphgesang, mit Tutti oder Refrain Il. X 391─94. p2b_142.025
So wurde durch die Dorer besonders im Kulte des delphischen Apollon der p2b_142.026
Paian Lob=, Dank- und Gebetslied [in der Not] an Apollo und Artemis, an p2b_142.027
alle Schutzgötter. Eine kürzere Form ist der am Schluß des Gastmahls vor p2b_142.028
dem Symposium gesungene. Durch kretischen Einfluß wurde der Päan auch p2b_142.029
Angriffslied in der Schlacht; daher z. B. die Griechen bei Kunaxa unter Absingen p2b_142.030
eines Päan den Angriff einleiteten. &c.)
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Die äußere Form der deutschen Hymne ist entweder liedartig oder antik p2b_142.032
oder auch ganz frei.
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Beispiele der Hymne.
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a. An den Sturmwind, von Fr. Rückert.
p2b_142.035
Mächtiger, der du die Wipfel dir beugst, p2b_142.036
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Reiß mir den stürmenden Busen mit fort.
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Führe den Geist aus dem irdischen Haus p2b_142.042
Jn die Unendlichkeit stürmend hinaus.
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