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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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bestimmten Zeit und die dadurch bedingte geringere Bedeutung p2b_350.003
seines Helden.

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Der Dichter des Volksepos giebt dem Jahrhundert seinen Ab- und Ausdruck; p2b_350.005
er dichtet als Organ seines Volks aus dem Geiste des Jahrhunderts p2b_350.006
heraus; der Dichter des Romans malt zwar auch sein Jahrhundert, aber dieses p2b_350.007
reflektiert nur nebenbei aus der Beleuchtung seines der Phantasie entstammten p2b_350.008
oder geschichtlich zugestutzten Helden, der - wenn auch von ihm Weltbewegendes p2b_350.009
erzählt wird - doch nimmermehr das Überzeugende, Grandiose jener göttergleichen, p2b_350.010
sagenhaften oder geschichtlichen Helden des heroischen Epos haben kann.

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des Volksepos erhalten durch das Eingreifen der Götter (Göttermaschinerie) p2b_350.013
lebensvolle Wirklichkeit, während Wunderthaten moderner menschlicher Romanhelden p2b_350.014
höchstens die Bedeutung von Romantik, von Abenteuern &c. erlangen.

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e. Durch seine frei erfundenen Stoffe. Das Epos beansprucht p2b_350.016
einen in der Sage vorhandenen oder einen historischen Stoff. Nur die aus p2b_350.017
älteren Epopöen hervorgegangenen Romane, sowie einzelne ihrem Einfluß zuzuschreibende p2b_350.018
Originalromane früherer Zeit hatten sagenhaften Stoff. Der spätere p2b_350.019
Roman verließ das Stoffgebiet der Sage und des Wunderbaren und entlehnte p2b_350.020
seine Stoffe meist der Wirklichkeit und der Erfindung, welche sich an die Geschichte p2b_350.021
anlehnte, aus ihr schöpfte. Er nähert sich dem Epos, indem seine Personen p2b_350.022
und Begebenheiten die Lokalfärbung eines bestimmten Landes und einer p2b_350.023
gewissen Zeit an sich trugen (z. B. die der Kreuzzüge, des Faustrechts), oder p2b_350.024
indem die wesentlichen von der Phantasie erdachten Personen mit wirklichen p2b_350.025
geschichtlichen Personen verflochten wurden, wie dies in den halbhistorischen p2b_350.026
Romanen von Walter Scott und seiner Nachahmer der Fall ist. Je mehr der p2b_350.027
Roman stofflich den Lokalton seines Jahrhunderts zum Ausdruck bringt, je mehr p2b_350.028
er in seinen Figuren das Leben eines Volkes oder einzelner Klassen einer bestimmten p2b_350.029
Zeit malt, je mehr er zum Zeit- und Kulturbild wird, desto näher p2b_350.030
stellt er sich dem Epos, desto mehr wird er im edlen Sinn das Prosa-Epos p2b_350.031
unserer Zeit genannt zu werden verdienen.

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§ 128. Verhältnis des Romans zum Drama.

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1. Der Roman ist wie das Drama ein Kunstwerk; wenn auch p2b_350.034
in der Regel kein metrisches. Jm Hinblick auf seine Disposition und p2b_350.035
seine poetischen Formgesetze, auf seinen künstlerischen Auf- und Ausbau, p2b_350.036
auf seine berechnete Motivierung, auf seine verständnisvolle Jneinanderfügung p2b_350.037
der Begebenheiten, auf Schürzung und Entwickelung des Knotens p2b_350.038
und anderes ist er dem Drama eng verwandt. (Vgl. § 130.)

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2. Der Roman muß wie das Drama ein bestimmtes Maß in p2b_350.040
der Ausdehnung einhalten.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/372>, abgerufen am 22.11.2024.