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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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§ 164. Schauspiel (Drama).

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1. Schauspiel ist diejenige dramatische Dichtung, welche zwischen p2b_465.003
Tragödie und Komödie in der Mitte steht, indem sie zwar einen an p2b_465.004
die Tragödie erinnernden ernsten Charakter hat, dabei aber einen glücklichen, p2b_465.005
versöhnenden Ausgang nimmt. Der Held schafft sich sein Schicksal p2b_465.006
selbst; er verläßt entweder den zum Unglück führenden Weg, oder p2b_465.007
er besiegt die feindlichen Verhältnisse.

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2. Von der Tragödie unterscheidet sich das Schauspiel daher besonders p2b_465.009
durch den glücklichen Ausgang. (Vgl. Paul Heyses Schauspiel Elisabeth p2b_465.010
Charlotte, das bis zum Schluß den Charakter der Tragödie behält.)

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3. Schauspiele gab es schon im Altertum; man zählte sie jedoch p2b_465.012
zu den Tragödien.

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4. Die Franzosen nennen das Schauspiel Tragikomödie.

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5. Schauspiele waren die sog. Staats- und Hauptaktionen &c.

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1. Das Schauspiel (in der allgemeinen Bezeichnung das eigentliche p2b_465.016
Drama,
- bei Hans Sachs hieß es Spiel) schließt sich an die Tragödie p2b_465.017
an, weil es ebenfalls wie diese den Ernst des Lebens darstellt. Es bildet p2b_465.018
den Übergang zum Lustspiel (Komödie). Vom Trauerspiel unterscheidet es p2b_465.019
sich zunächst dadurch, daß der Held der interessanten Begebenheit nicht untergeht, p2b_465.020
sondern die Fähigkeit und den Charakter besitzt, seine zum Unglück führende p2b_465.021
Laufbahn zu ändern und seinem Untergang zu entgehen. Wenn seine That p2b_465.022
vielleicht sein Unglück bereitet, so geht diese wohl aus dem Drange der Verhältnisse p2b_465.023
hervor, aber nicht aus der inneren Notwendigkeit seines Charakters. p2b_465.024
Wo in der Tragödie die Notwendigkeit, das Verhängnis herrscht (wie in dem p2b_465.025
Lustspiel der Zufall und die Willkür der Jntrigue), da waltet im Schauspiel p2b_465.026
die Freiheit der Selbstbestimmung.

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2. Oft ist es nur der Schluß, der das Schauspiel von der Tragödie p2b_465.028
unterscheidet, der siegende Held im Gegensatz zum untergehenden. p2b_465.029
Jn diesem Falle verdient das Drama tragisch genannt zu werden; denn es p2b_465.030
stellt sich der endliche Sieg einer guten Sache als Werk der sittlichen Weltordnung p2b_465.031
dar, welche den Helden durch Leiden führt, in denen er als ein p2b_465.032
nicht schuldloses, vielmehr der Prüfung und Läuterung ausgesetztes Werkzeug p2b_465.033
derselben erscheint. Dieses tragische Drama ist daher gewissermaßen als Unterart p2b_465.034
der Tragödie aufzufassen. Goethes Tasso und seine Jphigenie, die der p2b_465.035
Dichter selbst Schauspiele nennt, könnten nach Stoff und Behandlung mit allem p2b_465.036
Recht als Tragödien bezeichnet werden; ebenso Schillers Räuber; Alex. Rosts p2b_465.037
Volksschauspiel Ludwig der Eiserne oder das Wundermädchen aus der Ruhl, p2b_465.038
besonders aber das erwähnte Schauspiel von Heyse: Elisabeth Charlotte u. a. Jm p2b_465.039
Schauspiel geht der Held als Sieger aus dem Kampfe hervor, nicht wie in der p2b_465.040
Tragödie als gebrochen, in demütiger Ergebung ausgesöhnt. Er hat die Macht p2b_465.041
gehabt, die widrigen Verhältnisse zu bekämpfen. Auch war sein Kampf nicht, wie p2b_465.042
in der Tragödie dies der Fall ist, ein Kampf gegen ewige Gesetze des Rechts

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3. Schauspiele gab es schon im Altertum; man zählte sie jedoch p2b_465.012
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1. Das Schauspiel (in der allgemeinen Bezeichnung das eigentliche p2b_465.016
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─ bei Hans Sachs hieß es Spiel) schließt sich an die Tragödie p2b_465.017
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/487>, abgerufen am 22.11.2024.