Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_151.001 § 61. Geselliges Gedicht. p3b_151.002 p3b_151.005 p3b_151.009 Stoff. Dein Wiegenfest ist zur Abschiedsfeier geworden. || Witz und p3b_151.011 p3b_151.025 p3b_151.028 p3b_151.029 p3b_151.031 p3b_151.034 Lösung. Von E. v. Houwald. p3b_151.037Dein Wiegenfest, das wir so oft besungen, p3b_151.038
Das wir, von Wonn' und Ahnungen durchdrungen, p3b_151.039 Verjubelt oft, verträumt, verlacht, verweint, p3b_151.040 Ruft heute mich zu deiner Abschiedsfeier, p3b_151.041 Und stimmt die kleine, fast bestaubte Leier p3b_151.042 Noch einmal dir, du mein geliebter Freund. p3b_151.001 § 61. Geselliges Gedicht. p3b_151.002 p3b_151.005 p3b_151.009 Stoff. Dein Wiegenfest ist zur Abschiedsfeier geworden. ‖ Witz und p3b_151.011 p3b_151.025 p3b_151.028 p3b_151.029 p3b_151.031 p3b_151.034 Lösung. Von E. v. Houwald. p3b_151.037Dein Wiegenfest, das wir so oft besungen, p3b_151.038
Das wir, von Wonn' und Ahnungen durchdrungen, p3b_151.039 Verjubelt oft, verträumt, verlacht, verweint, p3b_151.040 Ruft heute mich zu deiner Abschiedsfeier, p3b_151.041 Und stimmt die kleine, fast bestaubte Leier p3b_151.042 Noch einmal dir, du mein geliebter Freund. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0177" n="151"/> </div> <div n="3"> <lb n="p3b_151.001"/> <head> <hi rendition="#c">§ 61. Geselliges Gedicht.</hi> </head> <p><lb n="p3b_151.002"/><hi rendition="#g">Aufgabe</hi> 1. <hi rendition="#g">Zum Geburtstage eines scheidenden Freundes <lb n="p3b_151.003"/> ist ein Gedicht zu bilden, das zugleich Abschiedsgedicht <lb n="p3b_151.004"/> wird.</hi></p> <p><lb n="p3b_151.005"/> 1. <hi rendition="#g">Disposition.</hi> Das Festlied ist zum Abschiedsgesang geworden. Die <lb n="p3b_151.006"/> heimgegangenen Gestalten fragen, was dich aus unserer Mitte vertreibt. So <lb n="p3b_151.007"/> möchte auch ich fragen. Wenn du einstens zurückkehren wirst, so findest du bei <lb n="p3b_151.008"/> mir das alte Herz.</p> <p><lb n="p3b_151.009"/> 2. Diese Gedanken lassen sich folgendermaßen erweitern:</p> <lb n="p3b_151.010"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Stoff.</hi> Dein Wiegenfest ist zur Abschiedsfeier geworden. ‖ Witz und <lb n="p3b_151.011"/> Laune vermag ich heute nicht zu bieten, so nimm mit einem Abschiedslied <lb n="p3b_151.012"/> vorlieb. ‖ Nicht will ich in deine Zukunft blicken, vor der <lb n="p3b_151.013"/> mir bangt, da du dich dem Weltengewühle zuwendest; aber ich will <lb n="p3b_151.014"/> der schönen, entflohenen Stunden gedenken, die mich deinem Herzen <lb n="p3b_151.015"/> verbanden. ‖ Es nahen dir die freundlichen, längst heimgegangenen <lb n="p3b_151.016"/> Gestalten, um dich noch einmal zu grüßen. ‖ Und die Geister vergangener <lb n="p3b_151.017"/> Tage möchten dich fragen, wie du so kühn sein konntest, <lb n="p3b_151.018"/> so viel Teueres zurück zu lassen und Ungewissem nachzujagen. ‖ <lb n="p3b_151.019"/> Auch mein Herz möchte diese Frage stellen, ohne deine Antwort zu <lb n="p3b_151.020"/> erwarten, die ich in deinen Augen lese. Denn nie wirst du den <lb n="p3b_151.021"/> Wiegentag wieder in so deutscher Weise im Bruder- und Freundeskreise <lb n="p3b_151.022"/> feiern. ‖ Vielleicht suchst du dereinst wieder den Frieden des <lb n="p3b_151.023"/> stillen Lebensabends auf; wenn du dann zu uns zurückkehren wirst, <lb n="p3b_151.024"/> so findest du auch noch beim Greise das alte Freundesherz.</hi> </p> <p><lb n="p3b_151.025"/> 3. Für diesen, das ununterbrochen fortquellende Gefühlsleben zum Ausdruck <lb n="p3b_151.026"/> bringenden Stoff eignet sich wegen seines lyrischen, ruhelosen Bewegtseins <lb n="p3b_151.027"/> jambischer Rhythmus.</p> <p><lb n="p3b_151.028"/> 4. Die längeren Stoffgruppen deuten auf Quinare.</p> <p><lb n="p3b_151.029"/> 5. Der Stoff zerfällt in 7 Gruppen, deren poetische Behandlung ein <lb n="p3b_151.030"/> siebenstrophiges Gedicht beansprucht.</p> <p><lb n="p3b_151.031"/> 6. Da der Stoff der Einzelgruppe für die Oktave nicht zureichend ist, <lb n="p3b_151.032"/> so empfehlen wir sechszeilige Strophen, die durch geschickte Reimverschlingung <lb n="p3b_151.033"/> gegen das Auseinanderfallen in 2 Dreizeilen zu sichern sind.</p> <p><lb n="p3b_151.034"/> 7. Das empfehlenswerteste Reimmuster ist das bekannte Reimschema von <lb n="p3b_151.035"/> Schillers Polykratesstrophe (<hi rendition="#aq">a a b c c b</hi> vgl. <hi rendition="#aq">I</hi>, 657 dieser Poetik).</p> <lb n="p3b_151.036"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Lösung. Von</hi> E. v. <hi rendition="#g">Houwald.</hi></hi> </p> <lb n="p3b_151.037"/> <lg> <l>Dein Wiegenfest, das wir so oft besungen,</l> <lb n="p3b_151.038"/> <l>Das wir, von Wonn' und Ahnungen durchdrungen,</l> <lb n="p3b_151.039"/> <l>Verjubelt oft, verträumt, verlacht, verweint,</l> <lb n="p3b_151.040"/> <l>Ruft heute mich zu deiner Abschiedsfeier,</l> <lb n="p3b_151.041"/> <l>Und stimmt die kleine, fast bestaubte Leier</l> <lb n="p3b_151.042"/> <l>Noch einmal dir, du mein geliebter Freund.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [151/0177]
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§ 61. Geselliges Gedicht. p3b_151.002
Aufgabe 1. Zum Geburtstage eines scheidenden Freundes p3b_151.003
ist ein Gedicht zu bilden, das zugleich Abschiedsgedicht p3b_151.004
wird.
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1. Disposition. Das Festlied ist zum Abschiedsgesang geworden. Die p3b_151.006
heimgegangenen Gestalten fragen, was dich aus unserer Mitte vertreibt. So p3b_151.007
möchte auch ich fragen. Wenn du einstens zurückkehren wirst, so findest du bei p3b_151.008
mir das alte Herz.
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2. Diese Gedanken lassen sich folgendermaßen erweitern:
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Stoff. Dein Wiegenfest ist zur Abschiedsfeier geworden. ‖ Witz und p3b_151.011
Laune vermag ich heute nicht zu bieten, so nimm mit einem Abschiedslied p3b_151.012
vorlieb. ‖ Nicht will ich in deine Zukunft blicken, vor der p3b_151.013
mir bangt, da du dich dem Weltengewühle zuwendest; aber ich will p3b_151.014
der schönen, entflohenen Stunden gedenken, die mich deinem Herzen p3b_151.015
verbanden. ‖ Es nahen dir die freundlichen, längst heimgegangenen p3b_151.016
Gestalten, um dich noch einmal zu grüßen. ‖ Und die Geister vergangener p3b_151.017
Tage möchten dich fragen, wie du so kühn sein konntest, p3b_151.018
so viel Teueres zurück zu lassen und Ungewissem nachzujagen. ‖ p3b_151.019
Auch mein Herz möchte diese Frage stellen, ohne deine Antwort zu p3b_151.020
erwarten, die ich in deinen Augen lese. Denn nie wirst du den p3b_151.021
Wiegentag wieder in so deutscher Weise im Bruder- und Freundeskreise p3b_151.022
feiern. ‖ Vielleicht suchst du dereinst wieder den Frieden des p3b_151.023
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so findest du auch noch beim Greise das alte Freundesherz.
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3. Für diesen, das ununterbrochen fortquellende Gefühlsleben zum Ausdruck p3b_151.026
bringenden Stoff eignet sich wegen seines lyrischen, ruhelosen Bewegtseins p3b_151.027
jambischer Rhythmus.
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4. Die längeren Stoffgruppen deuten auf Quinare.
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5. Der Stoff zerfällt in 7 Gruppen, deren poetische Behandlung ein p3b_151.030
siebenstrophiges Gedicht beansprucht.
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6. Da der Stoff der Einzelgruppe für die Oktave nicht zureichend ist, p3b_151.032
so empfehlen wir sechszeilige Strophen, die durch geschickte Reimverschlingung p3b_151.033
gegen das Auseinanderfallen in 2 Dreizeilen zu sichern sind.
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7. Das empfehlenswerteste Reimmuster ist das bekannte Reimschema von p3b_151.035
Schillers Polykratesstrophe (a a b c c b vgl. I, 657 dieser Poetik).
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Lösung. Von E. v. Houwald.
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Dein Wiegenfest, das wir so oft besungen, p3b_151.038
Das wir, von Wonn' und Ahnungen durchdrungen, p3b_151.039
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Noch einmal dir, du mein geliebter Freund.
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