Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884.p3b_159.001 Aus der Liebe reichem Bronnen p3b_159.002 Quellen Blumen, Sterne, Sonnen, p3b_159.003 Alle Güter, alle Wonnen, p3b_159.004 Namenlos und unbewußt. p3b_159.005 Kann ich je zu singen wagen, p3b_159.006 Was ich kaum vermag zu tragen? p3b_159.007 Doch das Wort kann es nicht sagen, p3b_159.008 Herzensschlag nur, Brust an Brust! p3b_159.009 § 65. Elegie. p3b_159.010 p3b_159.012 p3b_159.016 Stoff. Alles, was dir mein Herz bieten kann, ist ein Händedruck p3b_159.018 p3b_159.023 p3b_159.025 p3b_159.027 Lösung. Von Th. Souchay. p3b_159.030Ein Händedruck, ein Kranz - das ist ja alles, p3b_159.031
Was heute dir, o Freund, mein Herze bringt p3b_159.032 Und bringen kann! - Sie schlummre sanft, die Gute, p3b_159.033 Die dich so treu geliebt, dich und die deinen! p3b_159.034 Die einst dein alles, deiner Kinder Mutter, p3b_159.035 Man trägt sie heut aus deinem Dichterheim p3b_159.036 Dorthin, wo der Erinnrung stille Zeugen p3b_159.037 Jn feierlicher Andacht schweigend stehn. p3b_159.038 Aus deinem Fenster wird dein Liebesblick p3b_159.039 Oft thränenfeucht auf ihrem Hügel ruhn, p3b_159.040 Dann sei dein Trost des schönsten Glücks Gedenken p3b_159.001 Aus der Liebe reichem Bronnen p3b_159.002 Quellen Blumen, Sterne, Sonnen, p3b_159.003 Alle Güter, alle Wonnen, p3b_159.004 Namenlos und unbewußt. p3b_159.005 Kann ich je zu singen wagen, p3b_159.006 Was ich kaum vermag zu tragen? p3b_159.007 Doch das Wort kann es nicht sagen, p3b_159.008 Herzensschlag nur, Brust an Brust! p3b_159.009 § 65. Elegie. p3b_159.010 p3b_159.012 p3b_159.016 Stoff. Alles, was dir mein Herz bieten kann, ist ein Händedruck p3b_159.018 p3b_159.023 p3b_159.025 p3b_159.027 Lösung. Von Th. Souchay. p3b_159.030Ein Händedruck, ein Kranz ─ das ist ja alles, p3b_159.031
Was heute dir, o Freund, mein Herze bringt p3b_159.032 Und bringen kann! ─ Sie schlummre sanft, die Gute, p3b_159.033 Die dich so treu geliebt, dich und die deinen! p3b_159.034 Die einst dein alles, deiner Kinder Mutter, p3b_159.035 Man trägt sie heut aus deinem Dichterheim p3b_159.036 Dorthin, wo der Erinnrung stille Zeugen p3b_159.037 Jn feierlicher Andacht schweigend stehn. p3b_159.038 Aus deinem Fenster wird dein Liebesblick p3b_159.039 Oft thränenfeucht auf ihrem Hügel ruhn, p3b_159.040 Dann sei dein Trost des schönsten Glücks Gedenken <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0185" n="159"/> <lb n="p3b_159.001"/> <lg> <l>Aus der Liebe reichem Bronnen</l> <lb n="p3b_159.002"/> <l>Quellen Blumen, Sterne, Sonnen,</l> <lb n="p3b_159.003"/> <l>Alle Güter, alle Wonnen,</l> <lb n="p3b_159.004"/> <l>Namenlos und unbewußt.</l> <lb n="p3b_159.005"/> <l>Kann ich je zu singen wagen,</l> <lb n="p3b_159.006"/> <l>Was ich kaum vermag zu tragen?</l> <lb n="p3b_159.007"/> <l>Doch das Wort kann es nicht sagen,</l> <lb n="p3b_159.008"/> <l>Herzensschlag nur, Brust an Brust!</l> </lg> </div> <div n="3"> <lb n="p3b_159.009"/> <head> <hi rendition="#c">§ 65. Elegie.</hi> </head> <p> <lb n="p3b_159.010"/> <hi rendition="#g">Aufgabe. Ein Trostgedicht an einen Freund, dem die Gattin <lb n="p3b_159.011"/> starb, ist zu bilden.</hi> </p> <p><lb n="p3b_159.012"/> 1. <hi rendition="#g">Disposition.</hi> Nichts als einen Händedruck und einen Kranz kann <lb n="p3b_159.013"/> dir der Freund bieten. Gönne der Gattin die Ruhe, wenn auch dein Blick <lb n="p3b_159.014"/> sie oft suchen wird. Möge die Erinnerung Trost, die allbesiegende Zeit Linderung <lb n="p3b_159.015"/> verleihen.</p> <p><lb n="p3b_159.016"/> 2. Diese Gedanken lassen sich folgendermaßen erweitern.</p> <lb n="p3b_159.017"/> <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Stoff.</hi> Alles, was dir mein Herz bieten kann, ist ein Händedruck <lb n="p3b_159.018"/> und ein Kranz. Möge die Gattin, die dich und die deinen so treu <lb n="p3b_159.019"/> geliebt, sanft ruhen. Nun trägt man sie dorthin, wo die stummen <lb n="p3b_159.020"/> Zeugen der Erinnerung stehen. Dein Blick wird noch oft auf ihrem <lb n="p3b_159.021"/> Hügel ruhn. Möge dir die Erinnerung Trost bringen, bis die allbesiegende <lb n="p3b_159.022"/> Zeit deinem Herzen Linderung gewähren wird.</hi> </p> <p><lb n="p3b_159.023"/> 3. Für diesen innigen, fortdrängenden Stoff eignet sich der jambische <lb n="p3b_159.024"/> Quinar, der auch reimlos sein kann.</p> <p><lb n="p3b_159.025"/> 4. Wenn er reimlos ist, so dürfte sich empfehlen, die Verse abwechselnd <lb n="p3b_159.026"/> männlich und weiblich zu schließen, wodurch sich der Rhythmus belebt.</p> <p><lb n="p3b_159.027"/> 5. Auch möge hie und da die Jncision durch eine syntaktische Pause <lb n="p3b_159.028"/> markiert werden.</p> <lb n="p3b_159.029"/> <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Lösung. Von Th. Souchay.</hi> </hi> </p> <lb n="p3b_159.030"/> <lg> <l>Ein Händedruck, ein Kranz ─ das ist ja alles,</l> <lb n="p3b_159.031"/> <l>Was heute dir, o Freund, mein Herze bringt</l> <lb n="p3b_159.032"/> <l>Und bringen <hi rendition="#g">kann!</hi> ─ Sie schlummre sanft, die Gute,</l> <lb n="p3b_159.033"/> <l>Die dich so treu geliebt, dich und die deinen!</l> <lb n="p3b_159.034"/> <l>Die einst dein alles, deiner Kinder Mutter,</l> <lb n="p3b_159.035"/> <l>Man trägt sie heut aus deinem Dichterheim</l> <lb n="p3b_159.036"/> <l>Dorthin, wo der Erinnrung stille Zeugen</l> <lb n="p3b_159.037"/> <l>Jn feierlicher Andacht schweigend stehn.</l> <lb n="p3b_159.038"/> <l>Aus deinem Fenster wird dein Liebesblick</l> <lb n="p3b_159.039"/> <l>Oft thränenfeucht auf ihrem Hügel ruhn,</l> <lb n="p3b_159.040"/> <l>Dann sei dein Trost des schönsten Glücks Gedenken</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [159/0185]
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Doch das Wort kann es nicht sagen, p3b_159.008
Herzensschlag nur, Brust an Brust!
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§ 65. Elegie. p3b_159.010
Aufgabe. Ein Trostgedicht an einen Freund, dem die Gattin p3b_159.011
starb, ist zu bilden.
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1. Disposition. Nichts als einen Händedruck und einen Kranz kann p3b_159.013
dir der Freund bieten. Gönne der Gattin die Ruhe, wenn auch dein Blick p3b_159.014
sie oft suchen wird. Möge die Erinnerung Trost, die allbesiegende Zeit Linderung p3b_159.015
verleihen.
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2. Diese Gedanken lassen sich folgendermaßen erweitern.
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Stoff. Alles, was dir mein Herz bieten kann, ist ein Händedruck p3b_159.018
und ein Kranz. Möge die Gattin, die dich und die deinen so treu p3b_159.019
geliebt, sanft ruhen. Nun trägt man sie dorthin, wo die stummen p3b_159.020
Zeugen der Erinnerung stehen. Dein Blick wird noch oft auf ihrem p3b_159.021
Hügel ruhn. Möge dir die Erinnerung Trost bringen, bis die allbesiegende p3b_159.022
Zeit deinem Herzen Linderung gewähren wird.
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3. Für diesen innigen, fortdrängenden Stoff eignet sich der jambische p3b_159.024
Quinar, der auch reimlos sein kann.
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4. Wenn er reimlos ist, so dürfte sich empfehlen, die Verse abwechselnd p3b_159.026
männlich und weiblich zu schließen, wodurch sich der Rhythmus belebt.
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5. Auch möge hie und da die Jncision durch eine syntaktische Pause p3b_159.028
markiert werden.
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Lösung. Von Th. Souchay.
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Ein Händedruck, ein Kranz ─ das ist ja alles, p3b_159.031
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Dritter Band. Stuttgart, 1884, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik03_1884/185>, abgerufen am 16.02.2025. |