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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, drittes Kapitel.
verwachsenen Antiquar, der in einem Durchgange
von der Petersstraße zum Neumarkt seine Bude
hatte.

Herr Wopf war ein wunderlicher alter Bursche,
ausgestattet mit einer sehr schönen Meerschaum¬
pfeife, einer sehr großen, üppigen und noch jungen
Gattin und einer eminenten Rundschrift, mit der
er die Neuerwerbungen seines Lagers in gewaltig
großen Zügen auf Pappendeckel schrieb, die wie die
Ahnentafeln vor chinesischen Tempeln rechts und
links seiner Ladenthüre standen. Außerdem besaß
er noch eine verworrene Menge von Literatur¬
kenntnissen und eine erstaunlich tremolierende
Stimme, mit der er Passagen aus seinen Büchern
vorlas, um diese seinen Kunden begehrenswert
erscheinen zu lassen. Wegen dieser Gabe des
rollenden Rezitierens nannten ihn Stilpe und
Girlinger den Deklamator.

Stilpe liebte ihn direkt und sah in ihm den
Helden seines ersten Dramas. In wiefern Herr
Wopf den Anforderungen an einen dramatischen
Helden entsprach, das war ihm freilich unklar, ging
ihm aber auch nicht nahe. Sicher war nur, daß
die üppig blühende Gattin, die früher scheuern
gegangen war, die Rolle der Ehebrecherin haben

Zweites Buch, drittes Kapitel.
verwachſenen Antiquar, der in einem Durchgange
von der Petersſtraße zum Neumarkt ſeine Bude
hatte.

Herr Wopf war ein wunderlicher alter Burſche,
ausgeſtattet mit einer ſehr ſchönen Meerſchaum¬
pfeife, einer ſehr großen, üppigen und noch jungen
Gattin und einer eminenten Rundſchrift, mit der
er die Neuerwerbungen ſeines Lagers in gewaltig
großen Zügen auf Pappendeckel ſchrieb, die wie die
Ahnentafeln vor chineſiſchen Tempeln rechts und
links ſeiner Ladenthüre ſtanden. Außerdem beſaß
er noch eine verworrene Menge von Literatur¬
kenntniſſen und eine erſtaunlich tremolierende
Stimme, mit der er Paſſagen aus ſeinen Büchern
vorlas, um dieſe ſeinen Kunden begehrenswert
erſcheinen zu laſſen. Wegen dieſer Gabe des
rollenden Rezitierens nannten ihn Stilpe und
Girlinger den Deklamator.

Stilpe liebte ihn direkt und ſah in ihm den
Helden ſeines erſten Dramas. In wiefern Herr
Wopf den Anforderungen an einen dramatiſchen
Helden entſprach, das war ihm freilich unklar, ging
ihm aber auch nicht nahe. Sicher war nur, daß
die üppig blühende Gattin, die früher ſcheuern
gegangen war, die Rolle der Ehebrecherin haben

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[111/0125] Zweites Buch, drittes Kapitel. verwachſenen Antiquar, der in einem Durchgange von der Petersſtraße zum Neumarkt ſeine Bude hatte. Herr Wopf war ein wunderlicher alter Burſche, ausgeſtattet mit einer ſehr ſchönen Meerſchaum¬ pfeife, einer ſehr großen, üppigen und noch jungen Gattin und einer eminenten Rundſchrift, mit der er die Neuerwerbungen ſeines Lagers in gewaltig großen Zügen auf Pappendeckel ſchrieb, die wie die Ahnentafeln vor chineſiſchen Tempeln rechts und links ſeiner Ladenthüre ſtanden. Außerdem beſaß er noch eine verworrene Menge von Literatur¬ kenntniſſen und eine erſtaunlich tremolierende Stimme, mit der er Paſſagen aus ſeinen Büchern vorlas, um dieſe ſeinen Kunden begehrenswert erſcheinen zu laſſen. Wegen dieſer Gabe des rollenden Rezitierens nannten ihn Stilpe und Girlinger den Deklamator. Stilpe liebte ihn direkt und ſah in ihm den Helden ſeines erſten Dramas. In wiefern Herr Wopf den Anforderungen an einen dramatiſchen Helden entſprach, das war ihm freilich unklar, ging ihm aber auch nicht nahe. Sicher war nur, daß die üppig blühende Gattin, die früher ſcheuern gegangen war, die Rolle der Ehebrecherin haben

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/125>, abgerufen am 18.12.2024.