Und nun erzählte er ihr, schluchzend und un¬ fähig, seine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er vorhatte, Alles, was ihm geschehen war, Alles, was ihn drückte.
Das machte weniger Eindruck auf sie. Sie verstand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬ griff sie.
-- Fahr hin, wo Du willst, wenn Du nicht mehr in die Schule gehn magst. Sie erwischen Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmst Du nicht mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottseidank, daß Du zu mir gekommen bist! Denke blos: Später! Wenn Dus gefühlt hättest, was Du gethan hast . . .
Herr du mein Gott, so ein Unglück! Du wärst ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß, was Du noch Alles angerichtet hättest! Mord und Todschlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere Bengel nicht gekommen ist. Sonst hätt ich Dich nicht hier.
Es beleidigte ihn gar nicht, daß sie ihn so in aller Deutlichkeit als Junge etc. traktierte. Er war vollkommen mürbe.
Nach langen Beratungen kamen sie schließlich überein, daß er die Nacht noch hierbleiben sollte (denn er fühlte sich nun unfähig zu jedem anderen
Stilpe.
Und nun erzählte er ihr, ſchluchzend und un¬ fähig, ſeine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er vorhatte, Alles, was ihm geſchehen war, Alles, was ihn drückte.
Das machte weniger Eindruck auf ſie. Sie verſtand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬ griff ſie.
— Fahr hin, wo Du willſt, wenn Du nicht mehr in die Schule gehn magſt. Sie erwiſchen Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmſt Du nicht mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottſeidank, daß Du zu mir gekommen biſt! Denke blos: Später! Wenn Dus gefühlt hätteſt, was Du gethan haſt . . .
Herr du mein Gott, ſo ein Unglück! Du wärſt ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß, was Du noch Alles angerichtet hätteſt! Mord und Todſchlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere Bengel nicht gekommen iſt. Sonſt hätt ich Dich nicht hier.
Es beleidigte ihn gar nicht, daß ſie ihn ſo in aller Deutlichkeit als Junge ꝛc. traktierte. Er war vollkommen mürbe.
Nach langen Beratungen kamen ſie ſchließlich überein, daß er die Nacht noch hierbleiben ſollte (denn er fühlte ſich nun unfähig zu jedem anderen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0174"n="160"/><fwplace="top"type="header">Stilpe.<lb/></fw><p>Und nun erzählte er ihr, ſchluchzend und un¬<lb/>
fähig, ſeine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er<lb/>
vorhatte, Alles, was ihm geſchehen war, Alles, was<lb/>
ihn drückte.</p><lb/><p>Das machte weniger Eindruck auf ſie. Sie<lb/>
verſtand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬<lb/>
griff ſie.</p><lb/><p>— Fahr hin, wo Du willſt, wenn Du nicht<lb/>
mehr in die Schule gehn magſt. Sie erwiſchen<lb/>
Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmſt Du nicht<lb/>
mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottſeidank, daß<lb/>
Du zu mir gekommen biſt! Denke blos: Später!<lb/>
Wenn Dus gefühlt hätteſt, was Du gethan haſt . . .</p><lb/><p>Herr du mein Gott, ſo ein Unglück! Du<lb/>
wärſt ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß,<lb/>
was Du noch Alles angerichtet hätteſt! Mord und<lb/>
Todſchlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere<lb/>
Bengel nicht gekommen iſt. Sonſt hätt ich Dich<lb/>
nicht hier.</p><lb/><p>Es beleidigte ihn gar nicht, daß ſie ihn ſo in<lb/>
aller Deutlichkeit als Junge ꝛc. traktierte. Er war<lb/>
vollkommen mürbe.</p><lb/><p>Nach langen Beratungen kamen ſie ſchließlich<lb/>
überein, daß er die Nacht noch hierbleiben ſollte<lb/>
(denn er fühlte ſich nun unfähig zu jedem anderen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[160/0174]
Stilpe.
Und nun erzählte er ihr, ſchluchzend und un¬
fähig, ſeine Thränen zurückzuhalten, Alles, was er
vorhatte, Alles, was ihm geſchehen war, Alles, was
ihn drückte.
Das machte weniger Eindruck auf ſie. Sie
verſtand es nur unklar, aber das Davonlaufen be¬
griff ſie.
— Fahr hin, wo Du willſt, wenn Du nicht
mehr in die Schule gehn magſt. Sie erwiſchen
Dich doch bald. Aber das Zeug da nimmſt Du nicht
mit . . . Nein . . . So ein Junge! Gottſeidank, daß
Du zu mir gekommen biſt! Denke blos: Später!
Wenn Dus gefühlt hätteſt, was Du gethan haſt . . .
Herr du mein Gott, ſo ein Unglück! Du
wärſt ja ein Lump geworden, Junge! Gott weiß,
was Du noch Alles angerichtet hätteſt! Mord und
Todſchlag! Wahrhaftig ein Glück, daß der andere
Bengel nicht gekommen iſt. Sonſt hätt ich Dich
nicht hier.
Es beleidigte ihn gar nicht, daß ſie ihn ſo in
aller Deutlichkeit als Junge ꝛc. traktierte. Er war
vollkommen mürbe.
Nach langen Beratungen kamen ſie ſchließlich
überein, daß er die Nacht noch hierbleiben ſollte
(denn er fühlte ſich nun unfähig zu jedem anderen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/174>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.