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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Zweites Buch, sechstes Kapitel.

Hei, wie da Stilpe ins Zeug ging! Er war
ganz Hofpoet, ganz Harmonie, ganz "Welt¬
auge". Ohne es sich merken zu lassen, natürlich,
identifizierte er sich während der fünf Stunden, da
er seine Perioden baute, völlig mit Goethe und
endete mit einem feierlichen Panegyrikus auf Karl
August, der gleichfalls "aus Sturm und Drang
emporgedieh zur fürstlichen Ruhe schönheitbeschir¬
mender Macht".

So gut hatte er den königlichen Kommissarius
verstanden.

Auch im mündlichen Examen ging Alles vor¬
trefflich, und das Ende war, daß Stilpe mit
Note 2 b das Zeugnis der Reife zum Universitäts¬
studium erhielt.


Eine große Cenaclefeier schloß sich der Ver¬
kündigung der Examenergebnisse an.

Man trank lediglich deutschen Schaumwein,
und Stilpe verwahrte sich gegen alle literarischen
Gespräche. Dafür wurde lebhaft darüber debattiert,
ob ein Cenaclier in ein Corps oder in eine Burschen¬
schaft einspringen müsse. Man kam aber zu keinem

Zweites Buch, ſechſtes Kapitel.

Hei, wie da Stilpe ins Zeug ging! Er war
ganz Hofpoet, ganz Harmonie, ganz „Welt¬
auge“. Ohne es ſich merken zu laſſen, natürlich,
identifizierte er ſich während der fünf Stunden, da
er ſeine Perioden baute, völlig mit Goethe und
endete mit einem feierlichen Panegyrikus auf Karl
Auguſt, der gleichfalls „aus Sturm und Drang
emporgedieh zur fürſtlichen Ruhe ſchönheitbeſchir¬
mender Macht“.

So gut hatte er den königlichen Kommiſſarius
verſtanden.

Auch im mündlichen Examen ging Alles vor¬
trefflich, und das Ende war, daß Stilpe mit
Note 2 b das Zeugnis der Reife zum Univerſitäts¬
ſtudium erhielt.


Eine große Cénaclefeier ſchloß ſich der Ver¬
kündigung der Examenergebniſſe an.

Man trank lediglich deutſchen Schaumwein,
und Stilpe verwahrte ſich gegen alle literariſchen
Geſpräche. Dafür wurde lebhaft darüber debattiert,
ob ein Cénaclier in ein Corps oder in eine Burſchen¬
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[203/0217] Zweites Buch, ſechſtes Kapitel. Hei, wie da Stilpe ins Zeug ging! Er war ganz Hofpoet, ganz Harmonie, ganz „Welt¬ auge“. Ohne es ſich merken zu laſſen, natürlich, identifizierte er ſich während der fünf Stunden, da er ſeine Perioden baute, völlig mit Goethe und endete mit einem feierlichen Panegyrikus auf Karl Auguſt, der gleichfalls „aus Sturm und Drang emporgedieh zur fürſtlichen Ruhe ſchönheitbeſchir¬ mender Macht“. So gut hatte er den königlichen Kommiſſarius verſtanden. Auch im mündlichen Examen ging Alles vor¬ trefflich, und das Ende war, daß Stilpe mit Note 2 b das Zeugnis der Reife zum Univerſitäts¬ ſtudium erhielt. Eine große Cénaclefeier ſchloß ſich der Ver¬ kündigung der Examenergebniſſe an. Man trank lediglich deutſchen Schaumwein, und Stilpe verwahrte ſich gegen alle literariſchen Geſpräche. Dafür wurde lebhaft darüber debattiert, ob ein Cénaclier in ein Corps oder in eine Burſchen¬ ſchaft einſpringen müſſe. Man kam aber zu keinem

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/217>, abgerufen am 22.11.2024.