Milieus für seine zukünftige künstlerische Ver¬ wertung, denn: Wie sollte er einmal den deutschen Studenten darstellen, wenn er nicht auch diese Spezies studiert hatte?
So rechtfertigte er, der nicht gerne etwas be¬ reute, aber noch weniger gerne etwas unterließ, was ihm lustig dünkte, vor sich selber den improvisierten Schritt, und er legte sich damit auch gleich die Sätze zurecht, mit denen er den Cenacliers ent¬ gegentreten wollte, wenn sie ihm mit den Ein¬ wendungen kommen würden, die ja eigentlich aus der Rüstkammer seines Intellekts stammten. Er hatte sogar vor, sie für seine Verbindung zu keilen.
Indeß: Er kam zu spät.
Eines Tages, als er mit seiner Mütze und seinen Verbindungsbrüdern leuchtend den Grimm¬ schen Bummel absolvierte, gewahrte er, obwohl er regelrecht und stolz geradeaus ging und scheinbar kein Auge für andre Couleuren hatte, unter den fünf Mitgliedern eines rotmützigen Corps -- Stössel.
Es gab ihm einen Ruck, und schon wollte die Hand zum hinteren Rande der gelben Mütze zucken, da kam ihm noch rechtzeitig die Kluft zum Bewußtsein, die zwischen diesem schmetternden Gelb und jenem trüben Rot lag.
Drittes Buch, erſtes Kapitel.
Milieus für ſeine zukünftige künſtleriſche Ver¬ wertung, denn: Wie ſollte er einmal den deutſchen Studenten darſtellen, wenn er nicht auch dieſe Spezies ſtudiert hatte?
So rechtfertigte er, der nicht gerne etwas be¬ reute, aber noch weniger gerne etwas unterließ, was ihm luſtig dünkte, vor ſich ſelber den improviſierten Schritt, und er legte ſich damit auch gleich die Sätze zurecht, mit denen er den Cénacliers ent¬ gegentreten wollte, wenn ſie ihm mit den Ein¬ wendungen kommen würden, die ja eigentlich aus der Rüſtkammer ſeines Intellekts ſtammten. Er hatte ſogar vor, ſie für ſeine Verbindung zu keilen.
Indeß: Er kam zu ſpät.
Eines Tages, als er mit ſeiner Mütze und ſeinen Verbindungsbrüdern leuchtend den Grimm¬ ſchen Bummel abſolvierte, gewahrte er, obwohl er regelrecht und ſtolz geradeaus ging und ſcheinbar kein Auge für andre Couleuren hatte, unter den fünf Mitgliedern eines rotmützigen Corps — Stöſſel.
Es gab ihm einen Ruck, und ſchon wollte die Hand zum hinteren Rande der gelben Mütze zucken, da kam ihm noch rechtzeitig die Kluft zum Bewußtſein, die zwiſchen dieſem ſchmetternden Gelb und jenem trüben Rot lag.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0235"n="221"/><fwplace="top"type="header">Drittes Buch, erſtes Kapitel.<lb/></fw> Milieus für ſeine zukünftige künſtleriſche Ver¬<lb/>
wertung, denn: Wie ſollte er einmal den deutſchen<lb/>
Studenten darſtellen, wenn er nicht auch dieſe<lb/>
Spezies ſtudiert hatte?</p><lb/><p>So rechtfertigte er, der nicht gerne etwas be¬<lb/>
reute, aber noch weniger gerne etwas unterließ, was<lb/>
ihm luſtig dünkte, vor ſich ſelber den improviſierten<lb/>
Schritt, und er legte ſich damit auch gleich die<lb/>
Sätze zurecht, mit denen er den C<hirendition="#aq">é</hi>nacliers ent¬<lb/>
gegentreten wollte, wenn ſie ihm mit den Ein¬<lb/>
wendungen kommen würden, die ja eigentlich aus<lb/>
der Rüſtkammer <hirendition="#g">ſeines</hi> Intellekts ſtammten. Er<lb/>
hatte ſogar vor, ſie für ſeine Verbindung zu keilen.</p><lb/><p>Indeß: Er kam zu ſpät.</p><lb/><p>Eines Tages, als er mit ſeiner Mütze und<lb/>ſeinen Verbindungsbrüdern leuchtend den Grimm¬<lb/>ſchen Bummel abſolvierte, gewahrte er, obwohl er<lb/>
regelrecht und ſtolz geradeaus ging und ſcheinbar<lb/>
kein Auge für andre Couleuren hatte, unter den fünf<lb/>
Mitgliedern eines rotmützigen Corps — Stöſſel.</p><lb/><p>Es gab ihm einen Ruck, und ſchon wollte die<lb/>
Hand zum hinteren Rande der gelben Mütze<lb/>
zucken, da kam ihm noch rechtzeitig die Kluft zum<lb/>
Bewußtſein, die zwiſchen dieſem ſchmetternden Gelb<lb/>
und jenem trüben Rot lag.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[221/0235]
Drittes Buch, erſtes Kapitel.
Milieus für ſeine zukünftige künſtleriſche Ver¬
wertung, denn: Wie ſollte er einmal den deutſchen
Studenten darſtellen, wenn er nicht auch dieſe
Spezies ſtudiert hatte?
So rechtfertigte er, der nicht gerne etwas be¬
reute, aber noch weniger gerne etwas unterließ, was
ihm luſtig dünkte, vor ſich ſelber den improviſierten
Schritt, und er legte ſich damit auch gleich die
Sätze zurecht, mit denen er den Cénacliers ent¬
gegentreten wollte, wenn ſie ihm mit den Ein¬
wendungen kommen würden, die ja eigentlich aus
der Rüſtkammer ſeines Intellekts ſtammten. Er
hatte ſogar vor, ſie für ſeine Verbindung zu keilen.
Indeß: Er kam zu ſpät.
Eines Tages, als er mit ſeiner Mütze und
ſeinen Verbindungsbrüdern leuchtend den Grimm¬
ſchen Bummel abſolvierte, gewahrte er, obwohl er
regelrecht und ſtolz geradeaus ging und ſcheinbar
kein Auge für andre Couleuren hatte, unter den fünf
Mitgliedern eines rotmützigen Corps — Stöſſel.
Es gab ihm einen Ruck, und ſchon wollte die
Hand zum hinteren Rande der gelben Mütze
zucken, da kam ihm noch rechtzeitig die Kluft zum
Bewußtſein, die zwiſchen dieſem ſchmetternden Gelb
und jenem trüben Rot lag.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/235>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.