Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Stilpe. menale Kraft sowohl auf der Kneipe wie auf demFechtboden erkannt. Seine Zügellosigkeit, die ihn in einer Korporation von festerem Gefüge unmög¬ lich gemacht hätte, war ihm hier, wo er sehr bald anfing, die Rolle des Überlegenen zu spielen, nur wenig hinderlich. Schon im zweiten Semester hatte er "seine Aber er dachte selber nur wenig ans Dichten. Wie kann ich singen, da ich saufen muß? Die heikle Muse meidet meinen Kuß, Pfui, sagt sie, pfui, Du stinkst nach Spiritus! Das war Selbsterkenntnis, aber keineswegs Stilpe. menale Kraft ſowohl auf der Kneipe wie auf demFechtboden erkannt. Seine Zügelloſigkeit, die ihn in einer Korporation von feſterem Gefüge unmög¬ lich gemacht hätte, war ihm hier, wo er ſehr bald anfing, die Rolle des Überlegenen zu ſpielen, nur wenig hinderlich. Schon im zweiten Semeſter hatte er „ſeine Aber er dachte ſelber nur wenig ans Dichten. Wie kann ich ſingen, da ich ſaufen muß? Die heikle Muſe meidet meinen Kuß, Pfui, ſagt ſie, pfui, Du ſtinkſt nach Spiritus! Das war Selbſterkenntnis, aber keineswegs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0242" n="228"/><fw place="top" type="header">Stilpe.<lb/></fw> menale Kraft ſowohl auf der Kneipe wie auf dem<lb/> Fechtboden erkannt. Seine Zügelloſigkeit, die ihn<lb/> in einer Korporation von feſterem Gefüge unmög¬<lb/> lich gemacht hätte, war ihm hier, wo er ſehr bald<lb/> anfing, die Rolle des Überlegenen zu ſpielen, nur<lb/> wenig hinderlich.</p><lb/> <p>Schon im zweiten Semeſter hatte er „ſeine<lb/> Leute“ ungefähr auf ſeinen Ton geſtimmt. Er<lb/> pflegte zu den C<hi rendition="#aq">é</hi>nacliers zu ſagen: Die Bären<lb/> tanzen ſchon ganz wacker die ſchwierigſten<lb/> Sachen; nächſtens werde ich ihnen das Dichten<lb/> beibringen.</p><lb/> <p>Aber er dachte ſelber nur wenig ans Dichten.<lb/> Nur „was er ſo für die Liebe und das C<hi rendition="#aq">é</hi>nacle<lb/> brauchte“, ſonſt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Wie kann ich ſingen, da ich ſaufen muß?</l><lb/> <l>Die heikle Muſe meidet meinen Kuß,</l><lb/> <l>Pfui, ſagt ſie, pfui, Du ſtinkſt nach Spiritus!</l><lb/> </lg> <p>Das war Selbſterkenntnis, aber keineswegs<lb/> Selbſtanklage. Im Gegenteil, er that ſich innerlich<lb/> ſehr viel darauf zu gute, daß er „in den Wolken<lb/> des Alkohols taumelte wie nur ein Erkorener der<lb/> neun Grundräuſche taumeln kann“. Die neun<lb/> Grundräuſche waren<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [228/0242]
Stilpe.
menale Kraft ſowohl auf der Kneipe wie auf dem
Fechtboden erkannt. Seine Zügelloſigkeit, die ihn
in einer Korporation von feſterem Gefüge unmög¬
lich gemacht hätte, war ihm hier, wo er ſehr bald
anfing, die Rolle des Überlegenen zu ſpielen, nur
wenig hinderlich.
Schon im zweiten Semeſter hatte er „ſeine
Leute“ ungefähr auf ſeinen Ton geſtimmt. Er
pflegte zu den Cénacliers zu ſagen: Die Bären
tanzen ſchon ganz wacker die ſchwierigſten
Sachen; nächſtens werde ich ihnen das Dichten
beibringen.
Aber er dachte ſelber nur wenig ans Dichten.
Nur „was er ſo für die Liebe und das Cénacle
brauchte“, ſonſt:
Wie kann ich ſingen, da ich ſaufen muß?
Die heikle Muſe meidet meinen Kuß,
Pfui, ſagt ſie, pfui, Du ſtinkſt nach Spiritus!
Das war Selbſterkenntnis, aber keineswegs
Selbſtanklage. Im Gegenteil, er that ſich innerlich
ſehr viel darauf zu gute, daß er „in den Wolken
des Alkohols taumelte wie nur ein Erkorener der
neun Grundräuſche taumeln kann“. Die neun
Grundräuſche waren
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