Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.Viertes Buch, erstes Kapitel. weil ihre Beschränktheit es nicht anders gestattet.Sie schulmeistern die Literatur, er macht sich über sie lustig. Nenne ihn einen Lump, aber ist er es in Gro߬ folio, und wenn Du etwa sagen willst, daß er Schaden anrichtet, so behaupte ich, daß er das Interesse für Litteratur hundertmal stärker anregt, als die anständigsten kritischen Registratoren. Übrigens interessiert er mich im Grunde als Mensch. Ich bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen tragischen Fall. -- Köstlich! Wenn ein Lyriker es mit der -- Ja, man sagt, daß er säuft, und das stützt -- Du bist wirklich ein Lyriker. Dann sprachen sie wieder von der Zukunft der [Abbildung]
20*
Viertes Buch, erſtes Kapitel. weil ihre Beſchränktheit es nicht anders geſtattet.Sie ſchulmeiſtern die Literatur, er macht ſich über ſie luſtig. Nenne ihn einen Lump, aber iſt er es in Gro߬ folio, und wenn Du etwa ſagen willſt, daß er Schaden anrichtet, ſo behaupte ich, daß er das Intereſſe für Litteratur hundertmal ſtärker anregt, als die anſtändigſten kritiſchen Regiſtratoren. Übrigens intereſſiert er mich im Grunde als Menſch. Ich bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen tragiſchen Fall. — Köſtlich! Wenn ein Lyriker es mit der — Ja, man ſagt, daß er ſäuft, und das ſtützt — Du biſt wirklich ein Lyriker. Dann ſprachen ſie wieder von der Zukunft der [Abbildung]
20*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0321" n="307"/><fw place="top" type="header">Viertes Buch, erſtes Kapitel.<lb/></fw> weil ihre Beſchränktheit es nicht anders geſtattet.<lb/> Sie ſchulmeiſtern die Literatur, er macht ſich über ſie<lb/> luſtig. Nenne ihn einen Lump, aber iſt er es in Gro߬<lb/> folio, und wenn Du etwa ſagen willſt, daß er Schaden<lb/> anrichtet, ſo behaupte ich, daß er das Intereſſe<lb/> für Litteratur hundertmal ſtärker anregt, als die<lb/> anſtändigſten kritiſchen Regiſtratoren. Übrigens<lb/> intereſſiert er mich im Grunde als Menſch. Ich<lb/> bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen<lb/> tragiſchen Fall.</p><lb/> <p>— Köſtlich! Wenn ein Lyriker es mit der<lb/> Phychologie hält! Jaja! Ich ſage Dir, dieſer Menſch<lb/> fühlt ſich in ſeinem Salonrocke unendlich wohl<lb/> und verachtet die geſammte ſchöpferiſche Litteratur,<lb/> wenn er nur immer genügend hohes Zeilenhonorar<lb/> kriegt, um gut eſſen und trinken zu können. Die<lb/> Abſinth-Flaſche hat er ſchon bald leer.</p><lb/> <p>— Ja, man ſagt, daß er ſäuft, und das ſtützt<lb/> wieder meine Meinung von der Tragik, die hinter<lb/> dieſem Menſchen ſteckt.</p><lb/> <p>— Du biſt wirklich ein Lyriker.</p><lb/> <p>Dann ſprachen ſie wieder von der Zukunft der<lb/> deutſchen Litteratur.</p><lb/> <figure/> <fw place="bottom" type="sig">20*<lb/></fw> </div> </div> </body> </text> </TEI> [307/0321]
Viertes Buch, erſtes Kapitel.
weil ihre Beſchränktheit es nicht anders geſtattet.
Sie ſchulmeiſtern die Literatur, er macht ſich über ſie
luſtig. Nenne ihn einen Lump, aber iſt er es in Gro߬
folio, und wenn Du etwa ſagen willſt, daß er Schaden
anrichtet, ſo behaupte ich, daß er das Intereſſe
für Litteratur hundertmal ſtärker anregt, als die
anſtändigſten kritiſchen Regiſtratoren. Übrigens
intereſſiert er mich im Grunde als Menſch. Ich
bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen
tragiſchen Fall.
— Köſtlich! Wenn ein Lyriker es mit der
Phychologie hält! Jaja! Ich ſage Dir, dieſer Menſch
fühlt ſich in ſeinem Salonrocke unendlich wohl
und verachtet die geſammte ſchöpferiſche Litteratur,
wenn er nur immer genügend hohes Zeilenhonorar
kriegt, um gut eſſen und trinken zu können. Die
Abſinth-Flaſche hat er ſchon bald leer.
— Ja, man ſagt, daß er ſäuft, und das ſtützt
wieder meine Meinung von der Tragik, die hinter
dieſem Menſchen ſteckt.
— Du biſt wirklich ein Lyriker.
Dann ſprachen ſie wieder von der Zukunft der
deutſchen Litteratur.
[Abbildung]
20*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |