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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

"Es scheint wirklich: Der Mensch lebt nicht von
Brot allein und auch nicht von dem, was besser
schmeckt; er braucht ein Ziel, was er lieb hat,
um "glücklich" zu sein. Aber er muß dran
glauben.

Beispiel: Ich war glücklich, als ich das Ziel
lieb hatte, ein -- Dichter zu werden, obwohl ich
damals lauter Schulden und keine Aussicht hatte,
sie zu zahlen.

Oder: Ich war glücklich, als ich das Ziel lieb
hatte, ganze Stiefeln zu bekommen. Und ich hatte
doch nichts zu essen.

Nun aber: Bitte, wo ist das Ziel, das ich lieb
hätte? Ganze Stiefeln hab ich, und ein Dichter
mag ich einstweilen nicht werden . . . Alles wüste
und leer . . .

Das Ziel, einen Rausch zu bekommen . . .! . . .?

Ach, wie erbärmlich sind jetzt meine Räusche!
Ich trinke, weils schmeckt, und das ist niedrig neben
dem eigentlichen Ziel des Trinkens, dem großen
Rausch.

Vielleicht Morphium? Aber ich fürchte den
Selbstmord . . . Meine Krankheit heißt überhaupt
Feigheit . . . Ich habe mich zu sehr an Kempinsky
gewöhnt . . .

Stilpe.

„Es ſcheint wirklich: Der Menſch lebt nicht von
Brot allein und auch nicht von dem, was beſſer
ſchmeckt; er braucht ein Ziel, was er lieb hat,
um „glücklich“ zu ſein. Aber er muß dran
glauben.

Beiſpiel: Ich war glücklich, als ich das Ziel
lieb hatte, ein — Dichter zu werden, obwohl ich
damals lauter Schulden und keine Ausſicht hatte,
ſie zu zahlen.

Oder: Ich war glücklich, als ich das Ziel lieb
hatte, ganze Stiefeln zu bekommen. Und ich hatte
doch nichts zu eſſen.

Nun aber: Bitte, wo iſt das Ziel, das ich lieb
hätte? Ganze Stiefeln hab ich, und ein Dichter
mag ich einſtweilen nicht werden . . . Alles wüſte
und leer . . .

Das Ziel, einen Rauſch zu bekommen . . .! . . .?

Ach, wie erbärmlich ſind jetzt meine Räuſche!
Ich trinke, weils ſchmeckt, und das iſt niedrig neben
dem eigentlichen Ziel des Trinkens, dem großen
Rauſch.

Vielleicht Morphium? Aber ich fürchte den
Selbſtmord . . . Meine Krankheit heißt überhaupt
Feigheit . . . Ich habe mich zu ſehr an Kempinsky
gewöhnt . . .

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[310/0324] Stilpe. „Es ſcheint wirklich: Der Menſch lebt nicht von Brot allein und auch nicht von dem, was beſſer ſchmeckt; er braucht ein Ziel, was er lieb hat, um „glücklich“ zu ſein. Aber er muß dran glauben. Beiſpiel: Ich war glücklich, als ich das Ziel lieb hatte, ein — Dichter zu werden, obwohl ich damals lauter Schulden und keine Ausſicht hatte, ſie zu zahlen. Oder: Ich war glücklich, als ich das Ziel lieb hatte, ganze Stiefeln zu bekommen. Und ich hatte doch nichts zu eſſen. Nun aber: Bitte, wo iſt das Ziel, das ich lieb hätte? Ganze Stiefeln hab ich, und ein Dichter mag ich einſtweilen nicht werden . . . Alles wüſte und leer . . . Das Ziel, einen Rauſch zu bekommen . . .! . . .? Ach, wie erbärmlich ſind jetzt meine Räuſche! Ich trinke, weils ſchmeckt, und das iſt niedrig neben dem eigentlichen Ziel des Trinkens, dem großen Rauſch. Vielleicht Morphium? Aber ich fürchte den Selbſtmord . . . Meine Krankheit heißt überhaupt Feigheit . . . Ich habe mich zu ſehr an Kempinsky gewöhnt . . .

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/324>, abgerufen am 22.11.2024.