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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Viertes Buch, drittes Kapitel.
wohl ihm das sehr schwer fiel, beiseite zu lassen,
so nahm sich auch die Presse, wenn auch mit den
üblichen Vorbehalten, der Sache an, und der Name
Momus tauchte in kurzen Zwischenräumen halb
geheimnisvoll immer wieder in den Blättern auf.

Es konnte kein Zweifel mehr sein, daß das
Berliner Publikum, in erster Linie die literarisch
und künstlerisch interessierten Kreise, der neuen
Sache mit Spannung entgegensahen. Der Umstand,
daß die Witzblätter das Schlagwort vom poetischen
Tingeltangel aufbrachten, allerlei literarische Chan¬
sons vorschlugen, Ernst von Wildenbruch als Haus¬
dichter des Momus, Menzel als Kostümzeichner
und Karl Frenzel als Tanzmeister namhaft machten,
trug dazu bei, das Interesse wachzuhalten.

Indessen arbeitete Stilpe mit heiterer Ausdauer
unausgesetzt an der Ausgestaltung des Unternehmens
bis ins Einzelne. Der Bärenführer und der Peri¬
pathetiker schleppten täglich die unerhörtesten Chan¬
sons herbei, der Zungenschnalzer entwarf erotische
Szenen von trikotloser Kühnheit, Kasimir röchelte im
Psalmenstile schauerlich schöne Seelenmonologe voll
krebsgeschwürigen Abendröten und satanischen Ab¬
synthismen, gestimmt und berechnet auf die Maul¬
trommelbegleitung aztekischer Urmelodieen, die ge¬

Viertes Buch, drittes Kapitel.
wohl ihm das ſehr ſchwer fiel, beiſeite zu laſſen,
ſo nahm ſich auch die Preſſe, wenn auch mit den
üblichen Vorbehalten, der Sache an, und der Name
Momus tauchte in kurzen Zwiſchenräumen halb
geheimnisvoll immer wieder in den Blättern auf.

Es konnte kein Zweifel mehr ſein, daß das
Berliner Publikum, in erſter Linie die literariſch
und künſtleriſch intereſſierten Kreiſe, der neuen
Sache mit Spannung entgegenſahen. Der Umſtand,
daß die Witzblätter das Schlagwort vom poetiſchen
Tingeltangel aufbrachten, allerlei literariſche Chan¬
ſons vorſchlugen, Ernſt von Wildenbruch als Haus¬
dichter des Momus, Menzel als Koſtümzeichner
und Karl Frenzel als Tanzmeiſter namhaft machten,
trug dazu bei, das Intereſſe wachzuhalten.

Indeſſen arbeitete Stilpe mit heiterer Ausdauer
unausgeſetzt an der Ausgeſtaltung des Unternehmens
bis ins Einzelne. Der Bärenführer und der Peri¬
pathetiker ſchleppten täglich die unerhörteſten Chan¬
ſons herbei, der Zungenſchnalzer entwarf erotiſche
Szenen von trikotloſer Kühnheit, Kaſimir röchelte im
Pſalmenſtile ſchauerlich ſchöne Seelenmonologe voll
krebsgeſchwürigen Abendröten und ſataniſchen Ab¬
ſynthismen, geſtimmt und berechnet auf die Maul¬
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[363/0377] Viertes Buch, drittes Kapitel. wohl ihm das ſehr ſchwer fiel, beiſeite zu laſſen, ſo nahm ſich auch die Preſſe, wenn auch mit den üblichen Vorbehalten, der Sache an, und der Name Momus tauchte in kurzen Zwiſchenräumen halb geheimnisvoll immer wieder in den Blättern auf. Es konnte kein Zweifel mehr ſein, daß das Berliner Publikum, in erſter Linie die literariſch und künſtleriſch intereſſierten Kreiſe, der neuen Sache mit Spannung entgegenſahen. Der Umſtand, daß die Witzblätter das Schlagwort vom poetiſchen Tingeltangel aufbrachten, allerlei literariſche Chan¬ ſons vorſchlugen, Ernſt von Wildenbruch als Haus¬ dichter des Momus, Menzel als Koſtümzeichner und Karl Frenzel als Tanzmeiſter namhaft machten, trug dazu bei, das Intereſſe wachzuhalten. Indeſſen arbeitete Stilpe mit heiterer Ausdauer unausgeſetzt an der Ausgeſtaltung des Unternehmens bis ins Einzelne. Der Bärenführer und der Peri¬ pathetiker ſchleppten täglich die unerhörteſten Chan¬ ſons herbei, der Zungenſchnalzer entwarf erotiſche Szenen von trikotloſer Kühnheit, Kaſimir röchelte im Pſalmenſtile ſchauerlich ſchöne Seelenmonologe voll krebsgeſchwürigen Abendröten und ſataniſchen Ab¬ ſynthismen, geſtimmt und berechnet auf die Maul¬ trommelbegleitung aztekiſcher Urmelodieen, die ge¬

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/377>, abgerufen am 22.11.2024.