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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.
sondern auch als pflichtbewußter Pädagoge ge¬
handelt hat, und von dem wir nie etwas anderes
erwartet haben, ist die Unzucht, rhm, ich sage die
Unzucht . . .

-- Bitte, Herr Direktor, nicht wol eben dies,
denn so weit wage ich meine Tochter nicht mit
anzuschuldigen . . ., wimmerte Herr Wippe.

-- Ich sage doch: Unzucht, ohne daß ich das
Gräßlichste anzunehmen verzweifelt genug wäre.
Denn schon der Gedanke, nächtlicher Weile . . .
aber genug! Wir haben, rhm, die Pflicht, auch
den Gedanken zu töten, der ... Aber genug und
gleichviel! Wir wissen, daß dieser Bube auf
Schleichwegen gewesen ist, und nicht zum ersten
Male, auf Schleichwegen, sage ich, rhm, die keines¬
falls unschuldiger Natur waren. Er selbst hat
es nicht zu leugnen gewagt. Sein Auge -- oh,
aber, rhm, genug! Wir müssen ihn dimittiren.
Kollege Wippe hat sich in rühmenswerter Auf¬
wallung entschlossen, seine Tochter, über deren An¬
teil an dem Entsetzlichen nicht wir zu befinden
haben, noch heute aus dem Hause zu thun, und
es muß auch dieser Bursche heute noch das
Institut verlassen. Wir schenken unser ganzes
Bedauern dem schwer getroffenen Vormund des

Stilpe.
ſondern auch als pflichtbewußter Pädagoge ge¬
handelt hat, und von dem wir nie etwas anderes
erwartet haben, iſt die Unzucht, rhm, ich ſage die
Unzucht . . .

— Bitte, Herr Direktor, nicht wol eben dies,
denn ſo weit wage ich meine Tochter nicht mit
anzuſchuldigen . . ., wimmerte Herr Wippe.

— Ich ſage doch: Unzucht, ohne daß ich das
Gräßlichſte anzunehmen verzweifelt genug wäre.
Denn ſchon der Gedanke, nächtlicher Weile . . .
aber genug! Wir haben, rhm, die Pflicht, auch
den Gedanken zu töten, der ... Aber genug und
gleichviel! Wir wiſſen, daß dieſer Bube auf
Schleichwegen geweſen iſt, und nicht zum erſten
Male, auf Schleichwegen, ſage ich, rhm, die keines¬
falls unſchuldiger Natur waren. Er ſelbſt hat
es nicht zu leugnen gewagt. Sein Auge — oh,
aber, rhm, genug! Wir müſſen ihn dimittiren.
Kollege Wippe hat ſich in rühmenswerter Auf¬
wallung entſchloſſen, ſeine Tochter, über deren An¬
teil an dem Entſetzlichen nicht wir zu befinden
haben, noch heute aus dem Hauſe zu thun, und
es muß auch dieſer Burſche heute noch das
Inſtitut verlaſſen. Wir ſchenken unſer ganzes
Bedauern dem ſchwer getroffenen Vormund des

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[70/0084] Stilpe. ſondern auch als pflichtbewußter Pädagoge ge¬ handelt hat, und von dem wir nie etwas anderes erwartet haben, iſt die Unzucht, rhm, ich ſage die Unzucht . . . — Bitte, Herr Direktor, nicht wol eben dies, denn ſo weit wage ich meine Tochter nicht mit anzuſchuldigen . . ., wimmerte Herr Wippe. — Ich ſage doch: Unzucht, ohne daß ich das Gräßlichſte anzunehmen verzweifelt genug wäre. Denn ſchon der Gedanke, nächtlicher Weile . . . aber genug! Wir haben, rhm, die Pflicht, auch den Gedanken zu töten, der ... Aber genug und gleichviel! Wir wiſſen, daß dieſer Bube auf Schleichwegen geweſen iſt, und nicht zum erſten Male, auf Schleichwegen, ſage ich, rhm, die keines¬ falls unſchuldiger Natur waren. Er ſelbſt hat es nicht zu leugnen gewagt. Sein Auge — oh, aber, rhm, genug! Wir müſſen ihn dimittiren. Kollege Wippe hat ſich in rühmenswerter Auf¬ wallung entſchloſſen, ſeine Tochter, über deren An¬ teil an dem Entſetzlichen nicht wir zu befinden haben, noch heute aus dem Hauſe zu thun, und es muß auch dieſer Burſche heute noch das Inſtitut verlaſſen. Wir ſchenken unſer ganzes Bedauern dem ſchwer getroffenen Vormund des

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/84>, abgerufen am 27.11.2024.