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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

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Stilpe.

Unter den Jungen fehlte es nicht an Schimpf¬
namen gegen die katholische Minderheit. Die ge¬
brauchte Stilpe selten oder gar nicht. Aber "so
ein Katholischer" kam ihm innerlich wie aus¬
sätzig vor.

Da die meisten Katholiken unter den Schülern
Ausländer waren, so erhielt dieses Gefühl der stillen
Verachtung noch einen Beiton von Deutschgefühl.
Darin war er auch sonst sehr stark. Ein "Barden¬
lied" von Willibald begann mit den Worten:
Wir Germanen schleudern mit Speeren
Nach Römern und nach Bären
Und trinken Meth!

Unter Meth stellte sich Stilpe etwas ungemein
Süßes vor, das aber doch wie Lagerbier wirkte.

Alles in Allem hatte Gott nebst den allerlei
anfliegenden Idealempfindungen von germanischen
Urwäldern, Blücher, Kaiser Wilhelm, Moltke den
Sinn Willibalds vom Monde etwas abgelenkt.
Es war nur noch so etwas wie eine heiße Dehnung
in ihm, ein Gefühl, gemischt aus unsagbarer Sehn¬
sucht und augenirrender Furcht.

Er hätte jetzt nicht mehr den Mut gehabt, wie
damals, als er Fliczek davonprügelte. Er fürchtete
sich vor den Mädchen, sobald er einmal eine zu

Stilpe.

Unter den Jungen fehlte es nicht an Schimpf¬
namen gegen die katholiſche Minderheit. Die ge¬
brauchte Stilpe ſelten oder gar nicht. Aber „ſo
ein Katholiſcher“ kam ihm innerlich wie aus¬
ſätzig vor.

Da die meiſten Katholiken unter den Schülern
Ausländer waren, ſo erhielt dieſes Gefühl der ſtillen
Verachtung noch einen Beiton von Deutſchgefühl.
Darin war er auch ſonſt ſehr ſtark. Ein „Barden¬
lied“ von Willibald begann mit den Worten:
Wir Germanen ſchleudern mit Speeren
Nach Römern und nach Bären
Und trinken Meth!

Unter Meth ſtellte ſich Stilpe etwas ungemein
Süßes vor, das aber doch wie Lagerbier wirkte.

Alles in Allem hatte Gott nebſt den allerlei
anfliegenden Idealempfindungen von germaniſchen
Urwäldern, Blücher, Kaiſer Wilhelm, Moltke den
Sinn Willibalds vom Monde etwas abgelenkt.
Es war nur noch ſo etwas wie eine heiße Dehnung
in ihm, ein Gefühl, gemiſcht aus unſagbarer Sehn¬
ſucht und augenirrender Furcht.

Er hätte jetzt nicht mehr den Mut gehabt, wie
damals, als er Fliczek davonprügelte. Er fürchtete
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[80/0094] Stilpe. Unter den Jungen fehlte es nicht an Schimpf¬ namen gegen die katholiſche Minderheit. Die ge¬ brauchte Stilpe ſelten oder gar nicht. Aber „ſo ein Katholiſcher“ kam ihm innerlich wie aus¬ ſätzig vor. Da die meiſten Katholiken unter den Schülern Ausländer waren, ſo erhielt dieſes Gefühl der ſtillen Verachtung noch einen Beiton von Deutſchgefühl. Darin war er auch ſonſt ſehr ſtark. Ein „Barden¬ lied“ von Willibald begann mit den Worten: Wir Germanen ſchleudern mit Speeren Nach Römern und nach Bären Und trinken Meth! Unter Meth ſtellte ſich Stilpe etwas ungemein Süßes vor, das aber doch wie Lagerbier wirkte. Alles in Allem hatte Gott nebſt den allerlei anfliegenden Idealempfindungen von germaniſchen Urwäldern, Blücher, Kaiſer Wilhelm, Moltke den Sinn Willibalds vom Monde etwas abgelenkt. Es war nur noch ſo etwas wie eine heiße Dehnung in ihm, ein Gefühl, gemiſcht aus unſagbarer Sehn¬ ſucht und augenirrender Furcht. Er hätte jetzt nicht mehr den Mut gehabt, wie damals, als er Fliczek davonprügelte. Er fürchtete ſich vor den Mädchen, ſobald er einmal eine zu

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Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/94>, abgerufen am 28.11.2024.