Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

Bild:
<< vorherige Seite

Vielen wurde jhr Gefäß/ ehe sie es noch herab und zu Mund
brachten/ aus Neid ümgestürtzt/ also daß das meiste auf die
Erde schosse und verflosse. Etliche/ denen es geworden/ lief-
fen damit nach Hause/ liessen die Kindheit davon trinken/ daß
das Alter davon sagen könde; fülleten auch wol damit ein
Glas/ und setzeten es zum Gedächtnuß bey. Andere/ wann
sie zu keinem Trunke kommen konden/ begnügten sich/ wann
nur jhre Kleider davon nass wurden. Andere die namen deß
süssen Safftes soviel zu sich/ daß sie es auf der Stelle wieder
musten von sich geben. Den meisten mangelte es an Gefässe;
denen die treuhertzigsten von dem/ was sie bekommen/ weil sie
es auch ümsonst hatten/ als von einem gemeinen Gut/ mit-
theilten.

62.

Die klügsten sahen lieber andrer Torheiten zu/ als daß
sie solche mitmacheten. Inzwischen gabe es allerley schöne
Gespräche und Ausdeutungen hiervon. Einer sagete/ das
Blut/ das der leidige Krieg so lange Zeit der Teutonien aus-
gesogen und- gesoffen/ fange nun wider an in Wein verwan-
delt/ auß dessen todten Rachen zu fliessen. Andere nenneten es den
Wein der Freuden/ nach dem Weinen/ welchen die Friedens-
sonne aus dem Trehnenregen gekochet. Etliche liessen sich
dünken/ sie sehen das Bild des Wolstands vor sich/ der aus
seinen beyden Brüsten das Friedenöl springen liesse/ die
neugebornen Jahre der Ruhe damit zu nehren und zu säu-
gen. Ihrer viele deuteten den rohten Wein auf die neu-ent-
brennende Liebe der Hertzen/ den weissen aber auf die wie-
derblühende alte Teutonische Treu. Geister voll himlischer
Gedanken betrachteten hierbey der Teutonier Blutrote
Schulden/ welche dem Himmel vormals die Kriegsrute in
die Hand gegeben; und den weiss-reinen Vorsatz der bes-
serung/ wodurch er wider begütiget/ das Land zu stäupen ab-
gelassen/ und den Brunn seiner Gnaden/ uns mit neuer
Wolfart zu überschütten/ eröffnet.

65. Die
K 3

Vielen wurde jhr Gefaͤß/ ehe ſie es noch herab und zu Mund
brachten/ aus Neid uͤmgeſtuͤrtzt/ alſo daß das meiſte auf die
Erde ſchoſſe und verfloſſe. Etliche/ denen es geworden/ lief-
fen damit nach Hauſe/ lieſſen die Kindheit davon trinken/ daß
das Alter davon ſagen koͤnde; fuͤlleten auch wol damit ein
Glas/ und ſetzeten es zum Gedaͤchtnuß bey. Andere/ wann
ſie zu keinem Trunke kommen konden/ begnügten ſich/ wann
nur jhre Kleider davon naſſ wurden. Andere die namen deß
ſuͤſſen Safftes ſoviel zu ſich/ daß ſie es auf der Stelle wieder
muſten von ſich geben. Den meiſten mangelte es an Gefaͤſſe;
denen die treuhertzigſten von dem/ was ſie bekommen/ weil ſie
es auch uͤmſonſt hatten/ als von einem gemeinen Gut/ mit-
theilten.

62.

Die kluͤgſten ſahen lieber andrer Toꝛheitẽ zu/ als daß
ſie ſolche mitmacheten. Inzwiſchen gabe es allerley ſchoͤne
Geſpraͤche und Ausdeutungen hiervon. Einer ſagete/ das
Blut/ das der leidige Krieg ſo lange Zeit der Teutonien aus-
geſogen und- geſoffen/ fange nun wider an in Wein verwan-
delt/ auß deſſen todtẽ Rachẽ zu flieſſen. Andere neñeten es den
Wein der Freuden/ nach dem Weinen/ welchen die Friedens-
ſonne aus dem Trehnenregen gekochet. Etliche lieſſen ſich
duͤnken/ ſie ſehen das Bild des Wolſtands vor ſich/ der aus
ſeinen beyden Bruͤſten das Friedenoͤl ſpringen lieſſe/ die
neugebornen Jahre der Ruhe damit zu nehren und zu ſaͤu-
gen. Ihrer viele deuteten den rohten Wein auf die neu-ent-
brennende Liebe der Hertzen/ den weiſſen aber auf die wie-
derbluͤhende alte Teutoniſche Treu. Geiſter voll himliſcher
Gedanken betrachteten hierbey der Teutonier Blutrote
Schulden/ welche dem Himmel vormals die Kriegsrute in
die Hand gegeben; und den weiſſ-reinen Vorſatz der beſ-
ſerung/ wodurch er wider beguͤtiget/ das Land zu ſtaͤupen ab-
gelaſſen/ und den Brunn ſeiner Gnaden/ uns mit neuer
Wolfart zu überſchuͤtten/ eroͤffnet.

65. Die
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0121" n="69"/>
          <p>Vielen wurde jhr Gefa&#x0364;ß/ ehe &#x017F;ie es noch herab und zu Mund<lb/>
brachten/ aus Neid u&#x0364;mge&#x017F;tu&#x0364;rtzt/ al&#x017F;o daß das mei&#x017F;te auf die<lb/>
Erde &#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e und verflo&#x017F;&#x017F;e. <hi rendition="#fr">E</hi>tliche/ denen es geworden/ lief-<lb/>
fen damit nach Hau&#x017F;e/ lie&#x017F;&#x017F;en die Kindheit davon trinken/ daß<lb/>
das Alter davon &#x017F;agen ko&#x0364;nde; fu&#x0364;lleten auch wol damit ein<lb/>
Glas/ und &#x017F;etzeten es zum Geda&#x0364;chtnuß bey. Andere/ wann<lb/>
&#x017F;ie zu keinem Trunke kommen konden/ begnügten &#x017F;ich/ wann<lb/>
nur <hi rendition="#fr">jhre</hi> Kleider davon na&#x017F;&#x017F; wurden. Andere die namen deß<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Safftes &#x017F;oviel zu &#x017F;ich/ daß &#x017F;ie es auf der Stelle wieder<lb/>
mu&#x017F;ten von &#x017F;ich geben. Den mei&#x017F;ten mangelte es an Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e;<lb/>
denen die treuhertzig&#x017F;ten von dem/ was &#x017F;ie bekommen/ weil &#x017F;ie<lb/>
es auch u&#x0364;m&#x017F;on&#x017F;t hatten/ als von einem gemeinen Gut/ mit-<lb/>
theilten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>62.</head><lb/>
          <p>Die klu&#x0364;g&#x017F;ten &#x017F;ahen lieber andrer To&#xA75B;heite&#x0303; zu/ als daß<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;olche mitmacheten. Inzwi&#x017F;chen gabe es allerley &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Ge&#x017F;pra&#x0364;che und Ausdeutungen hiervon. Einer &#x017F;agete/ das<lb/>
Blut/ das der leidige Krieg &#x017F;o lange Zeit der Teutonien aus-<lb/>
ge&#x017F;ogen und- ge&#x017F;offen/ fange nun wider an in Wein verwan-<lb/>
delt/ auß de&#x017F;&#x017F;en todte&#x0303; Rache&#x0303; zu flie&#x017F;&#x017F;en. Andere nen&#x0303;eten es den<lb/>
Wein der Freuden/ nach dem Weinen/ welchen die Friedens-<lb/>
&#x017F;onne aus dem Trehnenregen gekochet. <hi rendition="#fr">E</hi>tliche lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/>
du&#x0364;nken/ &#x017F;ie &#x017F;ehen das Bild des Wol&#x017F;tands vor &#x017F;ich/ der aus<lb/>
&#x017F;einen beyden Bru&#x0364;&#x017F;ten das Friedeno&#x0364;l &#x017F;pringen lie&#x017F;&#x017F;e/ die<lb/>
neugebornen Jahre der Ruhe damit zu nehren und zu &#x017F;a&#x0364;u-<lb/>
gen. Ihrer viele deuteten den rohten Wein auf die neu-ent-<lb/>
brennende Liebe der Hertzen/ den wei&#x017F;&#x017F;en aber auf die wie-<lb/>
derblu&#x0364;hende alte Teutoni&#x017F;che Treu. Gei&#x017F;ter voll himli&#x017F;cher<lb/>
Gedanken betrachteten hierbey der Teutonier Blutrote<lb/>
Schulden/ welche dem Himmel vormals die Kriegsrute in<lb/>
die Hand gegeben; und den wei&#x017F;&#x017F;-reinen Vor&#x017F;atz der be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erung/ wodurch er wider begu&#x0364;tiget/ das Land zu &#x017F;ta&#x0364;upen ab-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en/ und den Brunn &#x017F;einer Gnaden/ uns mit neuer<lb/>
Wolfart zu über&#x017F;chu&#x0364;tten/ ero&#x0364;ffnet.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">K 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">65. Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0121] Vielen wurde jhr Gefaͤß/ ehe ſie es noch herab und zu Mund brachten/ aus Neid uͤmgeſtuͤrtzt/ alſo daß das meiſte auf die Erde ſchoſſe und verfloſſe. Etliche/ denen es geworden/ lief- fen damit nach Hauſe/ lieſſen die Kindheit davon trinken/ daß das Alter davon ſagen koͤnde; fuͤlleten auch wol damit ein Glas/ und ſetzeten es zum Gedaͤchtnuß bey. Andere/ wann ſie zu keinem Trunke kommen konden/ begnügten ſich/ wann nur jhre Kleider davon naſſ wurden. Andere die namen deß ſuͤſſen Safftes ſoviel zu ſich/ daß ſie es auf der Stelle wieder muſten von ſich geben. Den meiſten mangelte es an Gefaͤſſe; denen die treuhertzigſten von dem/ was ſie bekommen/ weil ſie es auch uͤmſonſt hatten/ als von einem gemeinen Gut/ mit- theilten. 62. Die kluͤgſten ſahen lieber andrer Toꝛheitẽ zu/ als daß ſie ſolche mitmacheten. Inzwiſchen gabe es allerley ſchoͤne Geſpraͤche und Ausdeutungen hiervon. Einer ſagete/ das Blut/ das der leidige Krieg ſo lange Zeit der Teutonien aus- geſogen und- geſoffen/ fange nun wider an in Wein verwan- delt/ auß deſſen todtẽ Rachẽ zu flieſſen. Andere neñeten es den Wein der Freuden/ nach dem Weinen/ welchen die Friedens- ſonne aus dem Trehnenregen gekochet. Etliche lieſſen ſich duͤnken/ ſie ſehen das Bild des Wolſtands vor ſich/ der aus ſeinen beyden Bruͤſten das Friedenoͤl ſpringen lieſſe/ die neugebornen Jahre der Ruhe damit zu nehren und zu ſaͤu- gen. Ihrer viele deuteten den rohten Wein auf die neu-ent- brennende Liebe der Hertzen/ den weiſſen aber auf die wie- derbluͤhende alte Teutoniſche Treu. Geiſter voll himliſcher Gedanken betrachteten hierbey der Teutonier Blutrote Schulden/ welche dem Himmel vormals die Kriegsrute in die Hand gegeben; und den weiſſ-reinen Vorſatz der beſ- ſerung/ wodurch er wider beguͤtiget/ das Land zu ſtaͤupen ab- gelaſſen/ und den Brunn ſeiner Gnaden/ uns mit neuer Wolfart zu überſchuͤtten/ eroͤffnet. 65. Die K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/121
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/121>, abgerufen am 26.11.2024.