Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652.

Bild:
<< vorherige Seite
" der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch
kunnen
" an Feinden üben Rach/ ist Königlicher Sinnen
" und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott selbst spricht gerne
loß/
" sonst wär sein Himmel längst von Donnerkeilen bloß
Von unsrer Kaiserin ist dieses auch geschehen:
Ich kau je zürnen nicht/ noch Leute leidig sehen!
so dachte dieses Hertz/ so sagte deren Mund/
die weder schelten selbst noch schelten hören kund.
Ich sprach sie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe
wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe?
mir selbst redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/
weil ihr meynt/ mir gefällt/ was jhr mir schwätzet für.
Nun/ Zeder/ du bist hin. Die Ros ist abgebrochen/
die beyden haben sich ins kalte Grab verkrochen/
worauff Zypressen stehn. Sie selbst Zypressenzweig
ist ihres Todes Tod/ füllt ihre Lebensneig
mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden
lies aus Zypressenholtz ihm seine Götter schneiden/
voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/
die ich nun zu der Schaar der Sterngöttinen zähl/
ist solch ein Holtz gewest; aus deren Brunst verlangen
ein stäter Andachtsruch der Göttlichkeit gegangen;
die himmlisch war auf Erd. Gott war in sie verhüllt/
in ihrem Hertzen stund gebildet Gottes Bild/
geschrieben Gottes Lieb. Kein Götz war hie zu finden
der schnöden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Sünden/
kein frecher Lustaltar. Wie oft hat sie gewacht
in jhre Betkapell mit kniehender Andacht;
das Beten war jhr Bett. O schöne Rahelsitten/
die auch das Götzenwerk verbarg in ihrer Hütten/
ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/
jhn als jhr liebstes Hertz von Hertzen lieb gewan.
Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/
liebt jhren Ferdinand/ gab seiner Tugend Ehre/
und
G 3
„ der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch
kůnnen
„ an Feinden uͤben Rach/ iſt Koͤniglicher Sinnen
„ und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott ſelbſt ſpricht gerne
loß/
„ ſonſt waͤr ſein Himmel laͤngſt von Donnerkeilen bloß
Von unsrer Kaiſerin iſt dieſes auch geſchehen:
Ich kau je zuͤrnen nicht/ noch Leute leidig ſehen!
ſo dachte dieſes Hertz/ ſo ſagte deren Mund/
die weder ſchelten ſelbſt noch ſchelten hoͤren kund.
Ich ſprach ſie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe
wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe?
mir ſelbſt redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/
weil ihr meynt/ mir gefaͤllt/ was jhr mir ſchwaͤtzet fuͤr.
Nun/ Zeder/ du biſt hin. Die Roſ iſt abgebrochen/
die beyden haben ſich ins kalte Grab verkrochen/
worauff Zypreſſen ſtehn. Sie ſelbſt Zypreſſenzweig
iſt ihres Todes Tod/ fuͤllt ihre Lebensneig
mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden
lies aus Zypreſſenholtz ihm ſeine Goͤtter ſchneiden/
voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/
die ich nun zu der Schaar der Sterngoͤttinen zaͤhl/
iſt ſolch ein Holtz geweſt; aus deren Brunſt verlangen
ein ſtaͤter Andachtsruch der Goͤttlichkeit gegangen;
die himmliſch war auf Erd. Gott war in ſie verhuͤllt/
in ihrem Hertzen ſtund gebildet Gottes Bild/
geſchrieben Gottes Lieb. Kein Goͤtz war hie zu finden
der ſchnoͤden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Suͤnden/
kein frecher Luſtaltar. Wie oft hat ſie gewacht
in jhre Betkapell mit kniehender Andacht;
das Beten war jhr Bett. O ſchoͤne Rahelſitten/
die auch das Goͤtzenwerk verbarg in ihrer Huͤtten/
ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/
jhn als jhr liebſtes Hertz von Hertzen lieb gewan.
Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/
liebt jhren Ferdinand/ gab ſeiner Tugend Ehre/
und
G 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0095" n="45"/>
            <l> <hi rendition="#fr">&#x201E; der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#et">k&#x016F;nnen</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x201E; an Feinden u&#x0364;ben Rach/ i&#x017F;t Ko&#x0364;niglicher Sinnen</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x201E; und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;pricht gerne</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#et">loß/</hi> </hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#et">&#x201E; &#x017F;on&#x017F;t wa&#x0364;r &#x017F;ein Himmel la&#x0364;ng&#x017F;t von Donnerkeilen bloß</hi> </l><lb/>
            <l>Von unsrer Kai&#x017F;erin i&#x017F;t die&#x017F;es auch ge&#x017F;chehen:</l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Ich kau je zu&#x0364;rnen nicht/ noch Leute leidig &#x017F;ehen<hi rendition="#i">!</hi></hi> </l><lb/>
            <l>&#x017F;o dachte die&#x017F;es Hertz/ &#x017F;o &#x017F;agte deren Mund/</l><lb/>
            <l>die weder &#x017F;chelten &#x017F;elb&#x017F;t noch &#x017F;chelten ho&#x0364;ren kund.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Ich</hi> &#x017F;prach &#x017F;ie/ <hi rendition="#fr">meynet ihr/ daß ich Gefallen habe</hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe?</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">mir &#x017F;elb&#x017F;t redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/</hi> </l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">weil ihr meynt/ mir gefa&#x0364;llt/ was jhr mir &#x017F;chwa&#x0364;tzet fu&#x0364;r.</hi> </l><lb/>
            <l>Nun/ Zeder/ du bi&#x017F;t hin. Die Ro&#x017F; i&#x017F;t abgebrochen/</l><lb/>
            <l>die beyden haben &#x017F;ich ins kalte Grab verkrochen/</l><lb/>
            <l>worauff Zypre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tehn. Sie &#x017F;elb&#x017F;t Zypre&#x017F;&#x017F;enzweig</l><lb/>
            <l>i&#x017F;t ihres Todes Tod/ fu&#x0364;llt ihre Lebensneig</l><lb/>
            <l>mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden</l><lb/>
            <l>lies aus Zypre&#x017F;&#x017F;enholtz ihm &#x017F;eine Go&#x0364;tter &#x017F;chneiden/</l><lb/>
            <l>voraus der <hi rendition="#fr">Juno</hi> Bild. <hi rendition="#fr">Leopoldinen</hi> Seel/</l><lb/>
            <l>die ich nun zu der Schaar der Sterngo&#x0364;ttinen za&#x0364;hl/</l><lb/>
            <l>i&#x017F;t &#x017F;olch ein Holtz gewe&#x017F;t; aus deren Brun&#x017F;t verlangen</l><lb/>
            <l>ein &#x017F;ta&#x0364;ter Andachtsruch der Go&#x0364;ttlichkeit gegangen;</l><lb/>
            <l>die himmli&#x017F;ch war auf Erd. Gott war in &#x017F;ie verhu&#x0364;llt/</l><lb/>
            <l>in ihrem Hertzen &#x017F;tund gebildet Gottes Bild/</l><lb/>
            <l>ge&#x017F;chrieben Gottes Lieb. Kein Go&#x0364;tz war hie zu finden</l><lb/>
            <l>der &#x017F;chno&#x0364;den Eitelkeit/ kein Bildniß grober Su&#x0364;nden/</l><lb/>
            <l>kein frecher Lu&#x017F;taltar. Wie oft hat &#x017F;ie gewacht</l><lb/>
            <l>in jhre Betkapell mit kniehender Andacht;</l><lb/>
            <l>das Beten war jhr Bett. O &#x017F;cho&#x0364;ne <hi rendition="#fr">Rahel</hi>&#x017F;itten/</l><lb/>
            <l>die auch das Go&#x0364;tzenwerk verbarg in ihrer Hu&#x0364;tten/</l><lb/>
            <l>ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem <hi rendition="#fr">Jacob</hi> an/</l><lb/>
            <l>jhn als jhr lieb&#x017F;tes Hertz von Hertzen lieb gewan.</l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Leopoldina</hi> gieng zu <hi rendition="#fr">Rahel</hi> in die Lehre/</l><lb/>
            <l>liebt jhren <hi rendition="#fr">Ferdinand</hi>/ gab &#x017F;einer Tugend Ehre/</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">G 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[45/0095] „ der auch Verzeihung liebt. Nicht wollen und doch kůnnen „ an Feinden uͤben Rach/ iſt Koͤniglicher Sinnen „ und dapfrer Hertzen Tuhn. Gott ſelbſt ſpricht gerne loß/ „ ſonſt waͤr ſein Himmel laͤngſt von Donnerkeilen bloß Von unsrer Kaiſerin iſt dieſes auch geſchehen: Ich kau je zuͤrnen nicht/ noch Leute leidig ſehen! ſo dachte dieſes Hertz/ ſo ſagte deren Mund/ die weder ſchelten ſelbſt noch ſchelten hoͤren kund. Ich ſprach ſie/ meynet ihr/ daß ich Gefallen habe wie ihr/ an eurer Red/ an fremder Schand mich labe? mir ſelbſt redt ihr zu nah/ ja mehr als ihnen mir/ weil ihr meynt/ mir gefaͤllt/ was jhr mir ſchwaͤtzet fuͤr. Nun/ Zeder/ du biſt hin. Die Roſ iſt abgebrochen/ die beyden haben ſich ins kalte Grab verkrochen/ worauff Zypreſſen ſtehn. Sie ſelbſt Zypreſſenzweig iſt ihres Todes Tod/ fuͤllt ihre Lebensneig mit Leben wieder an. Das Volk der blinden Heiden lies aus Zypreſſenholtz ihm ſeine Goͤtter ſchneiden/ voraus der Juno Bild. Leopoldinen Seel/ die ich nun zu der Schaar der Sterngoͤttinen zaͤhl/ iſt ſolch ein Holtz geweſt; aus deren Brunſt verlangen ein ſtaͤter Andachtsruch der Goͤttlichkeit gegangen; die himmliſch war auf Erd. Gott war in ſie verhuͤllt/ in ihrem Hertzen ſtund gebildet Gottes Bild/ geſchrieben Gottes Lieb. Kein Goͤtz war hie zu finden der ſchnoͤden Eitelkeit/ kein Bildniß grober Suͤnden/ kein frecher Luſtaltar. Wie oft hat ſie gewacht in jhre Betkapell mit kniehender Andacht; das Beten war jhr Bett. O ſchoͤne Rahelſitten/ die auch das Goͤtzenwerk verbarg in ihrer Huͤtten/ ans Lieb zum rechten Gott/ hieng ihrem Jacob an/ jhn als jhr liebſtes Hertz von Hertzen lieb gewan. Leopoldina gieng zu Rahel in die Lehre/ liebt jhren Ferdinand/ gab ſeiner Tugend Ehre/ und G 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/95
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Die Fried-erfreuete Teutonje. Nürnberg, 1652, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_friedensvergleich_1652/95>, abgerufen am 21.11.2024.