Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Früling.
das Haar wieder/ welches ihnen der
Nordwind abgewehet; sie hören auf/
Ruten und Besen zu seyn. Der Reben-
stock/ das elendeste und doch edelste Holtz/
weinet itzund vor dem Weine/ und seine
Threnen sind Vorboten der Trauben.
Also thut auch die Birke; sagte Floridan:
sie zähret/ ehe sie den Mayen mit Meyen
zieret.

Du weinst/ O Birke! doch die Threnen
Vorboten deines Lachens sind.
Die Erde will dich neu verschönen/
geschwängert von dem Lenzenwind.
Lang hast du Ruten mir gezeiget:
sie sollen bald anlachen mich
begrünt/ weil aus der Erd in dich
der frische Lebenssaft aufsteiget.

Was soll man dann sagen/ (sagte
Myrtillus) von unsren süslisplenden/
silberrinnenden/ Goldkiesel-rieslenden/
Krystall-hellen/ Lust strudlend- und wud-
lenden Bächlein? Sie schiessen und flies-
sen nun frey und frölich daher/ von den
Eisfässeln erledigt. Sie schwängern/
schwenken und tränken ihre Nachbar-

Wiesen:

Der Fruͤling.
das Haar wieder/ welches ihnen der
Nordwind abgewehet; ſie hoͤren auf/
Ruten und Beſen zu ſeyn. Der Reben-
ſtock/ das elendeſte und doch edelſte Holtz/
weinet itzund vor dem Weine/ und ſeine
Threnen ſind Vorboten der Trauben.
Alſo thut auch die Birke; ſagte Floridan:
ſie zaͤhret/ ehe ſie den Mayen mit Meyen
zieret.

Du weinſt/ O Birke! doch die Threnen
Vorboten deines Lachens ſind.
Die Erde will dich neu verſchoͤnen/
geſchwaͤngert von dem Lenzenwind.
Lang haſt du Ruten mir gezeiget:
ſie ſollen bald anlachen mich
begruͤnt/ weil aus der Erd in dich
der friſche Lebensſaft aufſteiget.

Was ſoll man dann ſagen/ (ſagte
Myrtillus) von unſren ſuͤsliſplenden/
ſilberrinnenden/ Goldkieſel-rieſlenden/
Kryſtall-hellen/ Luſt ſtrudlend- und wud-
lenden Baͤchlein? Sie ſchieſſen und flieſ-
ſen nun frey und froͤlich daher/ von den
Eisfaͤſſeln erledigt. Sie ſchwaͤngern/
ſchwenken und traͤnken ihre Nachbar-

Wieſen:
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Der Fru&#x0364;ling.</hi></fw><lb/>
das Haar wieder/ welches ihnen der<lb/>
Nordwind abgewehet; &#x017F;ie ho&#x0364;ren auf/<lb/>
Ruten und Be&#x017F;en zu &#x017F;eyn. Der Reben-<lb/>
&#x017F;tock/ das elende&#x017F;te und doch edel&#x017F;te Holtz/<lb/>
weinet itzund vor dem Weine/ und &#x017F;eine<lb/>
Threnen &#x017F;ind Vorboten der Trauben.<lb/>
Al&#x017F;o thut auch die Birke; &#x017F;agte Floridan:<lb/>
&#x017F;ie za&#x0364;hret/ ehe &#x017F;ie den Mayen mit Meyen<lb/>
zieret.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Du wein&#x017F;t/ O Birke! doch die Threnen</l><lb/>
          <l>Vorboten deines Lachens &#x017F;ind.</l><lb/>
          <l>Die Erde will dich neu ver&#x017F;cho&#x0364;nen/</l><lb/>
          <l>ge&#x017F;chwa&#x0364;ngert von dem Lenzenwind.</l><lb/>
          <l>Lang ha&#x017F;t du Ruten mir gezeiget:</l><lb/>
          <l>&#x017F;ie &#x017F;ollen bald anlachen mich</l><lb/>
          <l>begru&#x0364;nt/ weil aus der Erd in dich</l><lb/>
          <l>der fri&#x017F;che Lebens&#x017F;aft auf&#x017F;teiget.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Was &#x017F;oll man dann &#x017F;agen/ (&#x017F;agte<lb/>
Myrtillus) von un&#x017F;ren &#x017F;u&#x0364;sli&#x017F;plenden/<lb/>
&#x017F;ilberrinnenden/ Goldkie&#x017F;el-rie&#x017F;lenden/<lb/>
Kry&#x017F;tall-hellen/ Lu&#x017F;t &#x017F;trudlend- und wud-<lb/>
lenden Ba&#x0364;chlein? Sie &#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en und flie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en nun frey und fro&#x0364;lich daher/ von den<lb/>
Eisfa&#x0364;&#x017F;&#x017F;eln erledigt. Sie &#x017F;chwa&#x0364;ngern/<lb/>
&#x017F;chwenken und tra&#x0364;nken ihre Nachbar-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wie&#x017F;en:</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0021] Der Fruͤling. das Haar wieder/ welches ihnen der Nordwind abgewehet; ſie hoͤren auf/ Ruten und Beſen zu ſeyn. Der Reben- ſtock/ das elendeſte und doch edelſte Holtz/ weinet itzund vor dem Weine/ und ſeine Threnen ſind Vorboten der Trauben. Alſo thut auch die Birke; ſagte Floridan: ſie zaͤhret/ ehe ſie den Mayen mit Meyen zieret. Du weinſt/ O Birke! doch die Threnen Vorboten deines Lachens ſind. Die Erde will dich neu verſchoͤnen/ geſchwaͤngert von dem Lenzenwind. Lang haſt du Ruten mir gezeiget: ſie ſollen bald anlachen mich begruͤnt/ weil aus der Erd in dich der friſche Lebensſaft aufſteiget. Was ſoll man dann ſagen/ (ſagte Myrtillus) von unſren ſuͤsliſplenden/ ſilberrinnenden/ Goldkieſel-rieſlenden/ Kryſtall-hellen/ Luſt ſtrudlend- und wud- lenden Baͤchlein? Sie ſchieſſen und flieſ- ſen nun frey und froͤlich daher/ von den Eisfaͤſſeln erledigt. Sie ſchwaͤngern/ ſchwenken und traͤnken ihre Nachbar- Wieſen:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/21
Zitationshilfe: Birken, Sigmund von: Pegnesische Gesprächspiel-Gesellschaft von Nymfen und Hirten. Nürnberg, 1665, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/birken_gespraechspiel_1665/21>, abgerufen am 03.12.2024.