Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Ein gefälschtes Memoire. Denkschrift Bunsens. mar, in welchem "der Sturz Bunsens" aus einer russischen Intrigueerklärt und das Verhalten des Königs sehr abfällig beurtheilt wird, gab Veranlassung, den vollständigen Text der Denkschrift und, immer noch mit Schonung, den wahren Hergang der Sache nach den Akten zu veröffentlichen ("Deutsche Revue" 1882, S. 152 ff.). In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8
Ein gefälſchtes Memoire. Denkſchrift Bunſens. mar, in welchem „der Sturz Bunſens“ aus einer ruſſiſchen Intrigueerklärt und das Verhalten des Königs ſehr abfällig beurtheilt wird, gab Veranlaſſung, den vollſtändigen Text der Denkſchrift und, immer noch mit Schonung, den wahren Hergang der Sache nach den Akten zu veröffentlichen („Deutſche Revue“ 1882, S. 152 ff.). In die Pläne der Ausſchlachtung Rußlands hatte man den Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0140" n="113"/><fw place="top" type="header">Ein gefälſchtes Memoire. Denkſchrift Bunſens.<lb/></fw> mar, in welchem „der Sturz Bunſens“ aus einer ruſſiſchen Intrigue<lb/> erklärt und das Verhalten des Königs ſehr abfällig beurtheilt wird,<lb/> gab Veranlaſſung, den vollſtändigen Text der Denkſchrift und, immer<lb/> noch mit Schonung, den wahren Hergang der Sache nach den<lb/> Akten zu veröffentlichen („Deutſche Revue“ 1882, S. 152 ff.).</p><lb/> <p>In die Pläne der Ausſchlachtung Rußlands hatte man den<lb/> Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für<lb/> eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848<lb/> ſeine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs<lb/> nur in den Schranken brüderlicher Rückſicht und Unterordnung<lb/> geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Oppoſition gegen<lb/> die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung her¬<lb/> vor, die ich mit ihm in einer der Kriſen hatte, in welchen mich<lb/> der König zum Beiſtande gegen Manteuffel nach Berlin berufen<lb/> hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen be¬<lb/> fohlen, der mir in einer durch ſeine Umgebung erzeugten Gemüths¬<lb/> erregung den Wunſch ausſprach, ich ſolle dem Könige im weſt¬<lb/> mächtlichen und antiruſſiſchen Sinne zureden. Er ſagte: „Sie<lb/> ſehn ſich hier zwei ſtreitenden Syſtemen gegenüber, von denen das<lb/> eine durch Manteuffel, das andre, ruſſenfreundliche, durch Gerlach<lb/> und den Grafen Münſter in Petersburg vertreten iſt. Sie kommen<lb/> friſch hierher, ſind von dem Könige gewiſſermaßen als Schiedsmann<lb/> berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausſchlag geben, und ich<lb/> beſchwöre Sie, ſprechen Sie ſich ſo aus, wie es nicht nur die<lb/> europäiſche Situation, ſondern auch ein richtiges Freundesintereſſe<lb/> für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen ſich auf<lb/> und wird ſchließlich unterliegen. Alle dieſe prächtigen Truppen,“ —<lb/> es war dies nach den für die Ruſſen nachtheiligen Schlachten vor<lb/> Sebaſtopol — „alle unſre Freunde, die dort geblieben ſind,“ —<lb/> er nannte mehre — „würden noch leben, wenn wir richtig ein¬<lb/> gegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten.“ Es würde<lb/> damit enden, daß Rußland, unſer alter Freund und Bundesgenoſſe,<lb/> vernichtet oder in gefährlicher Weiſe geſchädigt würde. Unſre, von<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Otto Fürſt von Bismarck</hi>, Gedanken und Erinnerungen. <hi rendition="#aq">I</hi>. 8<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [113/0140]
Ein gefälſchtes Memoire. Denkſchrift Bunſens.
mar, in welchem „der Sturz Bunſens“ aus einer ruſſiſchen Intrigue
erklärt und das Verhalten des Königs ſehr abfällig beurtheilt wird,
gab Veranlaſſung, den vollſtändigen Text der Denkſchrift und, immer
noch mit Schonung, den wahren Hergang der Sache nach den
Akten zu veröffentlichen („Deutſche Revue“ 1882, S. 152 ff.).
In die Pläne der Ausſchlachtung Rußlands hatte man den
Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für
eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848
ſeine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs
nur in den Schranken brüderlicher Rückſicht und Unterordnung
geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Oppoſition gegen
die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung her¬
vor, die ich mit ihm in einer der Kriſen hatte, in welchen mich
der König zum Beiſtande gegen Manteuffel nach Berlin berufen
hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen be¬
fohlen, der mir in einer durch ſeine Umgebung erzeugten Gemüths¬
erregung den Wunſch ausſprach, ich ſolle dem Könige im weſt¬
mächtlichen und antiruſſiſchen Sinne zureden. Er ſagte: „Sie
ſehn ſich hier zwei ſtreitenden Syſtemen gegenüber, von denen das
eine durch Manteuffel, das andre, ruſſenfreundliche, durch Gerlach
und den Grafen Münſter in Petersburg vertreten iſt. Sie kommen
friſch hierher, ſind von dem Könige gewiſſermaßen als Schiedsmann
berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausſchlag geben, und ich
beſchwöre Sie, ſprechen Sie ſich ſo aus, wie es nicht nur die
europäiſche Situation, ſondern auch ein richtiges Freundesintereſſe
für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen ſich auf
und wird ſchließlich unterliegen. Alle dieſe prächtigen Truppen,“ —
es war dies nach den für die Ruſſen nachtheiligen Schlachten vor
Sebaſtopol — „alle unſre Freunde, die dort geblieben ſind,“ —
er nannte mehre — „würden noch leben, wenn wir richtig ein¬
gegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten.“ Es würde
damit enden, daß Rußland, unſer alter Freund und Bundesgenoſſe,
vernichtet oder in gefährlicher Weiſe geſchädigt würde. Unſre, von
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |