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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Siebentes Kapitel: Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin.
auf der Rückkehr mich in Frankfurt aufzusuchen, was geschah. Ich
benutzte die Pläne des Königs mit Alvensleben, um Quehl zu
überzeugen, daß er, wenn er nicht abginge, Schuld an dem Sturze
seines Gönners sein werde, und empfahl ihm, die Macht desselben,
so lange es noch Zeit sei, zu benutzen. Ich sagte ihm: "Schneiden
Sie Ihre Pfeifen, wo Sie noch im Rohr sitzen, es dauert nicht
lange mehr", und ich brachte ihn dahin, seine Wünsche zu präcisiren:
das Generalconsulat in Kopenhagen mit einer starken Gehalts¬
erhöhung. Ich benachrichtigte Manteuffel, und die Sache schien
erledigt, zog sich aber bis zur endlichen Lösung noch einige Zeit
hin, weil man in Berlin so ungeschickt gewesen war, die Sicherung
der Stellung Manteuffel's früher zu verlautbaren als das Aus¬
scheiden Quehl's. Letztrer hatte in Berlin seine und Manteuffel's
Stellung nicht so unsicher gefunden, wie ich sie geschildert hatte,
und machte dann einige Schwierigkeiten, die verbessernd auf seine
Stellung in Kopenhagen wirkten 1).

Aehnliche Verhandlungen drängten sich mir auf mit Agenten,
welche bei dem Depeschendiebstahl in der französischen Gesandschaft
benutzt worden waren, unter Andern mit Hassenkrug, der zur Zeit
des Processes über diesen Diebstahl, anscheinend mit seiner eignen
Zustimmung, in Frankreich polizeilich verhaftet und Jahr und Tag
sequestrirt wurde, bis die Sache vergessen war.

Der König haßte damals Manteuffel, er behandelte ihn nicht mit
der ihm sonst eignen Höflichkeit und that beißende Aeußerungen
über ihn. Wie er überhaupt die Stellung eines Ministers auffaßte,
zeigt ein Wort über den Grafen Albert Pourtales, den er auch
gelegentlich als Schreckbild für Manteuffel benutzte 2): "Der wäre
ein Minister für mich, wenn er nicht 30000 Reichsthaler Ein¬
kommen zu viel hätte; darin steckt die Quelle des Ungehorsams."
Wenn ich sein Minister geworden wäre, so würde ich mehr als Andre

1) Vgl. Bismarck's Briefe an L. v. Gerlach vom 6. und 13. Aug. 1853
(Ausgabe von H. Kohl S. 96, 97).
2) S. o. S. 109.

Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin.
auf der Rückkehr mich in Frankfurt aufzuſuchen, was geſchah. Ich
benutzte die Pläne des Königs mit Alvensleben, um Quehl zu
überzeugen, daß er, wenn er nicht abginge, Schuld an dem Sturze
ſeines Gönners ſein werde, und empfahl ihm, die Macht deſſelben,
ſo lange es noch Zeit ſei, zu benutzen. Ich ſagte ihm: „Schneiden
Sie Ihre Pfeifen, wo Sie noch im Rohr ſitzen, es dauert nicht
lange mehr“, und ich brachte ihn dahin, ſeine Wünſche zu präciſiren:
das Generalconſulat in Kopenhagen mit einer ſtarken Gehalts¬
erhöhung. Ich benachrichtigte Manteuffel, und die Sache ſchien
erledigt, zog ſich aber bis zur endlichen Löſung noch einige Zeit
hin, weil man in Berlin ſo ungeſchickt geweſen war, die Sicherung
der Stellung Manteuffel's früher zu verlautbaren als das Aus¬
ſcheiden Quehl's. Letztrer hatte in Berlin ſeine und Manteuffel's
Stellung nicht ſo unſicher gefunden, wie ich ſie geſchildert hatte,
und machte dann einige Schwierigkeiten, die verbeſſernd auf ſeine
Stellung in Kopenhagen wirkten 1).

Aehnliche Verhandlungen drängten ſich mir auf mit Agenten,
welche bei dem Depeſchendiebſtahl in der franzöſiſchen Geſandſchaft
benutzt worden waren, unter Andern mit Haſſenkrug, der zur Zeit
des Proceſſes über dieſen Diebſtahl, anſcheinend mit ſeiner eignen
Zuſtimmung, in Frankreich polizeilich verhaftet und Jahr und Tag
ſequeſtrirt wurde, bis die Sache vergeſſen war.

Der König haßte damals Manteuffel, er behandelte ihn nicht mit
der ihm ſonſt eignen Höflichkeit und that beißende Aeußerungen
über ihn. Wie er überhaupt die Stellung eines Miniſters auffaßte,
zeigt ein Wort über den Grafen Albert Pourtalès, den er auch
gelegentlich als Schreckbild für Manteuffel benutzte 2): „Der wäre
ein Miniſter für mich, wenn er nicht 30000 Reichsthaler Ein¬
kommen zu viel hätte; darin ſteckt die Quelle des Ungehorſams.“
Wenn ich ſein Miniſter geworden wäre, ſo würde ich mehr als Andre

1) Vgl. Bismarck's Briefe an L. v. Gerlach vom 6. und 13. Aug. 1853
(Ausgabe von H. Kohl S. 96, 97).
2) S. o. S. 109.
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[138/0165] Siebentes Kapitel: Unterwegs zwiſchen Frankfurt und Berlin. auf der Rückkehr mich in Frankfurt aufzuſuchen, was geſchah. Ich benutzte die Pläne des Königs mit Alvensleben, um Quehl zu überzeugen, daß er, wenn er nicht abginge, Schuld an dem Sturze ſeines Gönners ſein werde, und empfahl ihm, die Macht deſſelben, ſo lange es noch Zeit ſei, zu benutzen. Ich ſagte ihm: „Schneiden Sie Ihre Pfeifen, wo Sie noch im Rohr ſitzen, es dauert nicht lange mehr“, und ich brachte ihn dahin, ſeine Wünſche zu präciſiren: das Generalconſulat in Kopenhagen mit einer ſtarken Gehalts¬ erhöhung. Ich benachrichtigte Manteuffel, und die Sache ſchien erledigt, zog ſich aber bis zur endlichen Löſung noch einige Zeit hin, weil man in Berlin ſo ungeſchickt geweſen war, die Sicherung der Stellung Manteuffel's früher zu verlautbaren als das Aus¬ ſcheiden Quehl's. Letztrer hatte in Berlin ſeine und Manteuffel's Stellung nicht ſo unſicher gefunden, wie ich ſie geſchildert hatte, und machte dann einige Schwierigkeiten, die verbeſſernd auf ſeine Stellung in Kopenhagen wirkten 1). Aehnliche Verhandlungen drängten ſich mir auf mit Agenten, welche bei dem Depeſchendiebſtahl in der franzöſiſchen Geſandſchaft benutzt worden waren, unter Andern mit Haſſenkrug, der zur Zeit des Proceſſes über dieſen Diebſtahl, anſcheinend mit ſeiner eignen Zuſtimmung, in Frankreich polizeilich verhaftet und Jahr und Tag ſequeſtrirt wurde, bis die Sache vergeſſen war. Der König haßte damals Manteuffel, er behandelte ihn nicht mit der ihm ſonſt eignen Höflichkeit und that beißende Aeußerungen über ihn. Wie er überhaupt die Stellung eines Miniſters auffaßte, zeigt ein Wort über den Grafen Albert Pourtalès, den er auch gelegentlich als Schreckbild für Manteuffel benutzte 2): „Der wäre ein Miniſter für mich, wenn er nicht 30000 Reichsthaler Ein¬ kommen zu viel hätte; darin ſteckt die Quelle des Ungehorſams.“ Wenn ich ſein Miniſter geworden wäre, ſo würde ich mehr als Andre 1) Vgl. Bismarck's Briefe an L. v. Gerlach vom 6. und 13. Aug. 1853 (Ausgabe von H. Kohl S. 96, 97). 2) S. o. S. 109.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/165>, abgerufen am 26.11.2024.