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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Uebernahme der Regentschaft. Entlassung Manteuffels.
nicht ab, sondern machte bei dem Prinzen Gegenvorstellungen bezüg¬
lich der Opportunität des Momentes, Gegenvorstellungen, welche
nach nicht geringer Mühe auch durchschlugen. Ich ward ermächtigt,
die Maßregel wenigstens aufzuhalten und den Brief bei mir liegen
zu lassen. Da schrieb Westphalen am 8. d. Mts. an den Prinzen
sowohl wie an mich ein ganz wunderbares Schreiben, worin er mit
Zurücknahme früherer Erklärungen seine Contrasignatur der zu
erlassenden und bereits festgestellten Ordres davon abhängig machte,
daß auch noch die vom Prinzen zu erlassenden Ordres speciell dem
Könige zur Genehmigung vorgelegt würden, ein Verlangen, welches
in der That mit Rücksicht auf den in den letzten Tagen verschlim¬
merten geistigen Zustand des Königs an Widersinnigkeit grenzt.
Da verlor der Prinz die Geduld und machte mir Vorwürfe, nicht
sogleich sein Schreiben abgeschickt zu haben, und die Sache war
nun nicht mehr zu halten. Flottwells Wahl ist ohne all' mein
Zuthun aus dem Prinzen selbstständig hervorgegangen, sie hat, wie
Manches gegen sich, so auch Manches für sich."

Ich stellte mich zu dem Landtage ein und trat in einer Fractions¬
sitzung gegen die Herrn, von welchen der Versuch ausging, sich der
verfassungsmäßigen Votirung der Regentschaft zu widersetzen, mit
Entschiedenheit für die Annahme der Regentschaft ein, die denn
auch stattfand.

Nachdem am 26. October der Prinz von Preußen die Regent¬
schaft übernommen hatte, fragte Manteuffel mich, was er thun
solle, um eine unfreiwillige Verabschiedung zu vermeiden, und gab
mir auf mein Verlangen seine letzte Correspondenz mit dem Regenten
zu lesen. Meine Antwort, es sei ganz klar, daß der Prinz ihm
den Abschied geben wolle, hielt er für unaufrichtig, vielleicht für
ehrgeizig. Am 6. November wurde er entlassen. Es folgte ihm
der Fürst von Hohenzollern mit dem Ministerium der "Neuen Aera".

Uebernahme der Regentſchaft. Entlaſſung Manteuffels.
nicht ab, ſondern machte bei dem Prinzen Gegenvorſtellungen bezüg¬
lich der Opportunität des Momentes, Gegenvorſtellungen, welche
nach nicht geringer Mühe auch durchſchlugen. Ich ward ermächtigt,
die Maßregel wenigſtens aufzuhalten und den Brief bei mir liegen
zu laſſen. Da ſchrieb Weſtphalen am 8. d. Mts. an den Prinzen
ſowohl wie an mich ein ganz wunderbares Schreiben, worin er mit
Zurücknahme früherer Erklärungen ſeine Contraſignatur der zu
erlaſſenden und bereits feſtgeſtellten Ordres davon abhängig machte,
daß auch noch die vom Prinzen zu erlaſſenden Ordres ſpeciell dem
Könige zur Genehmigung vorgelegt würden, ein Verlangen, welches
in der That mit Rückſicht auf den in den letzten Tagen verſchlim¬
merten geiſtigen Zuſtand des Königs an Widerſinnigkeit grenzt.
Da verlor der Prinz die Geduld und machte mir Vorwürfe, nicht
ſogleich ſein Schreiben abgeſchickt zu haben, und die Sache war
nun nicht mehr zu halten. Flottwells Wahl iſt ohne all' mein
Zuthun aus dem Prinzen ſelbſtſtändig hervorgegangen, ſie hat, wie
Manches gegen ſich, ſo auch Manches für ſich.“

Ich ſtellte mich zu dem Landtage ein und trat in einer Fractions¬
ſitzung gegen die Herrn, von welchen der Verſuch ausging, ſich der
verfaſſungsmäßigen Votirung der Regentſchaft zu widerſetzen, mit
Entſchiedenheit für die Annahme der Regentſchaft ein, die denn
auch ſtattfand.

Nachdem am 26. October der Prinz von Preußen die Regent¬
ſchaft übernommen hatte, fragte Manteuffel mich, was er thun
ſolle, um eine unfreiwillige Verabſchiedung zu vermeiden, und gab
mir auf mein Verlangen ſeine letzte Correſpondenz mit dem Regenten
zu leſen. Meine Antwort, es ſei ganz klar, daß der Prinz ihm
den Abſchied geben wolle, hielt er für unaufrichtig, vielleicht für
ehrgeizig. Am 6. November wurde er entlaſſen. Es folgte ihm
der Fürſt von Hohenzollern mit dem Miniſterium der „Neuen Aera“.

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[201/0228] Uebernahme der Regentſchaft. Entlaſſung Manteuffels. nicht ab, ſondern machte bei dem Prinzen Gegenvorſtellungen bezüg¬ lich der Opportunität des Momentes, Gegenvorſtellungen, welche nach nicht geringer Mühe auch durchſchlugen. Ich ward ermächtigt, die Maßregel wenigſtens aufzuhalten und den Brief bei mir liegen zu laſſen. Da ſchrieb Weſtphalen am 8. d. Mts. an den Prinzen ſowohl wie an mich ein ganz wunderbares Schreiben, worin er mit Zurücknahme früherer Erklärungen ſeine Contraſignatur der zu erlaſſenden und bereits feſtgeſtellten Ordres davon abhängig machte, daß auch noch die vom Prinzen zu erlaſſenden Ordres ſpeciell dem Könige zur Genehmigung vorgelegt würden, ein Verlangen, welches in der That mit Rückſicht auf den in den letzten Tagen verſchlim¬ merten geiſtigen Zuſtand des Königs an Widerſinnigkeit grenzt. Da verlor der Prinz die Geduld und machte mir Vorwürfe, nicht ſogleich ſein Schreiben abgeſchickt zu haben, und die Sache war nun nicht mehr zu halten. Flottwells Wahl iſt ohne all' mein Zuthun aus dem Prinzen ſelbſtſtändig hervorgegangen, ſie hat, wie Manches gegen ſich, ſo auch Manches für ſich.“ Ich ſtellte mich zu dem Landtage ein und trat in einer Fractions¬ ſitzung gegen die Herrn, von welchen der Verſuch ausging, ſich der verfaſſungsmäßigen Votirung der Regentſchaft zu widerſetzen, mit Entſchiedenheit für die Annahme der Regentſchaft ein, die denn auch ſtattfand. Nachdem am 26. October der Prinz von Preußen die Regent¬ ſchaft übernommen hatte, fragte Manteuffel mich, was er thun ſolle, um eine unfreiwillige Verabſchiedung zu vermeiden, und gab mir auf mein Verlangen ſeine letzte Correſpondenz mit dem Regenten zu leſen. Meine Antwort, es ſei ganz klar, daß der Prinz ihm den Abſchied geben wolle, hielt er für unaufrichtig, vielleicht für ehrgeizig. Am 6. November wurde er entlaſſen. Es folgte ihm der Fürſt von Hohenzollern mit dem Miniſterium der „Neuen Aera“.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/228>, abgerufen am 21.11.2024.