Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Neuntes Kapitel: Reisen. Regentschaft. Grafen Buol legitimirt hatte, machte er mir den Vorschlag zurBetheiligung an einem Finanzgeschäft, welches mir "jährlich 20000 Thaler mit Sicherheit" abwerfen würde. Auf meine Er¬ widerung, daß ich keine Capitalien anzulegen hätte, erfolgte die Antwort, daß Geldeinschüsse zu dem Geschäft nicht erforderlich seien, sondern daß meine Einlage darin bestehn würde, daß ich mit der preußischen auch die östreichische Politik am russischen Hofe befürwortete, weil die fraglichen Geschäfte nur gelingen könnten, wenn die Beziehungen zwischen Rußland und Oestreich günstig wären. Mir war daran gelegen, irgendwelches schriftliche Zeugniß über dieses Anerbieten in die Hand zu bekommen, um dadurch dem Regenten den Beweis zu liefern, wie gerechtfertigt mein Mißtrauen gegen die Politik des Grafen Buol war. Ich hielt deshalb dem Levinstein vor, daß ich bei einem so bedenk¬ lichen Geschäft doch eine stärkere Sicherheit haben müßte, als seine mündliche Aeußerung, auf Grund der wenigen Zeilen von der Hand des Grafen Buol, die er an sich behalten habe. Er wollte sich nicht dazu verstehn, mir eine schriftliche Zusage zu beschaffen, erhöhte aber sein Anerbieten auf 30000 Thaler jährlich. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß ich schriftliches Beweis-Material nicht erlangen würde, ersuchte ich Levinstein, mich zu verlassen, und schickte mich zum Ausgehn an. Er folgte mir auf die Treppe unter beweglichen Redensarten über das Thema: "Sehn Sie sich vor, es ist nicht angenehm, die ,Kaiserliche Regirung' zum Feinde zu haben." Erst als ich ihn auf die Steilheit der Treppe und auf meine körperliche Ueberlegenheit aufmerksam machte, stieg er vor mir schnell die Treppe hinab und verließ mich. Dieser Unterhändler war mir persönlich bekannt geworden Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft. Grafen Buol legitimirt hatte, machte er mir den Vorſchlag zurBetheiligung an einem Finanzgeſchäft, welches mir „jährlich 20000 Thaler mit Sicherheit“ abwerfen würde. Auf meine Er¬ widerung, daß ich keine Capitalien anzulegen hätte, erfolgte die Antwort, daß Geldeinſchüſſe zu dem Geſchäft nicht erforderlich ſeien, ſondern daß meine Einlage darin beſtehn würde, daß ich mit der preußiſchen auch die öſtreichiſche Politik am ruſſiſchen Hofe befürwortete, weil die fraglichen Geſchäfte nur gelingen könnten, wenn die Beziehungen zwiſchen Rußland und Oeſtreich günſtig wären. Mir war daran gelegen, irgendwelches ſchriftliche Zeugniß über dieſes Anerbieten in die Hand zu bekommen, um dadurch dem Regenten den Beweis zu liefern, wie gerechtfertigt mein Mißtrauen gegen die Politik des Grafen Buol war. Ich hielt deshalb dem Levinſtein vor, daß ich bei einem ſo bedenk¬ lichen Geſchäft doch eine ſtärkere Sicherheit haben müßte, als ſeine mündliche Aeußerung, auf Grund der wenigen Zeilen von der Hand des Grafen Buol, die er an ſich behalten habe. Er wollte ſich nicht dazu verſtehn, mir eine ſchriftliche Zuſage zu beſchaffen, erhöhte aber ſein Anerbieten auf 30000 Thaler jährlich. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß ich ſchriftliches Beweis-Material nicht erlangen würde, erſuchte ich Levinſtein, mich zu verlaſſen, und ſchickte mich zum Ausgehn an. Er folgte mir auf die Treppe unter beweglichen Redensarten über das Thema: „Sehn Sie ſich vor, es iſt nicht angenehm, die ‚Kaiſerliche Regirung‘ zum Feinde zu haben.“ Erſt als ich ihn auf die Steilheit der Treppe und auf meine körperliche Ueberlegenheit aufmerkſam machte, ſtieg er vor mir ſchnell die Treppe hinab und verließ mich. 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Neuntes Kapitel: Reiſen. Regentſchaft.
Grafen Buol legitimirt hatte, machte er mir den Vorſchlag zur
Betheiligung an einem Finanzgeſchäft, welches mir „jährlich
20000 Thaler mit Sicherheit“ abwerfen würde. Auf meine Er¬
widerung, daß ich keine Capitalien anzulegen hätte, erfolgte die
Antwort, daß Geldeinſchüſſe zu dem Geſchäft nicht erforderlich
ſeien, ſondern daß meine Einlage darin beſtehn würde, daß ich
mit der preußiſchen auch die öſtreichiſche Politik am ruſſiſchen
Hofe befürwortete, weil die fraglichen Geſchäfte nur gelingen
könnten, wenn die Beziehungen zwiſchen Rußland und Oeſtreich
günſtig wären. Mir war daran gelegen, irgendwelches ſchriftliche
Zeugniß über dieſes Anerbieten in die Hand zu bekommen, um
dadurch dem Regenten den Beweis zu liefern, wie gerechtfertigt
mein Mißtrauen gegen die Politik des Grafen Buol war. Ich
hielt deshalb dem Levinſtein vor, daß ich bei einem ſo bedenk¬
lichen Geſchäft doch eine ſtärkere Sicherheit haben müßte, als ſeine
mündliche Aeußerung, auf Grund der wenigen Zeilen von der
Hand des Grafen Buol, die er an ſich behalten habe. Er wollte
ſich nicht dazu verſtehn, mir eine ſchriftliche Zuſage zu beſchaffen,
erhöhte aber ſein Anerbieten auf 30000 Thaler jährlich. Nachdem
ich mich überzeugt hatte, daß ich ſchriftliches Beweis-Material nicht
erlangen würde, erſuchte ich Levinſtein, mich zu verlaſſen, und
ſchickte mich zum Ausgehn an. Er folgte mir auf die Treppe
unter beweglichen Redensarten über das Thema: „Sehn Sie ſich
vor, es iſt nicht angenehm, die ‚Kaiſerliche Regirung‘ zum Feinde
zu haben.“ Erſt als ich ihn auf die Steilheit der Treppe und auf
meine körperliche Ueberlegenheit aufmerkſam machte, ſtieg er vor
mir ſchnell die Treppe hinab und verließ mich.
Dieſer Unterhändler war mir perſönlich bekannt geworden
durch die Vertrauensſtellung, welche er ſeit Jahren im Auswärtigen
Miniſterium eingenommen, und durch die Aufträge, welche er
von dort für mich zur Zeit Manteuffels erhielt. Er pflegte ſeine
Beziehungen in den untern Stellen durch übermäßige Trink¬
gelder.
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