Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Kapitel: Petersburg.
eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in
Berlin verschiedne Behandlungen erfolglos versucht waren, durch
die Bäder von Nauheim unter Leitung des Professors Benecke aus
Marburg so weit wiederhergestellt, daß ich gehn, auch reiten und im
October den Prinzregenten nach Warschau zur Zusammenkunft mit
dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückreise nach
Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen
Besuch machte, riß sich nach ärztlicher Meinung der Trombus los,
der sich in der zerstörten Vene gebildet und festgesetzt hatte, gerieth
in den Blutumlauf und verursachte eine Lungenentzündung, die
von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate
langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig sind mir heut
die Eindrücke, die damals ein sterbender Preuße über Vormund¬
schaft hatte. Mein erstes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Ver¬
urtheilung war die Niederschrift einer letztwilligen Verfügung, durch
welche jede gerichtliche Einmischung in die eingesetzte Vormundschaft
ausgeschlossen wurde. Hierüber beruhigt sah ich meinem Ende mit
der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren.
Zu Anfang des März 1860 war ich so weit, nach Berlin reisen zu
können, wo ich, meine Genesung abwartend, an den Sitzungen des
Herrenhauses Theil nahm und bis in den Mai verweilte.


Zehntes Kapitel: Petersburg.
eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in
Berlin verſchiedne Behandlungen erfolglos verſucht waren, durch
die Bäder von Nauheim unter Leitung des Profeſſors Benecke aus
Marburg ſo weit wiederhergeſtellt, daß ich gehn, auch reiten und im
October den Prinzregenten nach Warſchau zur Zuſammenkunft mit
dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückreiſe nach
Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen
Beſuch machte, riß ſich nach ärztlicher Meinung der Trombus los,
der ſich in der zerſtörten Vene gebildet und feſtgeſetzt hatte, gerieth
in den Blutumlauf und verurſachte eine Lungenentzündung, die
von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate
langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig ſind mir heut
die Eindrücke, die damals ein ſterbender Preuße über Vormund¬
ſchaft hatte. Mein erſtes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Ver¬
urtheilung war die Niederſchrift einer letztwilligen Verfügung, durch
welche jede gerichtliche Einmiſchung in die eingeſetzte Vormundſchaft
ausgeſchloſſen wurde. Hierüber beruhigt ſah ich meinem Ende mit
der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren.
Zu Anfang des März 1860 war ich ſo weit, nach Berlin reiſen zu
können, wo ich, meine Geneſung abwartend, an den Sitzungen des
Herrenhauſes Theil nahm und bis in den Mai verweilte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0263" n="236"/><fw place="top" type="header">Zehntes Kapitel: Petersburg.<lb/></fw> eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in<lb/>
Berlin ver&#x017F;chiedne Behandlungen erfolglos ver&#x017F;ucht waren, durch<lb/>
die Bäder von Nauheim unter Leitung des Profe&#x017F;&#x017F;ors Benecke aus<lb/>
Marburg &#x017F;o weit wiederherge&#x017F;tellt, daß ich gehn, auch reiten und im<lb/>
October den Prinzregenten nach War&#x017F;chau zur Zu&#x017F;ammenkunft mit<lb/>
dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückrei&#x017F;e nach<lb/>
Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen<lb/>
Be&#x017F;uch machte, riß &#x017F;ich nach ärztlicher Meinung der Trombus los,<lb/>
der &#x017F;ich in der zer&#x017F;törten Vene gebildet und fe&#x017F;tge&#x017F;etzt hatte, gerieth<lb/>
in den Blutumlauf und verur&#x017F;achte eine Lungenentzündung, die<lb/>
von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate<lb/>
langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig &#x017F;ind mir heut<lb/>
die Eindrücke, die damals ein &#x017F;terbender Preuße über Vormund¬<lb/>
&#x017F;chaft hatte. Mein er&#x017F;tes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Ver¬<lb/>
urtheilung war die Nieder&#x017F;chrift einer letztwilligen Verfügung, durch<lb/>
welche jede gerichtliche Einmi&#x017F;chung in die einge&#x017F;etzte Vormund&#x017F;chaft<lb/>
ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wurde. Hierüber beruhigt &#x017F;ah ich meinem Ende mit<lb/>
der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren.<lb/>
Zu Anfang des März 1860 war ich &#x017F;o weit, nach Berlin rei&#x017F;en zu<lb/>
können, wo ich, meine Gene&#x017F;ung abwartend, an den Sitzungen des<lb/>
Herrenhau&#x017F;es Theil nahm und bis in den Mai verweilte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0263] Zehntes Kapitel: Petersburg. eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in Berlin verſchiedne Behandlungen erfolglos verſucht waren, durch die Bäder von Nauheim unter Leitung des Profeſſors Benecke aus Marburg ſo weit wiederhergeſtellt, daß ich gehn, auch reiten und im October den Prinzregenten nach Warſchau zur Zuſammenkunft mit dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückreiſe nach Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen Beſuch machte, riß ſich nach ärztlicher Meinung der Trombus los, der ſich in der zerſtörten Vene gebildet und feſtgeſetzt hatte, gerieth in den Blutumlauf und verurſachte eine Lungenentzündung, die von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig ſind mir heut die Eindrücke, die damals ein ſterbender Preuße über Vormund¬ ſchaft hatte. Mein erſtes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Ver¬ urtheilung war die Niederſchrift einer letztwilligen Verfügung, durch welche jede gerichtliche Einmiſchung in die eingeſetzte Vormundſchaft ausgeſchloſſen wurde. Hierüber beruhigt ſah ich meinem Ende mit der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren. Zu Anfang des März 1860 war ich ſo weit, nach Berlin reiſen zu können, wo ich, meine Geneſung abwartend, an den Sitzungen des Herrenhauſes Theil nahm und bis in den Mai verweilte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/263
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/263>, abgerufen am 22.11.2024.