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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Ministerium Auerswald. Ministerkrisis.
vernichten. Sie können nicht anders als ungehorsam sein und
bleiben. Bis jetzt haben ich, der ich eine ganz entgegengesetzte
Position zur brennenden Frage eingenommen, und (Edwin) Man¬
teuffel mit Mühe verhindert, daß der König sich beuge. Er würde
es thun, wenn ich dazu riethe, aber ich hoffe zu Gott, daß er meine
Zunge lähme, bevor sie zustimmt. Aber ich stehe allein, ganz allein;
Edwin Manteuffel geht heute auf die Festung1). Gestern endlich hat
mir der König erlaubt, mich für ihn nach andern Ministern um¬
zusehen. Er ist der trostlosen Ansicht, er fände, außer bei Stahl
und Cp., keine Männer, die die Huldigung mit Eidesleistung für
zulässig erachten. Ich frage nun, ob Sie die althergebrachte Erb¬
huldigung für ein Attentat gegen die Verfassung halten? Ant¬
worten Sie darauf mit Ja, so habe ich mich getäuscht, wenn ich
annahm, daß Sie meiner Ansicht seien. Treten Sie dieser aber
bei und meinen Sie, daß es ein doctrinärer Schwindel, eine Folge
politischer Engagements und politischer Parteistellung sei, wenn die
lieben Gespielen sich nicht in der Lage zu befinden glauben: so
werden Sie auch nicht Anstand nehmen, in den Rath des Königs
einzutreten und die Huldigungsfrage in correcter Weise zu lösen.
Dann werden Sie auch Mittel finden, die beabsichtigte Urlaubs¬
reise unverzüglich anzutreten und mich ungesäumt durch den Tele¬
graphen zu benachrichtigen. Die Worte: ,Ja, ich komme!' reichen
aus, besser noch, wenn Sie das Datum Ihrer Ankunft hinzufügen
können. Schleinitz geht unter allen Umständen, ganz abgesehen von
der Huldigungsfrage. Das steht fest! Aber es ist fraglich, ob
Sie sein oder Schwerins Portefeuille zu übernehmen haben werden.
S. M. scheint für letzteres mehr, als für ersteres disponirt. Doch
ist das cura posterior. Es kömmt darauf an, den König zu über¬
zeugen, daß er ohne affichirten Systemwechsel ein Ministerium finden
kann, wie er es braucht. Ich habe außerdem ähnliche Fragen an

1) Wegen eines Duells mit Twesten als dem Verfasser der Schrift: "Was
uns noch retten kann".
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 16

Miniſterium Auerswald. Miniſterkriſis.
vernichten. Sie können nicht anders als ungehorſam ſein und
bleiben. Bis jetzt haben ich, der ich eine ganz entgegengeſetzte
Poſition zur brennenden Frage eingenommen, und (Edwin) Man¬
teuffel mit Mühe verhindert, daß der König ſich beuge. Er würde
es thun, wenn ich dazu riethe, aber ich hoffe zu Gott, daß er meine
Zunge lähme, bevor ſie zuſtimmt. Aber ich ſtehe allein, ganz allein;
Edwin Manteuffel geht heute auf die Feſtung1). Geſtern endlich hat
mir der König erlaubt, mich für ihn nach andern Miniſtern um¬
zuſehen. Er iſt der troſtloſen Anſicht, er fände, außer bei Stahl
und Cp., keine Männer, die die Huldigung mit Eidesleiſtung für
zuläſſig erachten. Ich frage nun, ob Sie die althergebrachte Erb¬
huldigung für ein Attentat gegen die Verfaſſung halten? Ant¬
worten Sie darauf mit Ja, ſo habe ich mich getäuſcht, wenn ich
annahm, daß Sie meiner Anſicht ſeien. Treten Sie dieſer aber
bei und meinen Sie, daß es ein doctrinärer Schwindel, eine Folge
politiſcher Engagements und politiſcher Parteiſtellung ſei, wenn die
lieben Geſpielen ſich nicht in der Lage zu befinden glauben: ſo
werden Sie auch nicht Anſtand nehmen, in den Rath des Königs
einzutreten und die Huldigungsfrage in correcter Weiſe zu löſen.
Dann werden Sie auch Mittel finden, die beabſichtigte Urlaubs¬
reiſe unverzüglich anzutreten und mich ungeſäumt durch den Tele¬
graphen zu benachrichtigen. Die Worte: ‚Ja, ich komme!‘ reichen
aus, beſſer noch, wenn Sie das Datum Ihrer Ankunft hinzufügen
können. Schleinitz geht unter allen Umſtänden, ganz abgeſehen von
der Huldigungsfrage. Das ſteht feſt! Aber es iſt fraglich, ob
Sie ſein oder Schwerins Portefeuille zu übernehmen haben werden.
S. M. ſcheint für letzteres mehr, als für erſteres disponirt. Doch
iſt das cura posterior. Es kömmt darauf an, den König zu über¬
zeugen, daß er ohne affichirten Syſtemwechſel ein Miniſterium finden
kann, wie er es braucht. Ich habe außerdem ähnliche Fragen an

1) Wegen eines Duells mit Tweſten als dem Verfaſſer der Schrift: „Was
uns noch retten kann“.
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[241/0268] Miniſterium Auerswald. Miniſterkriſis. vernichten. Sie können nicht anders als ungehorſam ſein und bleiben. Bis jetzt haben ich, der ich eine ganz entgegengeſetzte Poſition zur brennenden Frage eingenommen, und (Edwin) Man¬ teuffel mit Mühe verhindert, daß der König ſich beuge. Er würde es thun, wenn ich dazu riethe, aber ich hoffe zu Gott, daß er meine Zunge lähme, bevor ſie zuſtimmt. Aber ich ſtehe allein, ganz allein; Edwin Manteuffel geht heute auf die Feſtung 1). Geſtern endlich hat mir der König erlaubt, mich für ihn nach andern Miniſtern um¬ zuſehen. Er iſt der troſtloſen Anſicht, er fände, außer bei Stahl und Cp., keine Männer, die die Huldigung mit Eidesleiſtung für zuläſſig erachten. Ich frage nun, ob Sie die althergebrachte Erb¬ huldigung für ein Attentat gegen die Verfaſſung halten? Ant¬ worten Sie darauf mit Ja, ſo habe ich mich getäuſcht, wenn ich annahm, daß Sie meiner Anſicht ſeien. Treten Sie dieſer aber bei und meinen Sie, daß es ein doctrinärer Schwindel, eine Folge politiſcher Engagements und politiſcher Parteiſtellung ſei, wenn die lieben Geſpielen ſich nicht in der Lage zu befinden glauben: ſo werden Sie auch nicht Anſtand nehmen, in den Rath des Königs einzutreten und die Huldigungsfrage in correcter Weiſe zu löſen. Dann werden Sie auch Mittel finden, die beabſichtigte Urlaubs¬ reiſe unverzüglich anzutreten und mich ungeſäumt durch den Tele¬ graphen zu benachrichtigen. Die Worte: ‚Ja, ich komme!‘ reichen aus, beſſer noch, wenn Sie das Datum Ihrer Ankunft hinzufügen können. Schleinitz geht unter allen Umſtänden, ganz abgeſehen von der Huldigungsfrage. Das ſteht feſt! Aber es iſt fraglich, ob Sie ſein oder Schwerins Portefeuille zu übernehmen haben werden. S. M. ſcheint für letzteres mehr, als für erſteres disponirt. Doch iſt das cura posterior. Es kömmt darauf an, den König zu über¬ zeugen, daß er ohne affichirten Syſtemwechſel ein Miniſterium finden kann, wie er es braucht. Ich habe außerdem ähnliche Fragen an 1) Wegen eines Duells mit Tweſten als dem Verfaſſer der Schrift: „Was uns noch retten kann“. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 16

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/268>, abgerufen am 25.11.2024.