Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Der Kronprinz und die Preßverordnung. Culm besuchte. Am 2. Juni folgte ihm die Kronprinzessin nachGraudenz; am Tage vorher war die Königliche Verordnung über die Presse auf Grund eines Berichtes des Staatsministeriums er¬ schienen, welcher gleichzeitig veröffentlicht wurde. Am 4. Juni richtete Se. Kgl. Hoheit an den König ein Schreiben, in welchem er sich mißbilligend über diese Octroyirung aussprach, sich über die unterlassene Zuziehung seiner zu den betreffenden Berathungen des Staatsministeriums beschwerte und über die Pflichten aussprach, die ihm als dem Thronfolger seiner Meinung nach oblägen. Am 5. Juni fand im Rathhause in Danzig der Empfang der städtischen Behörden statt, bei dem Herr von Winter ein Bedauern darüber aussprach, daß die Verhältnisse es nicht gestatteten, der Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben. Der Kronprinz sagte in seiner Antwort unter Anderm: "Auch ich beklage, daß ich in einer Zeit hergekommen bin, Exemplare der "Danziger Zeitung" mit einem Berichte über Der Kronprinz und die Preßverordnung. Culm beſuchte. Am 2. Juni folgte ihm die Kronprinzeſſin nachGraudenz; am Tage vorher war die Königliche Verordnung über die Preſſe auf Grund eines Berichtes des Staatsminiſteriums er¬ ſchienen, welcher gleichzeitig veröffentlicht wurde. Am 4. Juni richtete Se. Kgl. Hoheit an den König ein Schreiben, in welchem er ſich mißbilligend über dieſe Octroyirung ausſprach, ſich über die unterlaſſene Zuziehung ſeiner zu den betreffenden Berathungen des Staatsminiſteriums beſchwerte und über die Pflichten ausſprach, die ihm als dem Thronfolger ſeiner Meinung nach oblägen. Am 5. Juni fand im Rathhauſe in Danzig der Empfang der ſtädtiſchen Behörden ſtatt, bei dem Herr von Winter ein Bedauern darüber ausſprach, daß die Verhältniſſe es nicht geſtatteten, der Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben. Der Kronprinz ſagte in ſeiner Antwort unter Anderm: „Auch ich beklage, daß ich in einer Zeit hergekommen bin, Exemplare der „Danziger Zeitung“ mit einem Berichte über <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0344" n="317"/><fw place="top" type="header">Der Kronprinz und die Preßverordnung.<lb/></fw>Culm beſuchte. Am 2. Juni folgte ihm die Kronprinzeſſin nach<lb/> Graudenz; am Tage vorher war die Königliche Verordnung über<lb/> die Preſſe auf Grund eines Berichtes des Staatsminiſteriums er¬<lb/> ſchienen, welcher gleichzeitig veröffentlicht wurde. Am 4. Juni<lb/> richtete Se. Kgl. Hoheit an den König ein Schreiben, in welchem<lb/> er ſich mißbilligend über dieſe Octroyirung ausſprach, ſich über<lb/> die unterlaſſene Zuziehung ſeiner zu den betreffenden Berathungen<lb/> des Staatsminiſteriums beſchwerte und über die Pflichten ausſprach,<lb/> die ihm als dem Thronfolger ſeiner Meinung nach oblägen.<lb/> Am 5. Juni fand im Rathhauſe in Danzig der Empfang der<lb/> ſtädtiſchen Behörden ſtatt, bei dem Herr von Winter ein Bedauern<lb/> darüber ausſprach, daß die Verhältniſſe es nicht geſtatteten, der<lb/> Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben. Der<lb/> Kronprinz ſagte in ſeiner Antwort unter Anderm:</p><lb/> <p>„Auch ich beklage, daß ich in einer Zeit hergekommen bin,<lb/> in welcher zwiſchen Regirung und Volk ein Zerwürfniß eingetreten<lb/> iſt, welches zu erfahren mich in hohem Grade überraſcht hat. Ich<lb/> habe von den Anordnungen, die dazu geführt haben, nichts ge¬<lb/> wußt. Ich war abweſend. Ich habe keinen Theil an den Rath¬<lb/> ſchlägen gehabt, die dazu geführt haben. Aber wir Alle und ich<lb/> am meiſten, der ich die edlen und landesväterlichen Intentionen<lb/> und hochherzigen Geſinnungen Seiner Majeſtät des Königs am<lb/> beſten kenne, wir alle haben die Zuverſicht, daß Preußen unter<lb/> dem Szepter Seiner Majeſtät des Königs der Größe ſicher ent¬<lb/> gegengeht, die ihm die Vorſehung beſtimmt hat.“</p><lb/> <p>Exemplare der „Danziger Zeitung“ mit einem Berichte über<lb/> den Vorgang wurden an die Redactionen Berliner und andrer<lb/> Zeitungen verſandt, die das genannte Blatt bei ſeinem weſent¬<lb/> lich localen Charakter nicht zu halten pflegten. Die Worte des<lb/> Kronprinzen erhielten daher ſofort eine weite Verbreitung und<lb/> erregten im In- und Auslande ein begreifliches Aufſehn. Aus<lb/> Graudenz überſandte er mir einen förmlichen Proteſt gegen die<lb/> Preßverordnung und verlangte Mittheilung deſſelben an das Staats¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0344]
Der Kronprinz und die Preßverordnung.
Culm beſuchte. Am 2. Juni folgte ihm die Kronprinzeſſin nach
Graudenz; am Tage vorher war die Königliche Verordnung über
die Preſſe auf Grund eines Berichtes des Staatsminiſteriums er¬
ſchienen, welcher gleichzeitig veröffentlicht wurde. Am 4. Juni
richtete Se. Kgl. Hoheit an den König ein Schreiben, in welchem
er ſich mißbilligend über dieſe Octroyirung ausſprach, ſich über
die unterlaſſene Zuziehung ſeiner zu den betreffenden Berathungen
des Staatsminiſteriums beſchwerte und über die Pflichten ausſprach,
die ihm als dem Thronfolger ſeiner Meinung nach oblägen.
Am 5. Juni fand im Rathhauſe in Danzig der Empfang der
ſtädtiſchen Behörden ſtatt, bei dem Herr von Winter ein Bedauern
darüber ausſprach, daß die Verhältniſſe es nicht geſtatteten, der
Freude der Stadt ihren vollen lauten Ausdruck zu geben. Der
Kronprinz ſagte in ſeiner Antwort unter Anderm:
„Auch ich beklage, daß ich in einer Zeit hergekommen bin,
in welcher zwiſchen Regirung und Volk ein Zerwürfniß eingetreten
iſt, welches zu erfahren mich in hohem Grade überraſcht hat. Ich
habe von den Anordnungen, die dazu geführt haben, nichts ge¬
wußt. Ich war abweſend. Ich habe keinen Theil an den Rath¬
ſchlägen gehabt, die dazu geführt haben. Aber wir Alle und ich
am meiſten, der ich die edlen und landesväterlichen Intentionen
und hochherzigen Geſinnungen Seiner Majeſtät des Königs am
beſten kenne, wir alle haben die Zuverſicht, daß Preußen unter
dem Szepter Seiner Majeſtät des Königs der Größe ſicher ent¬
gegengeht, die ihm die Vorſehung beſtimmt hat.“
Exemplare der „Danziger Zeitung“ mit einem Berichte über
den Vorgang wurden an die Redactionen Berliner und andrer
Zeitungen verſandt, die das genannte Blatt bei ſeinem weſent¬
lich localen Charakter nicht zu halten pflegten. Die Worte des
Kronprinzen erhielten daher ſofort eine weite Verbreitung und
erregten im In- und Auslande ein begreifliches Aufſehn. Aus
Graudenz überſandte er mir einen förmlichen Proteſt gegen die
Preßverordnung und verlangte Mittheilung deſſelben an das Staats¬
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