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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Widerstreben des Königs gegen die Politik seines Ministers.
mündliche Mittheilung an den sächsischen Minister von Beust trug
noch den Stempel dieser Erregung1). Die Krisis war aber über¬
wunden, und der König von Sachsen reiste ab, ohne meinen
Herrn, wie ich es befürchtet hatte, nochmals aufzusuchen.

Nachdem der König auf der Rückreise von Baden-Baden
(31. August) nach Berlin so nahe an Frankfurt vorüber gefahren
war, daß der entschlossene Wille, sich nicht zu betheiligen, zu Tage
lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigstens die mächtigsten
Fürsten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den
Reformentwurf, der sie, wenn Preußen fern blieb, mit Oestreich allein
in einem Verbande ließ, in dem sie nicht durch die Rivalität der
beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an
die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürsten auf
die dem Congreß am 17. August gemachte Vorlage auch dann
eingehn würden, wenn sie in dem reformirten Bundesverhält¬
niß schließlich mit Oestreich allein geblieben wären. Man würde
sonst nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürsten die Zumuthung
gemacht haben, die östreichische Vorlage auch ohne Preußens Zu¬
stimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittel¬
staaten wollten aber in Frankfurt weder eine einseitig preußische,
noch eine einseitig östreichische Leitung, sondern für sich ein mög¬
lichst einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der
beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittel¬
staaten anwies. Die östreichische Zumuthung, auch ohne Preußen
abzuschließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Noth¬
wendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung
der eignen Neigung zu solchen. Die Form der Beantwortung der
östreichischen Wünsche war nicht glatt genug, um in Wien keine
Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rech¬
berg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unsre
Frankfurter Collegenschaft abgeschlossen hatte, war, daß er sagte,

1) Vgl. Beust, Aus drei Viertel-Jahrhunderten I 332 f., v. Sybel II 532.

Widerſtreben des Königs gegen die Politik ſeines Miniſters.
mündliche Mittheilung an den ſächſiſchen Miniſter von Beuſt trug
noch den Stempel dieſer Erregung1). Die Kriſis war aber über¬
wunden, und der König von Sachſen reiſte ab, ohne meinen
Herrn, wie ich es befürchtet hatte, nochmals aufzuſuchen.

Nachdem der König auf der Rückreiſe von Baden-Baden
(31. Auguſt) nach Berlin ſo nahe an Frankfurt vorüber gefahren
war, daß der entſchloſſene Wille, ſich nicht zu betheiligen, zu Tage
lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigſtens die mächtigſten
Fürſten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den
Reformentwurf, der ſie, wenn Preußen fern blieb, mit Oeſtreich allein
in einem Verbande ließ, in dem ſie nicht durch die Rivalität der
beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an
die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürſten auf
die dem Congreß am 17. Auguſt gemachte Vorlage auch dann
eingehn würden, wenn ſie in dem reformirten Bundesverhält¬
niß ſchließlich mit Oeſtreich allein geblieben wären. Man würde
ſonſt nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürſten die Zumuthung
gemacht haben, die öſtreichiſche Vorlage auch ohne Preußens Zu¬
ſtimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittel¬
ſtaaten wollten aber in Frankfurt weder eine einſeitig preußiſche,
noch eine einſeitig öſtreichiſche Leitung, ſondern für ſich ein mög¬
lichſt einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der
beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittel¬
ſtaaten anwies. Die öſtreichiſche Zumuthung, auch ohne Preußen
abzuſchließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Noth¬
wendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung
der eignen Neigung zu ſolchen. Die Form der Beantwortung der
öſtreichiſchen Wünſche war nicht glatt genug, um in Wien keine
Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rech¬
berg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unſre
Frankfurter Collegenſchaft abgeſchloſſen hatte, war, daß er ſagte,

1) Vgl. Beuſt, Aus drei Viertel-Jahrhunderten I 332 f., v. Sybel II 532.
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[341/0368] Widerſtreben des Königs gegen die Politik ſeines Miniſters. mündliche Mittheilung an den ſächſiſchen Miniſter von Beuſt trug noch den Stempel dieſer Erregung 1). Die Kriſis war aber über¬ wunden, und der König von Sachſen reiſte ab, ohne meinen Herrn, wie ich es befürchtet hatte, nochmals aufzuſuchen. Nachdem der König auf der Rückreiſe von Baden-Baden (31. Auguſt) nach Berlin ſo nahe an Frankfurt vorüber gefahren war, daß der entſchloſſene Wille, ſich nicht zu betheiligen, zu Tage lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigſtens die mächtigſten Fürſten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den Reformentwurf, der ſie, wenn Preußen fern blieb, mit Oeſtreich allein in einem Verbande ließ, in dem ſie nicht durch die Rivalität der beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürſten auf die dem Congreß am 17. Auguſt gemachte Vorlage auch dann eingehn würden, wenn ſie in dem reformirten Bundesverhält¬ niß ſchließlich mit Oeſtreich allein geblieben wären. Man würde ſonſt nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürſten die Zumuthung gemacht haben, die öſtreichiſche Vorlage auch ohne Preußens Zu¬ ſtimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittel¬ ſtaaten wollten aber in Frankfurt weder eine einſeitig preußiſche, noch eine einſeitig öſtreichiſche Leitung, ſondern für ſich ein mög¬ lichſt einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittel¬ ſtaaten anwies. Die öſtreichiſche Zumuthung, auch ohne Preußen abzuſchließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Noth¬ wendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung der eignen Neigung zu ſolchen. Die Form der Beantwortung der öſtreichiſchen Wünſche war nicht glatt genug, um in Wien keine Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rech¬ berg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unſre Frankfurter Collegenſchaft abgeſchloſſen hatte, war, daß er ſagte, 1) Vgl. Beuſt, Aus drei Viertel-Jahrhunderten I 332 f., v. Sybel II 532.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/368>, abgerufen am 25.11.2024.