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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Briefwechsel mit Ludwig von Baiern.

Versailles, 27. November 1870 1).

Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König,
Allergnädigster Herr,

Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnstein
auf Befehl Eurer Majestät gemacht hat, bitte ich Allerhöchstdieselben
den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes entgegennehmen zu
wollen. Das Gefühl meiner Dankbarkeit gegen Eure Majestät
hat einen tiefern und breitern Grund als den persönlichen in der
amtlichen Stellung, in welcher ich die hochherzigen Entschließungen
Eurer Majestät zu würdigen berufen bin, durch welche Eure
Majestät beim Beginne und bei Beendigung dieses Krieges der
Einigkeit und der Macht Deutschlands den Abschluß gegeben haben.
Aber es ist nicht meine, sondern die Aufgabe des deutschen Volkes
und der Geschichte, dem durchlauchtigen bairischen Hause für Eurer
Majestät vaterländische Politik und für den Heldenmuth Ihres
Heeres zu danken. Ich kann nur versichern, daß ich Eurer Majestät,
so lang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und ergeben
sein und mich jederzeit glücklich schätzen werde, wenn es mir ver¬
gönnt wird, Eurer Majestät zu Diensten zu sein. In der deutschen
Kaiserfrage habe ich mir erlaubt, dem Grafen Holnstein einen
kurzen Entwurf vorzulegen, welchem der Gedankengang zu Grunde
liegt, der meinem Gefühl nach die deutschen Stämme bewegt: der
deutsche Kaiser ist ihrer aller Landsmann, der König von Preußen
ein Nachbar, dem unter diesem Namen Rechte, die ihre Grundlage
nur in der freiwilligen Uebertragung durch die deutschen Fürsten
und Stämme finden, nicht zustehn. Ich glaube, daß der deutsche
Titel für das Präsidium die Zulassung desselben erleichtert, und
die Geschichte lehrt, daß die großen Fürstenhäuser Deutschlands,
Preußen eingeschlossen, die Existenz des von ihnen gewählten

1) Nach dem Concept, das in der Reinschrift noch Zusätze erhalten zu
haben scheint.
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Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I.
Briefwechſel mit Ludwig von Baiern.

Verſailles, 27. November 1870 1).

Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König,
Allergnädigſter Herr,

Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnſtein
auf Befehl Eurer Majeſtät gemacht hat, bitte ich Allerhöchſtdieſelben
den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes entgegennehmen zu
wollen. Das Gefühl meiner Dankbarkeit gegen Eure Majeſtät
hat einen tiefern und breitern Grund als den perſönlichen in der
amtlichen Stellung, in welcher ich die hochherzigen Entſchließungen
Eurer Majeſtät zu würdigen berufen bin, durch welche Eure
Majeſtät beim Beginne und bei Beendigung dieſes Krieges der
Einigkeit und der Macht Deutſchlands den Abſchluß gegeben haben.
Aber es iſt nicht meine, ſondern die Aufgabe des deutſchen Volkes
und der Geſchichte, dem durchlauchtigen bairiſchen Hauſe für Eurer
Majeſtät vaterländiſche Politik und für den Heldenmuth Ihres
Heeres zu danken. Ich kann nur verſichern, daß ich Eurer Majeſtät,
ſo lang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und ergeben
ſein und mich jederzeit glücklich ſchätzen werde, wenn es mir ver¬
gönnt wird, Eurer Majeſtät zu Dienſten zu ſein. In der deutſchen
Kaiſerfrage habe ich mir erlaubt, dem Grafen Holnſtein einen
kurzen Entwurf vorzulegen, welchem der Gedankengang zu Grunde
liegt, der meinem Gefühl nach die deutſchen Stämme bewegt: der
deutſche Kaiſer iſt ihrer aller Landsmann, der König von Preußen
ein Nachbar, dem unter dieſem Namen Rechte, die ihre Grundlage
nur in der freiwilligen Uebertragung durch die deutſchen Fürſten
und Stämme finden, nicht zuſtehn. Ich glaube, daß der deutſche
Titel für das Präſidium die Zulaſſung deſſelben erleichtert, und
die Geſchichte lehrt, daß die großen Fürſtenhäuſer Deutſchlands,
Preußen eingeſchloſſen, die Exiſtenz des von ihnen gewählten

1) Nach dem Concept, das in der Reinſchrift noch Zuſätze erhalten zu
haben ſcheint.
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[353/0380] Briefwechſel mit Ludwig von Baiern. Verſailles, 27. November 1870 1). Allerdurchlauchtigſter Großmächtigſter König, Allergnädigſter Herr, Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnſtein auf Befehl Eurer Majeſtät gemacht hat, bitte ich Allerhöchſtdieſelben den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes entgegennehmen zu wollen. Das Gefühl meiner Dankbarkeit gegen Eure Majeſtät hat einen tiefern und breitern Grund als den perſönlichen in der amtlichen Stellung, in welcher ich die hochherzigen Entſchließungen Eurer Majeſtät zu würdigen berufen bin, durch welche Eure Majeſtät beim Beginne und bei Beendigung dieſes Krieges der Einigkeit und der Macht Deutſchlands den Abſchluß gegeben haben. Aber es iſt nicht meine, ſondern die Aufgabe des deutſchen Volkes und der Geſchichte, dem durchlauchtigen bairiſchen Hauſe für Eurer Majeſtät vaterländiſche Politik und für den Heldenmuth Ihres Heeres zu danken. Ich kann nur verſichern, daß ich Eurer Majeſtät, ſo lang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und ergeben ſein und mich jederzeit glücklich ſchätzen werde, wenn es mir ver¬ gönnt wird, Eurer Majeſtät zu Dienſten zu ſein. In der deutſchen Kaiſerfrage habe ich mir erlaubt, dem Grafen Holnſtein einen kurzen Entwurf vorzulegen, welchem der Gedankengang zu Grunde liegt, der meinem Gefühl nach die deutſchen Stämme bewegt: der deutſche Kaiſer iſt ihrer aller Landsmann, der König von Preußen ein Nachbar, dem unter dieſem Namen Rechte, die ihre Grundlage nur in der freiwilligen Uebertragung durch die deutſchen Fürſten und Stämme finden, nicht zuſtehn. Ich glaube, daß der deutſche Titel für das Präſidium die Zulaſſung deſſelben erleichtert, und die Geſchichte lehrt, daß die großen Fürſtenhäuſer Deutſchlands, Preußen eingeſchloſſen, die Exiſtenz des von ihnen gewählten 1) Nach dem Concept, das in der Reinſchrift noch Zuſätze erhalten zu haben ſcheint. 23 Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/380>, abgerufen am 29.05.2024.